Schulz: Merkel soll Rechtsstaatsverstöße in der Türkei ansprechen

Riexinger: Erdogan wertet Besuch als Unterstützung

Angela Merkel (CDU)

Berlin. Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, in der Türkei die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze einzufordern. „Deutschland muss dem Nato-Partner klar sagen: Wir beharren auf Rechtsstaatlichkeit in der Türkei, auf faire Verfahren, Pressefreiheit und die Wahrung der Grundrechte“, sagte Schulz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Merkel solle bei ihrer Türkei-Reise „eine doppelte Botschaft senden“, verlangte der künftige SPD-Chef. „Die Türkei ist das Land, das die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Aber das kann keine Rechtfertigung für die bedenklichen rechtsstaatlichen Entwicklungen sein.“ Schulz sprach sich zugleich gegen ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen aus. „Wir brauchen Gespräche mit der Türkei. Herr Erdogan ist Staatspräsident, aber er ist nicht die Türkei“, sagte der Kanzlerkandidat. „Es gibt viele Menschen, die bei der Verteidigung der liberalen Verfassung auf uns in Deutschland und in der EU hoffen. Die dürfen wir nicht im Stich lassen.“

Riexinger: Erdogan wertet Besuch als Unterstützung

„Die Bundeskanzlerin reist in die Türkei – wieder einmal. Ihr Besuch wird von Präsident Erdogan als Unterstützung seiner Politik gewertet, die von einem Krieg gegen die eigene Bevölkerung bis zu staatlichen Säuberungen reicht. Das alles weiß Angela Merkel, doch offenbar besteht eine Abhängigkeit seitens der Bundesregierung von der Gnade des türkischen Präsidenten“, erklärte Bernd Riexinger der Vorsitzende Linken.

Riexinger erklärte weiter: „Es ist nicht das erste Mal, dass Angela Merkel sich medienwirksam an die Seite Erdogans stellt. Diesmal stellt sie sich damit jedoch als Wahlkampfhilfe für dessen Feldzug gegen die Demokratie zur Verfügung: Am 2. April entscheidet ein Referendum über die Zukunft des Landes. Setzen sich Erdogans Anhänger durch, kann dieser künftig seine Allmachtsphantasien ausleben. Der Rechtsstaat und die Demokratie wären de facto nur noch Staffage. Die Bundeskanzlerin lässt sich für den Wahlkampf eines anti-demokratischen Despoten instrumentalisieren, statt ihren Wählern und Wählerinnen zu Hause ein klares Bekenntnis zu Demokratie und offener Gesellschaft zu vermitteln. Erdogan wird diesen Besuch auch dazu nutzen, um weitere Differenzen zu Europa zu etablieren, die ihm innenpolitisch nutzen. Das kollektive, europäische Versagen, eine verantwortungsvolle Flüchtlingspolitik zu entwerfen und zu implementieren, und die dringend nötige Aufkündigung des Flüchtlingsdeals, werden genauso wenig Thema sein, wie die aktive Kontaktaufnahme der Kanzlerin mit türkischen Oppositionellen.“

Bernd Riexinger hat nach dessen Inhaftierung einen Besuch beim Vorsitzenden der türkischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas, beantragt. „Das Mindeste wäre, dass sich die Kanzlerin für die Freilassung der beiden Vorsitzenden der Oppositionspartei sowie der zahllosen Oppositionellen, Anwälte, Wissenschaftler und Journalisten stark macht“, so Riexinger weiter. Der Besuch war von den türkischen Behörden abgelehnt worden. Bernd Riexinger fährt am 9. Februar 2017 dennoch nach Istanbul und Ankara, um mit führenden Oppositionspolitikern, Gewerkschaftsvorsitzenden, Menschenrechtsaktivisten und den Anwälten von Selahattin Demirtas zu sprechen. +++

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