Tarifeinheit: Polizeigewerkschaft wirft Union „Heuchelei“ vor

Berlin. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hat die Pläne der Großen Koalition, die Macht der Spartengewerkschaften per Gesetz zu beschneiden, scharf kritisiert: Dass der Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs (CDU), die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) mit der Begründung zu einem Gesetzentwurf zur Tarifeinheit dränge, dass es bei Bahn- und Luftverkehr um „Daseinsvorsorge und unsere Volkswirtschaft“ gehe, sei „pure Heuchelei“, schreibt Wendt in einem Gastbeitrag für „Handelsblatt-Online“. Denn um öffentliche Daseinsvorsorge sei es weder dem Wirtschaftsflügel der Union noch den Arbeitgeberverbänden jemals gegangen. „Letztere wollen es einfach nur so bequem wie möglich haben und die berechtigten Interessen derjenigen ignorieren, die sich nun einmal nicht in einer „Einheitsgewerkschaft“ organisieren möchten.“

Wendt gab zu bedenken, dass der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio deutlich gemacht habe, dass ein Gesetz zur Tarifeinheit, wie von Nahles geplant, gegen die Verfassung verstoße. „Wenn die Arbeitsministerin trotzdem ihre Beamten weiter daran arbeiten lässt, zeigt dies einmal mehr, wie wenig Respekt weite Teile der „politischen Klasse“ vor unserem Grundgesetz haben.“ Als „Blödsinn“ wies Wendt zudem die immer wieder geäußerte Einschätzung zurück, dass die Bahn eine „streikfreie Zone“ sein müsse, weil Mobilität ein „Grundrecht“ sei. „Denn `die Bahn` gibt es längst nicht mehr, sie wurde zerschlagen in etliche Einzelbetriebe, einzig auf Kostenminimierung und Gewinnmaximierung getrimmt und stets vom Hohelied der Marktwirtschaft getrieben“, so Wendt.

Ähnliches zeige sich in der Luftfahrt, „wo schon die Sicherheitskontrollen für die Passagiere ein Kalkulationselement der Ticketpreise“ seien. „Teilweise miserable Arbeitsbedingungen, prekäre Verhältnisse und hohe Fluktuation bestimmen das Bild, wo eigentlich verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge hingehört“, klagte Wendt und fügte hinzu: „Es wird höchste Zeit, dass sich das ändert und notfalls mit konsequentem Arbeitskampf.“ Wendt unterstützt daher auch die Gewerkschaft der Lokführer. Die GDL habe recht, „wenn sie mit Warnstreiks Druck macht und notfalls auch Arbeitsniederlegung als Mittel des Arbeitskampfes nicht ausschließt“. Davon würden natürlich auch Fahrgäste betroffen, so Wendt. Doch wie solle das auch anders gehen, wenn Druck aufgebaut werden soll. „Wer darüber jammert, hat das Wesen des Arbeitskampfes als legitimes Recht nicht verstanden.“

Marburger Bund: Geplantes Gesetz keine Verbesserung

Die Ärzteorganisation Marburger Bund sieht in einer laut Medienberichten geplanten Modifizierung des geplanten Gesetzes zur Tarifeinheit keine Verbesserung. „Ein Zwang zur Tarifeinheit nach der sogenannten Mehrheitsregel degradiert die zahlenmäßig unterlegene Gewerkschaft zum Zaungast von Tarifverhandlungen“, sagte der Sprecher des Marburger Bundes, Hans-Jörg Freese, der Tageszeitung „Junge Welt“. Eine Gewerkschaft, deren Tarifvertrag nicht wirksam werden könne, dürfe nicht zu einem Arbeitskampf aufrufen. „Insofern spielt es keine Rolle, ob im Gesetz explizit klargestellt wird, dass Gewerkschaften mit weniger Mitgliedern im Betrieb an die Friedenspflicht der größeren Gewerkschaft gebunden sind. Implizit ist das die Konsequenz einer verordneten Tarifeinheit: Die Minderheitsgewerkschaft im Betrieb wird kaltgestellt.“ Die „Stuttgarter Zeitung“ hatte am Mittwoch über Pläne des Bundesarbeitsministeriums berichtet, dass künftig der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in einem Unternehmen maßgeblich sein soll, ohne allerdings die Folgen dieser Regelung für das Streikrecht zu benennen.