Trittin rechnet mit Bruch der großen Koalition und Neuwahlen

Berlins Regierender erwartet "instabile Lage"

Bundestag

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin rechnet mit einem vorzeitigen Bruch der großen Koalition und mit Neuwahlen. Dass Angela Merkel nach ihrem Rückzug als CDU-Vorsitzende bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 Kanzlerin bleiben könne, bezeichnete Trittin als „eher unwahrscheinlich“. „Ich glaube, dass die Widersprüche zwischen der SPD und der künftigen CDU wachsen werden, und das wird zum Ruf nach Neuwahlen führen“, sagte Trittin der „Welt“. „Dass diese Wahlperiode tatsächlich bis 2021 dauern wird, ist durch die jetzt anstehende Personalentscheidung bei der CDU ungewisser denn je geworden.“

Der frühere Grünen-Frakionschef beobachtet angesichts der Diskussion um die Merkel-Nachfolge im Parteivorsitz „an einem wachsenden Rand“ in der CDU Überlegungen, von der Linie abzurücken, nicht mit der AfD zu koalieren. Dies entspreche dem „österreichischen Weg“, den die ÖVP gegangen sei, als sie sich nach Jahrzehnten in der großen Koalition von dem Dogma gelöst habe, nicht mit der FPÖ zu koalieren. Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn, die für den CDU-Vorsitz kandidieren wollen, forderte Trittin auf: „Deshalb muss ich von allen drei Kandidaten erwarten, dass sie sich jetzt in der Zeit vor der Wahl des neuen Parteivorsitzenden klar positionieren. Und wenn sie an dem Grundsatz festhalten, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, bleiben sie auf lagerübergreifende Koalitionen angewiesen und dürfen nicht den falschen Eindruck erwecken, als würde die CDU künftig wieder nur die eigenen Grundsätze realisieren.“ Sollte die CDU unter neuer Führung nicht „Partei der rechten Mitte mit einem gewissen konservativen Anteil bleiben“, sondern „auf die Abgrenzung nach Rechtsaußen verzichten, würde sie die Koalitionsfähigkeit mit den Grünen einbüßen“, warnte Trittin. Der zweimalige Spitzenkandidat der Grünen für Bundestagswahlen widersprach der Einschätzung, Merz oder Spahn könnten die CDU wieder stärker profilieren, so dass auch links der Mitte wieder mehr Raum entstehe für Robert Habeck als möglichen Kanzlerkandidaten der Grünen. „Das ist zu hypothetisch, der Zwang zu lagerübergreifenden Koalitionen wird bleiben“, so Trittin. „Und wenn die zunehmende Polarisierung dazu führt, dass die CDU wie in Österreich mit den Rechten koaliert, dann mache ich mir nicht Hoffnung für die Zukunft der Grünen, sondern Sorgen um den Bestand unserer Demokratie.“ Den derzeit hohen Umfragewerten für die Grünen auch im Bund begegnete Trittin mit Skepsis. Er habe es in der Vergangenheit „zu oft erlebt, dass wir tolle Umfrageergebnisse hatten und auch bei Landtagswahlen zweistellig wurden, aber bei Bundestagswahlen dann doch unter diesen Erwartungen blieben“. Darum, so Trittin an seine Parteifreunde, „rate ich uns in dieser Frage zu Demut“.

Berlins Regierender erwartet „instabile Lage“

Michael Müller, der Regierende Bürgermeister von Berlin, rechnet nicht damit, dass die große Koalition schnell zur Ruhe kommt. Dem Nachrichtenmagazin Focus sagte der SPD-Politiker: „Viele sind genervt von der Koalition. Wir brauchen einen Neustart. In einigen Wochen werden wir sehen, ob das gelingt.“ Das hängt aus Müllers Sicht vor allem von der CDU ab. „Wenn sechs Leute gegeneinander kandidieren, gibt es fünf Verlierer. Die CDU steuert auf eine instabile Lage zu“, sagte Müller mit Blick auf die Merkel-Nachfolge an der CDU-Spitze. Vor dem SPD-Debattencamp, bei dem die Sozialdemokraten ihre künftige Programmatik beschließen wollen, fordert Michael Müller die Konzentration auf einige wenige Themen. „Wir müssen klarer und sichtbarer werden. Wir brauchen nicht 28 Themen, sondern einige wenige: Sozialstaat und Arbeitsmarkt, Mieten und Wohnen, gebührenfreie Bildung von Kita bis Uni, Gesundheit und Pflege sowie Klima- und Umweltpolitik.“ Müller rät seiner Partei zudem, öfters den Konflikt mit der Union zu suchen. „Bevor wir eine eigene Position formulieren, überlegen wir schon, ob die Union diese mittragen würde“, sagte Müller. „Das muss aufhören. Natürlich gilt der Koalitionsvertrag. Aber die Partei muss eigenständig denken. Im Moment tut sie das leider nicht.“ +++