Der spanische Außenminister José Manuel Albares hat die Aufforderung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an die Ukraine-Partner zurückgewiesen, der Ukraine mehr Militärhilfen zukommen zu lassen. „Es gibt keinen Grund, uns unter Druck zu setzen“, sagte Albares dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Er verwies auf die umfangreiche Unterstützung, die Spanien bereits leiste. „Obwohl wir eines der Länder sind, die am weitesten von der Ukraine entfernt sind, zählen wir zu den Ländern, die die Ukraine am stärksten unterstützen“, sagte Albares. „Ich glaube nicht, dass der Bundeskanzler jemanden Bestimmten gemeint hat.“ Der Außenminister erklärte, dass Spanien sich an den konkreten Bitten aus der Ukraine orientiere. „Wir versuchen in enger Abstimmung mit der Ukraine den Bedarf an militärischer Ausrüstung zu decken, um den sie uns bitten. Sie fragten nach Leopard-Panzern. Wir haben geliefert. Sie fragten nach Luftabwehrsystemen. Wir haben geliefert“, sagte Albares. „Für mich geht es nicht um die Frage, wer am meisten liefert.“ In der Debatte um Waffenkäufe mit EU-Mitteln forderte Albares zu Bestellungen in Drittstaaten auf, wenn die europäische Industrie nicht schnell genug liefern könne. „Die Ukraine benötigt Ausrüstung für diesen Winter, und zwar jetzt. Wenn wir das als Europäer leisten können, dann ist das unsere erste Wahl.“ Wenn man den Bedarf nicht decken könne, dann sei es besser, der Ukraine schnell mit Waffen aus anderen Ländern wie Großbritannien, Kanada oder Südkorea zu helfen, so der Außenminister.
Roth rechnet nicht mit Ukraine-Kehrtwende in den USA
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), rechnet nach dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei US-Präsident Joe Biden nicht mit einer raschen Entscheidung über weitere Milliarden-Hilfen für die Ukraine. „Es wäre völlig unrealistisch zu erwarten, dass wegen der Gespräche des Bundeskanzlers der vom Trumpismus infizierte US-Kongress bei der Unterstützung der Ukraine eine 180-Grad-Kehrtwende vollzieht“, sagte Roth der „Rheinischen Post“. Der Washington-Trip könne also nur „der erste Schritt“ sein. „Der nächste dürfte nicht leichter werden.“ Europa müsse jetzt endlich einsehen, „viel mehr für Frieden und Sicherheit auf unserem eigenen Kontinent zu tun“. Die USA hätten bislang den ukrainischen Freiheitskampf zwar eindrucksvoll unterstützt, jetzt müsse man die fehlende Unterstützung aus Washington aber kompensieren, „um den russischen Imperialismus zu stoppen“. Roth schlug vor, dass Deutschland, Frankreich und Polen „die Initiative für einen EU-Fonds zur anhaltenden militärischen Unterstützung der Ukraine ergreifen“. Sollte die Ukraine den Krieg verlieren, „dann drohen nämlich weitere von Russland angezettelte Konflikte in Europa“. Dann werde es keinen Frieden geben, und es werde „noch viel teurer für uns werden“, sagte der SPD-Politiker.
Bundesregierung: Bei Zerfall der Ukraine droht Massenflucht
Die Bundesregierung geht bei einem potenziellen Zerfall der Ukraine davon aus, dass rund zehn Millionen Menschen zusätzlich das Land verlassen. Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge würde in diesem Szenario nach Westeuropa aufbrechen, ein Zielland wäre Deutschland, berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf Sicherheitskreise sowie unterrichtete Parlamentarier. Das Innenministerium und die Bundespolizei teilten auf Anfrage mit, grundsätzlich keine Prognosen zur Entwicklung des Migrationsgeschehens abgeben zu wollen. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sieht Europa mehr denn je in der Verantwortung für die Ukraine: Die Unterstützerstaaten müssten die militärische Hilfe angesichts des aktuellen Zögerns der USA jetzt deutlich erhöhen. „Wenn wir unsere Strategie bei der Ukraine-Unterstützung nicht ändern, wird das Worst-Case-Szenario einer Massenflucht aus der Ukraine und einer Ausweitung des Krieges auf Nato-Staaten sehr viel wahrscheinlicher. Dann sind zehn Millionen Flüchtlinge eher eine untere Annahme“, sagte Kiesewetter der „Welt am Sonntag“. Migrationsforscher Gerald Knaus teilt diese Einschätzung: „Würde die Ukraine den Krieg verlieren, könnten auch viel mehr als zehn Millionen Flüchtlinge in die EU kommen. Es ist jetzt schon die größte Fluchtbewegung in Europa seit den 1940er-Jahren.“ Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, warnt davor, dass die bisherige Unterstützung für die Ukraine nicht ausreichen könnte. Sollten die USA als Unterstützer weiterhin ausfallen, müsse Europa nachlegen. „Die EU sollte dann über eine gemeinsame Schuldenaufnahme nachdenken, um erstens den ukrainischen Haushalt und Wiederaufbau langfristig zu finanzieren, zweitens die europäische Rüstungsproduktion noch schneller hochzufahren und drittens Rüstungsgüter für die Ukraine, vor allem Munition, nicht nur in Europa, sondern auf dem Weltmarkt einzukaufen.“ Trotz der aktuellen Probleme in der Ukraine geht die Bundesregierung davon aus, dass das Land über die militärischen und finanziellen Mittel verfügt, um die Verteidigung und Stabilität bis Ende 2024 aufrechtzuerhalten. Sowohl deutsche Dienste als auch westliche Analysten halten große Frontdurchbrüche in diesem Jahr für unwahrscheinlich. +++