SPD-Fraktionsvize drängt Spahn zu Aufklärung über Impfstopp

CDU-Gesundheitsexperte erwartet baldige Aufhebung des Impfstopps

SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aufgefordert, die Öffentlichkeit über die genauen Umstände des Astrazeneca-Stopps zu informieren. „Ich erwarte eine transparente Aufklärung vom Bundesgesundheitsminister und klare Aussagen über die Risikobewertung“, sagte sie dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Das gelte auch im Vergleich zum Risiko der Aussetzung der Impfung. Sie widersprach zugleich ihrem Parteikollegen Karl Lauterbach, der den Impfstopp als Fehler bezeichnet hatte. „Das Paul-Ehrlich-Institut ist für die Sicherheit von Impfstoffen zuständig. Wenn es empfiehlt, Impfungen mit Astrazeneca auszusetzen, dann sollte man dem folgen“, sagte die Sozialdemokratin. Bas fügte allerdings hinzu, die Bevölkerung sei sehr verunsichert. „Schon jetzt ist ein immenser Vertrauensverlust gegenüber dem Impfstoff von Astrazeneca entstanden, der kaum noch zu beheben ist“, sagte sie.

CDU-Gesundheitsexperte erwartet baldige Aufhebung des Impfstopps

Erwin Rüddel, CDU-Gesundheitsexperte, geht davon aus, dass Astrazeneca nur wenige Tage nicht zur Verfügung stehen wird. Er sei zuversichtlich, dass das Versprechen der Kanzlerin, bis zum 21. September allen ein Impfangebot zu machen, gehalten werde, sagte er der RTL/n-tv-Redaktion. „Ich glaube zum einen, dass der Nachweis geliefert wird, dass Astrazeneca ein guter zuverlässiger Impfstoff ist. Und ich glaube zum anderen, dass wir es durch den weiteren Zulauf der anderen Impfstoffe im zweiten und dritten Quartal schaffen werden, allen im Sommer ein Impfangebot zu machen“, so Rüddel. Nach allem was er wisse, sei die Sorge derer, die bereits eine erste Impfung mit Astrazeneca erhalten haben und nun nicht wüssten wie weiter, unbegründet. „Aus Großbritannien wissen wir, wenn der zeitliche Abstand zwischen der ersten und zweiten Impfung mit Astrazeneca größer wird, die Wirkung zunimmt. Sollte Astrazeneca grundsätzlich vom Markt verschwinden, was ich nicht glaube, dann ist ein Nachimpfen nach einer gewissen Zeit durch einen anderen Impfstoff möglich“, prognostizierte der Christdemokrat. Letzteres müsste in einer entsprechenden Verordnung festgeschrieben werden.

EMA verspricht gründliche Astrazeneca-Prüfung

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat eine gründliche Prüfung des umstrittenen Corona-Impfstoffs von Astrazeneca versprochen. Man tue alles dafür, um alle möglichen Nebenwirkungen zu evaluieren, sagte EMA-Direktorin Emer Cooke am Dienstag. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei nach aktuellem Stand weiterhin positiv. „Wenn man Millionen von Menschen impft, ist es unvermeidlich, dass es im Zusammenhang mit Nebenwirkungen der Impfungen seltene ernste Zwischenfälle gibt.“ Die Aufgabe der Behörde sei es jetzt herauszufinden, ob es sich bei den festgestellten Thrombosen um Zufall oder eine echte Nebenwirkung handele, so Cooke. Sie versprach eine rigorose Untersuchung, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Blutgerinnseln und dem Impfstoff geben könnte. Zudem bekräftigte die EMA-Direktorin, dass die Analyse bis Donnerstag abgeschlossen werden soll. Deutschland und weitere Länder hatten die Impfungen mit Astrazeneca zuletzt gestoppt, weil es unter anderem eine „auffällige Häufung“ von Hirnvenenthrombosen geben soll.

Patientenschützer fürchten wachsendes Misstrauen bei Impfwilligen

Patientenschützer haben nach dem Astrazeneca-Stopp vor schwindendem Vertrauen gewarnt. „Vollgas, Kritik ignorieren, beschwichtigen und dann Vollbremsung. Diese simple Impfstrategie der Bundesregierung führt zu Misstrauen bei den Impfwilligen“, sagte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Der Bundesgesundheitsminister müsse endlich auf Transparenz setzen und Kritik ernst nehmen. Grundsätzlich forderte der Patientenschützer, dass nicht nur die Chancen der Impfstoffe benannt werden sollten, sondern insbesondere die Impfreaktionen und Nebenwirkungen. Die Entscheidung, das Impfen mit Astrazeneca vorerst auszusetzen, kritisierte Brysch nicht. Seine Kritik zielt vielmehr darauf, dass Astrazeneca bis Montag als völlig sicher eingestuft und dann abrupt aus dem Markt genommen wurde. „Beim Stopp des Impfens mit Astrazeneca gibt es aus Sicht des Patientenschutzes also kein richtig oder falsch. Es ist vielmehr die Schwarz-weiß-Kommunikation der Politik, die eine Vertrauenskrise schafft.“ Sich alleine auf den Impferfolg zu konzentrieren, spiele den Kritikern zu sehr in die Hände, so Brysch.

Astrazeneca-Stopp stößt auf Kritik

Die vorläufige Aussetzung der Impfungen mit dem Wirkstoff von Astrazeneca ist bei Ärzten und Opposition auf Kritik gestoßen. „Ich halte die Art und Weise, wie die Entscheidung getroffen wurde, für falsch“, sagte der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Als Mediziner habe er viele Fragen, die beantwortet werden müssten, aber seit der Verkündung am Montag habe man von der Bundesregierung keine Äußerungen mehr vernommen. „Die Bundesregierung hätte besser daran getan, das Impfprogramm fortzusetzen und schnell dafür zu sorgen, dass die Risiko-Aufklärung auf dem neuesten Stand ist“, sagte unterdessen die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe). „Wir müssen doch im Blick behalten, welche Auswirkungen die Entscheidung, einen Impfstoff vorübergehend nicht zu verwenden, auf die gesamte Impfkampagne hat.“ Wenn jetzt weniger Menschen in der dritten Welle geimpft werden könnten, drohten mehr Menschen schwerer zu erkranken, weil sie nicht geimpft seien. Diese Risikoabwägung komme ihr zu kurz. „Es ist auch falsch, in diesem Zusammenhang von Notbremse zu sprechen.“ Das mache man, wenn der Zug entgleise, was hier nicht der Fall sei. „Allein in Großbritannien sind mehr als zehn Millionen Menschen mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft worden, ohne dass die Notwendigkeit bestand, die Impfkampagne zu unterbrechen“, so Johna weiter. +++

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