Nach dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) spricht sich auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion für eine Obergrenze von 60.000 Asylbewerbern pro Jahr aus. Die Asylzahlen müssten „drastisch gesenkt werden“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thorsten Frei, der „Bild“. Kretschmers Ziel von 60.000 Asylbewerbern pro Jahr „ist vernünftig“, so Frei. „Die entsprechenden Maßnahmen der Union liegen seit Monaten auf dem Tisch.“ Aufgrund eines seit Jahren andauernden „Ausnahmezustands“ halte man inzwischen Antragszahlen in einer Größenordnung für „normal“, die Deutschlands „Integrationsfähigkeit weit übersteigen“. Für eine Rückkehr zu einem „Normalzustand“ müssten die Zahlen „drastisch gesenkt werden“.
Der CDU-Politiker warf den Grünen vor, sinkende Asylbewerberzahlen zu blockieren: „Mit diesen Grünen in der Bundesregierung wird es keine Migrationspolitik zur Senkung der Zahlen geben. Meine Erwartungen an den Gipfel und insbesondere daran, was die Bundesregierung im Anschluss daraus machen wird, sind deshalb entsprechend gering.“ Brandenburgs CDU-Vorsitzender Jan Redmann sprach sich ebenfalls für eine Obergrenze von 60.000 Asylbewerbern pro Jahr aus: „Kretschmers Obergrenze orientiert an der realen gegenwärtigen Integrationskraft unserer Kommunen nach Jahren übergroßen Zuzugs“, sagte er der Zeitung. „Ich erwarte, dass der Bund endlich Möglichkeiten schafft, die Obergrenze auch durchzusetzen. Am besten europäisch – bis dahin an den deutschen Binnengrenzen.“
DIW macht Politik für Skepsis gegenüber Migration verantwortlich
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat mit Sorge auf eine Studie reagiert, derzufolge die Skepsis in Deutschland gegenüber Migration wächst. „Politiker demokratischer Parteien tragen mit ihrem Populismus gegen Zuwanderung die Hauptverantwortung für die negative Einstellung vieler Menschen gegenüber Migranten“, sagte Fratzscher dem „Handelsblatt“. Laut der Studie haben die Sorgen in der Bevölkerung angesichts steigender Flüchtlingszahlen und schwieriger Rahmenbedingungen wie Energiekrise und Inflation stark zugenommen. Vor allem Mehrkosten für den Sozialstaat, Probleme in Schulen und Wohnungsnot befürchten demnach zunehmend viele Menschen in Deutschland. Fratzscher erklärte, dass viele der benannten Probleme seit mindestens 20 Jahren bestünden und die Verantwortung dafür „primär bei der Politik“ liege. Dass nun eine Mehrheit der Menschen in Deutschland in der Zuwanderung die Ursache für viele Probleme sehe, sei auch darauf zurückzuführen, dass Politiker auch demokratischer Parteien in den vergangenen Jahren nicht müde geworden seien, Geflüchteten die Schuld für fehlende Arzttermine, geringe Einkommen und eine unzureichende Daseinsfürsorge zu geben. „Der einzige Gewinner dieses Populismus ist die AfD“, sagte der DIW-Chef. „Wirtschaft und Gesellschaft sind die großen Verlierer, zumal die Wirtschaft heute Arbeitskräfte dringender denn je benötigt.“ Fratzscher riet daher zu einem Umdenken. „Der Fokus sollte der Integration der mehr als 3,3 Millionen Schutzsuchenden und anderer Migranten in den Arbeitsmarkt gelten, nicht den Diskussionen um Kürzungen sozialer Leistungen oder dem Erschweren der Integration in den Arbeitsmarkt.“
Pro Asyl kritisiert Arbeitsverbote für Flüchtlinge
Der Verein „Pro Asyl“ hat in der Debatte über einen Arbeitszwang für Flüchtlinge für eine Rücknahme von Arbeitsverboten geworben. „Die Diskussion um eine Arbeitspflicht für Flüchtlinge ist von Vorurteilen getrieben“, sagte Pro-Asyl-Referentin Andrea Kothen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwochausgabe) vor dem für Mittwoch geplanten Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Sie verwies auf die gültige Rechtslage, wonach Flüchtlinge schon jetzt für entsprechende Arbeitseinsätze herangezogen werden können. „An den Betroffenen scheitert eine Arbeitsaufnahme nicht. Asylbewerber wollen arbeiten“, so Kothen. „Tatsächlich sind Asylbewerber in ihren Unterkünften häufig zum Nichtstun verdammt, weil gesetzliche Arbeitsverbote und langwierige Erlaubnisverfahren die Aufnahme von regulärer Arbeit behindern.“ Die Debatte um eine Arbeitspflicht für 80 Cent pro Stunde „setzt dem Ganzen die Krone auf“, so die Pro-Asyl-Referentin. Sie rief die Regierungen in Bund und Ländern dazu auf, Flüchtlingen den Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt zu erleichtern. Zustimmung kam vom Deutschen Landkreistag. „Die Arbeitgeber sollten Geflüchtete vermehrt einstellen“, sagte Landkreistagspräsident Reinhard Sager der Zeitung. „Dafür ist es notwendig gesetzlich zu regeln, dass Asylbewerber schon nach kurzer Zeit zur Annahme zu zumutbarer Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verpflichtet werden können.“ Darauf sollten sich Bund und Länder am Mittwoch verständigen, so Sager, „um deutlich zu machen, dass jede und jeder, der zu uns kommt, auch seine Arbeitskraft einsetzen muss“.
Studie: Migrationsskepsis steigt
Unter dem Eindruck steigender Flüchtlingszahlen haben skeptische Einstellungen zur Migration in Deutschland zugenommen. Das geht aus einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach erwarten 78 Prozent der Befragten Mehrkosten für den Sozialstaat durch Zuwanderung, 74 Prozent befürchten Wohnungsnot in Ballungsräumen und 71 Prozent sorgen sich um Probleme in den Schulen. Diese Werte fallen höher aus als in den beiden letzten Befragungen 2021 und 2019. Sie erreichen nun ein ähnliches Niveau wie 2017, wobei die Sorge um Wohnungsnot seitdem noch einmal deutlich angestiegen ist (2017: Sozialstaat: 79 Prozent; Wohnungsnot: 65 Prozent; Schulen: 68 Prozent). Dass die Menschen, die nach Deutschland kommen, hierzulande sehr oder eher willkommen geheißen werden, glaubt dennoch eine Mehrheit der Befragten. Gegenüber Migranten, die zu Arbeits- und Bildungszwecken nach Deutschland einwandern, sehen 78 Prozent eine solche Willkommenskultur bei den staatlichen Stellen der Kommunen (2021: 78 Prozent; 2019: 79 Prozent; 2017: 77 Prozent) und 73 Prozent bei der Bevölkerung vor Ort (2021: 71 Prozent; 2019: 71 Prozent; 2017: 70 Prozent). Eine willkommen heißende Haltung gegenüber Flüchtlingen nehmen 67 Prozent der Befragten bei den Kommunen wahr (2021: 68 Prozent; 2019: 71 Prozent; 2017: 73 Prozent) und 53 Prozent bei der Bevölkerung vor Ort (2021: 59 Prozent; 2019: 56 Prozent; 2017: 59 Prozent). Der Langzeitvergleich zeigt, dass diese Werte seit Jahren stabil sind. +++