SPD verlangt nach Angriff auf Matthias Ecke „Stopp-Signal“

Top-Ökonomen alarmiert wegen Angriffen auf Politiker

Nach dem Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden fordern die Parteien ein entschlossenes Handeln gegen die zunehmende Bedrohung politischer Amtsträger. Katja Mast, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, forderte „eine gesellschaftliche Auseinandersetzung, was Anstand und Respekt in der Demokratie“ bedeuten. „Es ist gut, dass unser Land Solidarität mit Matthias Ecke und allen anderen Betroffenen zeigt. Wir müssen gemeinsam ein Stopp-Signal setzen“, sagte sie der „Welt“.

Für den FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle sind „die jüngsten tätlichen Angriffe auf Wahlkämpfer Teil einer Verrohung, die sich an vielen Stellen in der Gesellschaft zeigt“. Politisch engagierte Bürger müssten „besser vor Bedrohungen und vor körperlichen Übergriffen geschützt werden“. Im Koalitionsvertrag sei dazu beispielsweise vereinbart, dass die Möglichkeit von Auskunftssperren im Melderegister für von Extremismus und Gewalt bedrohte Menschen weiter verbessert werden solle. „Auf diese Weise sollen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, davor geschützt werden, an ihrem Wohnort aufgesucht und bedroht zu werden.“ Angesichts der aktuellen Gewalttaten müsse dieses Vorhaben „zügig umgesetzt“ werden.

Die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz sagte der „Welt“: „Die Hemmschwelle, Politiker nicht nur verbal, sondern sogar körperlich anzugreifen, sinkt offenbar immer weiter.“ Das erfordere eine Anpassung der Schutzkonzepte der Polizei. „Die Parteien müssen den Wahlkampf im Vorfeld eng mit den Behörden abstimmen. In manchen Gegenden wird es dann einer engmaschigen Begleitung vor Ort bedürfen.“ Für Lindholz „hat der Umgang von Politikern untereinander Auswirkungen auf die Gesellschaft“. Zugespitzte Aussagen müssten zwar weiter möglich sein. „Verbale Angriffe, die als Aufforderung zu Gewalttaten auch nur missverstanden werden können, sind aber völlig inakzeptabel.“

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte der „Welt“: „Wir dürfen nicht zulassen, dass durch tätliche Angriffe, Einschüchterungsversuche und Bedrohungen Menschen, die sich engagieren, eingeschüchtert werden.“ Der AfD-Innenpolitiker Martin Hess sagte unterdessen der Zeitung, seine Partei lehne „konsequent jegliche Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ab“. Die Täter seien hart zu bestrafen, denn ihr Verhalten sei eine Gefahr für die Demokratie. „Den betroffenen Politikern wünschen wir schnellstmögliche Genesung.“ Allerdings seien AfD-Politiker „am stärksten von körperlichen Angriffen betroffen“, fügte er hinzu. Der Spitzenkandidat der sächsischen SPD für die Europawahl am 9. Juni, Ecke, war am Freitagabend von mutmaßlich vier Angreifern schwer verletzt worden, als er Wahlplakate in Dresden-Striesen aufhängte.

Top-Ökonomen alarmiert wegen Angriffen auf Politiker

Nach zahlreichen Angriffen auf Politiker und Helfer verschiedener Parteien warnen führende Ökonomen vor den wirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung. Die allerjüngsten Angriffe auf Wahlkämpfer seien „alarmierend“, sagte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer dem „Handelsblatt“. „Der Imageschaden für Deutschland ist groß und kann dem Wirtschaftsstandort Deutschland sehr schaden.“ Noch mehr Sorgen mache sie sich jedoch, dass solche Vorfälle mehr und mehr Menschen abschrecken werde, sich in der Politik zu engagieren. „Darin sehe ich die größte Gefahr für unsere Demokratie“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der die Bundesregierung berät.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, fürchtet, dass sich soziale und politische Konflikte noch verstärken könnten. „Deutschland verspielt zunehmend seinen Ruf als Anker der Stabilität in Europa“, sagte Fratzscher dem „Handelsblatt“. Eine zunehmende Instabilität verunsichere ausländische Unternehmen und Investoren und dürfte die eh schon gesunkenen Direktinvestitionen in Deutschland weiter schwächen. Vor allem Regionen in Ostdeutschland, in denen der Zulauf zur AfD besonders stark und Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz besonders ausgeprägt seien, würden „einen hohen wirtschaftlichen Preis zahlen“, wenn es ihnen nicht gelinge, die offene Gesellschaft, Demokratie und Marktwirtschaft zu verteidigen.

SPD-Chefin Saskia Esken warnt nach den Angriffen unterdessen vor einer ernsthaften Gefahr für die Demokratie und jeglicher Verharmlosung. „Der Überfall auf Matthias Ecke und die wachsende Gewalt gegenüber denen, die sich für unsere Demokratie einsetzen, ist ein Alarmsignal an alle Menschen in diesem Land“, sagte Esken der „Rheinischen Post“. „Wenn Schlägertrupps die Plakatierteams demokratischer Parteien angreifen, greifen sie die Grundfeste unserer Demokratie an. Was Matthias Ecke erleben musste, stellt ein Ausmaß an Gewalt dar, das allen klarmachen muss, womit wir es hier zu tun haben: Eine ernsthafte Gefährdung unserer Demokratie.“ Jede Verharmlosung verbiete sich.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) verlangt derweil klare Konsequenzen aus den jüngsten Angriffen auf Wahlkämpfer in Dresden und Essen. „Die jüngsten Vorfälle reihen sich ein in Angriffe auf Amtsträger wie Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungskräfte und anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst“, sagte er der „Rheinischen Post“. Das sei leider Fakt. Er frage sich aber, warum immer dann, wenn so etwas passiere, die gleiche Leier gespielt werde: „Verurteilen, diskutieren, Sitzungen veranstalten. Damit ist niemanden geholfen. Was jetzt gebraucht wird ist ein entschlossenes, solidarisches Handeln aller staatlicher Institutionen gegen diese zunehmende Gewaltbereitschaft, eine konsequente Strafverfolgung mit wirkungsvollen Urteilen und endlich wieder ein respektvolles Miteinander in der Gesellschaft. Wir Demokraten dürfen uns nicht einschüchtern lassen, sondern müssen gemeinsam zusammenstehen.“ +++

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