„Es ist recht einfach zu sagen, dass der Markt schon die richtigen Antworten auf die großen sozialen Herausforderungen geben wird. Beim Wohnungsmarkt, gerade in unserem Kreis als Teil einer boomenden Rhein-Main-Region, sind diese Antworten leider seit Jahren unzureichend. Die Beschaffung bezahlbaren Wohnraums ist ein wichtiger Teil der Daseinsfürsorge“, sagt Landrat Thorsten Stolz. Damit bezieht er sich auf die Kritik einzelner Kreistagsfraktionen an den Überlegungen zur Gründung einer kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Diese Kritik bezeichnet er als „inhaltlich, sachlich und politisch nicht nachvollziehbar“.
„Ich will es sehr deutlich formulieren: Wenn AfD und CDU solche Überlegungen zur Schaffung von weiterem bezahlbaren Wohnraum für die Menschen in der Region kritisieren, dann verkennen beide Parteien die Lebenswirklichkeit vieler Menschen, auch hier bei uns im Main-Kinzig-Kreis. Rentnerinnen und Rentner, Alleinerziehende, Familien, kleinere und mittlere Einkommen haben es immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu finden“, so Landrat Thorsten Stolz. Da brauche es konkrete Lösungen, mit und durch die öffentliche Hand.
Die Immobilienpreise bewegen sich im Kreisgebiet seit Jahren auf einem steigenden Niveau. Im Schnitt bezahlen Mieterinnen und Mieter nach Branchenangaben schon an die 9 Euro pro Quadratmeter. Im Westkreis und in der Kreismitte bewegen sich die Quadratmeterpreise eher deutlich darüber. Wer sich mit kleiner Rente in überschaubaren 60 Quadratmetern einmiete und dafür 700 Euro, 800 Euro oder noch mehr bezahlen müsse, nicht inbegriffen die zusätzlichen Nebenkosten, „der spürt den Druck des Wohnungsmarkts unmittelbar, das ist für diese Menschen die bedrängende Realität“, so Stolz.
Die steigenden Preise auf dem Immobilienmarkt spiegeln den jahrelangen Trend, der auch ein Ergebnis der großen Attraktivität des Rhein-Main-Gebiets ist. Bestandsimmobilien haben sich deutlich verteuert, Mietniveaus erhöht und neu geschaffene Mietwohnungen werden zu einem üppigen Quadratmeterpreis angeboten. Da kämen die Haushalte mit kleinem Einkommen kaum noch mit, betont Stolz: „Es gibt eine immense Nachfrage nach Baugrundstücken und Immobilien. Die Bautätigkeit ist rege, auch wenn die Umsetzung immer noch hinter den Zielmarken der Bundesregierung zurückbleibt. Aber wenn der Gutachterausschuss schon im vergangenen Jahr einen Durchschnittsverkaufspreis von 740.000 Euro für ein Wohnhaus im Gebiet des westlichen Main-Kinzig-Kreises und der Wetterau feststellt, dann wird klar, dass es für viele Menschen ganz einfach aus finanziellen Gründen keine Option ist, in Eigenbesitz zu wechseln.“
Schon im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU sei vereinbart worden, dass weitere aktive Maßnahmen zur Entlastung des Immobilienmarkts notwendig seien. Der Bedarf an bezahlbaren Mietwohnungen wird nach Meinung von Landrat Thorsten Stolz eher noch steigen, so dass ein Erwägen verschiedener konkreter Initiativen auch notwendig sei. „Corona hatte auf den Wohnungs- und Immobilienmarkt keine gravierenden Auswirkungen. Die Trends halten an. Und das Thema Miethöhen und Preisdruck bleiben eines der wichtigsten Themen der Menschen in der Region, das sehe ich auch anhand der zahlreichen Zuschriften, die mich erreichen“, erklärt Stolz.
Die CDU fordere eine Prüfung aller Optionen und einen eher schmalen personellen Aufwand. „Ja was denn sonst?“, fragt Thorsten Stolz. „Natürlich prüfen wir gemeinsam alle Optionen. Aber es ist auch klar wie banal, dass eine Initiative Power braucht, wenn sie wirksam sein will. Mit guten Wünschen alleine löst sich der Engpass auf dem Wohnungsmarkt nicht.“ Dass die AfD daraus nun sogar ableite, es gehe um das Schaffen von „Pöstchen“ und dies mit einer Polemik gegen kreiseigene Betriebe insgesamt verbinde, „sagt eigentlich alles über das Debattenniveau der AfD aus“.
Der Main-Kinzig-Kreis hingegen habe in den zurückliegenden Jahren erfolgreich mit Mitteln des Landkreises Wohnungsbauprojekte in einzelnen Städten und Gemeinden gefördert. Als konkrete Beispiele für vom Kreis geförderte Wohneinheiten nennt der Landrat Projekte in Maintal, Erlensee, Rodenbach, Wächtersbach, Hasselroth, Bruchköbel, Nidderau und Schlüchtern. Bei allen Projekten sei durch das Engagement der einzelnen Städte und Gemeinden, das Einbringen von Grundstücksflächen sowie die Förderung des Kreises ein gedeckelter Mietpreis von 7,50 je Quadratmeter im Neubau ermöglicht worden. Mittlerweile wurden durch das Programm des Landkreises insgesamt 283 Wohnungen kreisweit gefördert. „Wir zeigen anhand dieses Förderprojekts: Wir können vor Ort etwas bewegen, wenn wir das Know-how vor Ort bündeln und uns auf kurzen Wegen unterstützen, und doch ist das nur ein kleiner Beitrag gegen die weiter voranschreitende Preisentwicklung. Der Nachfrage muss ein höheres Angebot gegenüberstehen“, so Stolz.
Die Entwicklung des Preisniveaus ist nach Ansicht des Landrats auch der wesentliche Grund, warum der private und freie Markt es am Ende nicht alleine werden regeln können. Denn einerseits werden hohe Kaufpreise für Grundstücke aufgerufen, andererseits steigen die Errichtungs- und Baukosten immer weiter. Unter diesen Rahmenbedingungen könnten private Investoren keine Mietwohnungen für 7,50 Euro oder 8,50 Euro je Quadratmeter im Neubau realisieren.
Zur Wahrheit gehöre auch, dass viele private Bauträger einen solchen Quadratmeterpreis auch überhaupt nicht wollten, merkt Stolz an: „Hier geht es bei vielen Bauträgerprojekten oft auch um Gewinnmaximierung und die Schaffung von Eigentumswohnungen. Kleinere und mittlere Einkommen oder gar die Bezieher staatlicher Leistungen haben viele klassische private Bauträger überhaupt nicht auf dem Schirm, die fallen hier durchs Raster. Das hat dann in letzter Konsequenz Züge eines echten Marktversagens. Deshalb ist es so wichtig, dass sich die öffentliche Hand engagiert und initiativ wird, um zusätzliche Wohnungsangebote für kleinere und mittlere Einkommen zu schaffen und zu befördern.“ Dass ein Marktversagen durchaus nicht einfach so hingenommen werden müsse, zeige das Beispiel Breitbandausbau: Hier habe der Main-Kinzig-Kreis Verantwortung übernommen und darüber kreisweit eine Versorgung geschaffen, die in vielen anderen Landkreisen noch ihresgleichen sucht.
In Sachen Wohnungsbau engagiert sich das Land Hessen ebenfalls. Alleine im Main-Kinzig-Kreis sind in den vergangenen beiden Jahren 117 Wohneinheiten so gefördert worden, dass ein geringerer Mietpreis möglich wurde. „Das ist gut und wichtig, aber die Preise entwickeln sich dynamischer als dass die bisherigen Gegenmaßnahmen das wirksam eindämmen könnten“, so Stolz.
Die öffentliche Hand könne nicht alles auffangen, was eigentlich durch private Investoren geschaffen werden müsse, so Stolz. Aber durch das Engagement der kommunalen Ebene könne wenigstens in Teilen weiter gegengesteuert werden. Deshalb sei es richtig – neben dem bisherigen erfolgreichen Förderprogramm des Landkreises – zu prüfen und inhaltlich zu vertiefen, wie der Main-Kinzig-Kreis im Schulterschluss mit den Städten und Gemeinden noch mehr tun könne. Und dazu zähle auch die Gründung einer kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Dies werde jetzt rechtlich und wirtschaftlich geprüft. „Wenn das aber für uns rechtlich und wirtschaftlich darstellbar ist und auch Unterstützung bei den Städten und Gemeinden im Landkreis findet, dann spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, auch noch mehr Verantwortung für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu übernehmen, und zwar im Sinne der Menschen zwischen Maintal und Sinntal“, so der Landrat abschließend. +++ pm