Spahn: Impfstoffentwicklung kann Jahre dauern

Opposition warnt vor Immunitätsausweis

Jens Spahn (CDU)
Jens Spahn (CDU)

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält es für möglich, dass eine Impfstoffentwicklung gegen das Coronavirus Jahre dauert. „Ich freue mich, wenn es in wenigen Monaten gelänge, ich finde aber, wir müssen auch realistisch bleiben, es kann auch Jahre dauern, weil es natürlich auch Rückschläge geben kann“, sagte Spahn am Sonntag im „Bericht aus Berlin“. Auf die Frage, ob nicht die Gefahr gegeben ist, dass eine Firma, die einen Impfstoff erfolgreich entwickelt hat, auch damit Profit machen will und sich abschottet, sagte Spahn: „Ich stelle zuerst einmal bei allen Entwicklern, auch Unternehmen, mit denen ich im Gespräch bin, fest, dass da auch ein hohes Verständnis fürs Gemeinwohl ist, auch ein hohes Verständnis dafür, dass dieser Impfstoff dann auch möglichst vielen, möglichst schnell zur Verfügung stehen soll.“ Bei der Gastronomie gehe es um wirtschaftliche Existenzen, so der CDU-Politiker. „Deswegen ist es wichtig, dass wir auch dort eine Perspektive  geben. Ich denke, das wird am Mittwoch geschehen, dass wir auch darüber reden und gleichzeitig aber deutlich machen, Gastronomie, das ist dann halt in Zukunft für die nächsten Monate, bis möglicherweise ein Impfstoff oder ein Medikament da ist, eben auch etwas mit mehr Abstand als vielleicht sonst“, sagte der Minister. Manche Forscher warnen, dass es womöglich nie einen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt.

Opposition warnt vor Immunitätsausweis

Grüne und FDP haben Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aufgefordert, die Einführung eines digitalen Corona-Immunitätsausweises fallenzulassen. Grünen-Chef Robert Habeck sprach von kontraproduktiven Plänen: „Sie setzten einen indirekten Anreiz, sich zu infizieren, um im Shutdown wieder mehr Freiheiten als andere zu erhalten“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben). Das führe jede Eindämmungsstrategie ad absurdum. „Außerdem öffnet es einer sozialen Stigmatisierung Tür und Tor. Das Spaltungspotenzial für die Gesellschaft ist immens“, warnte er. Arbeitgeber könnten nur noch Menschen anstellen, die Corona hatten. In der Öffentlichkeit oder bei privaten Festen könne „Corona-free“ zu einem sozialen Kriterium werden. Einmal eingeführt, könnte ein Immunitätsausweis Schule machen, „sodass dann alle Krankheiten zum Beispiel gegenüber Arbeitgebern gemeldet werden müssen“. Spahn wolle die Regelung nicht nur auf Covid-19 beziehen,  sondern allgemein auf übertragbare Krankheiten. „Hinzu kommt, dass es bislang keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Immunität von Covid-19 gibt. Das ist keine gute Grundlage. Die Bundesregierung sollte von ihren Plänen lassen“, so Habeck.

Auch die FDP hält nichts von dem Vorhaben der Regierung. „Der Vorschlag eines Immunitätsausweises mag pragmatisch klingen, stiftet aber bei genauerem Hinsehen mehr Schaden als Nutzen“, sagte FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg den Funke-Zeitungen. Engmaschige Test für Beschäftigte im Gesundheitswesen seien ausreichend. „Schließlich sollte es dabei bleiben, dass es nur Arzt und Patient etwas angeht, wer welche Krankheit gehabt hat. Das ist ein Datenschutzstandard, den viele Menschen zu Recht als selbstverständlichen Ausdruck von Anstand und Taktgefühl empfinden.“ In Köln sollen in dieser Woche erste Tests mit Freiwilligen starten, die nach Antikörpertests ihren Corona-Status in einer Smartphone-App speichern lassen. Ein Untern  ehmen hat mit der Uniklinik Köln, der Bundesdruckerei und dem Gesundheitsamt Köln eine entsprechende App entwickelt. Urlaubsländer wie Österreich hatten signalisiert, bei möglichen Einreisen im Sommerurlaub Nachweise über den Corona-Infektionsstatus verlangen zu wollen. Am Donnerstag will der Bundestag in erster Lesung die zweite Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes zur Eindämmung der Corona-Pandemie beraten. Darin sind verschärfte Meldepflichten und ein Immunitätsausweis vorgesehen. Spahn hat inzwischen den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme gebeten.

Europol warnt vor Fälschungen nach möglichem Impfstoff-Durchbruch

Die weltweiten Bemühungen um die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus ruft Sicherheitsexperten auf den Plan. Die EU-Polizeibehörde Europol warnt bereits vor einer Betrugswelle mit gefälschtem Impfstoff, sobald ein echtes Mittel verfügbar sein sollte: „Wenn ein Impfstoff für Covid-19 entwickelt ist, wird das wahrscheinlich eine Welle von Angeboten von gefälschtem Impfstoff auslösen“, heißt es in einer neuen Europol-Analyse, aus der die Zeitungen der Funke-Mediengruppe zitieren. Schon jetzt bieten nach Europol-Angaben Kriminellen-Organisationen aus Europa, den USA und Asien im Internet angeblichen Impfschutz gegen Corona, machten wahrscheinlich hohe Gewinne mit Fälschungen von Blutuntersuchungen, Arzneien und Test-Kits. Betrüger aus der organisierten Kriminalität seien unter den größten Profiteuren der Coronakrise, die Gefahr des Handels mit gefälschten Arzneien habe sich erhöht. Wenn erst ein Impfstoff erfolgreich entwi  ckelt sei, „ist zu erwarten, dass Fälscher und Betrüger stark investieren werden, um unwirksame Fälschungen dieses Impfstoffs online und in sozialen Medien anzubieten“, warnt Europol. Darauf müsse besondere Aufmerksamkeit gerichtet werden. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fürchtet bereits den Handel mit Fälschungen, sobald ein Corona-Impfstoff entwickelt ist. Die Fälschungen könnten Menschen krank machen oder töten oder ihnen ein falsches Sicherheitsgefühl geben, heißt es in einer aktuellen OECD-Analyse, über die die Funke-Zeitungen berichten. Die Covid-19-Krise habe die Gefahren des weltweiten Handels mit gefälschten Arzneimitteln erhöht, warnt die Organisation. Die Regierungen müssten für die sichere Herkunft der Mittel sorgen. +++