Scholz will 2500 Kommunen auf einen Schlag komplett entschulden

Scholz: "Mich erreicht viel Zustimmung und sogar Zuneigung"

Olaf Scholz (SPD)
Olaf Scholz (SPD)

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will Tausende überschuldete Kommunen in Deutschland auf einen Schlag entlasten. Es gehe um etwa 2.500 Städte und Gemeinden, die von so hohen Schulden gedrückt würden, dass sie kaum noch agieren könnten. „Gemeinsam mit den betroffenen Ländern möchte ich diesen Kommunen die Schulden einmalig abnehmen. Ich stelle mir so etwas wie eine Stunde null dieser Kommunen vor. Sie hätten dann wieder den Freiraum, selbstständig zu handeln“, sagte der Vizekanzler den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Altschulden der Kommunen bei sogenannten Kassenkrediten liegen nach Angaben des Finanzministers bei etwa 40 Milliarden Euro. Betroffene Länder und Kommunen hoffen, dass der Bund davon bis zu 50 Prozent übernimmt. Profitieren würden vor allem Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Scholz macht die Hilfe des Bundes aber von der Solidarität der Länder und Kommunen abhängig. „Wenn man 2500 von mehr als 11.000 Kommunen helfen möchte, damit dort wieder Schulen, Kitas und Schwimmbäder saniert oder neu gebaut werden können, geht das nur, wenn es keine Eifersucht gibt“, sagte er. Im Föderalismus zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sei es manchmal so wie in einer Familie, wo ein Kind sich beschwere, dass das andere Kind eine neue Jacke bekommen habe und es selbst nicht, weil seine Jacke noch tadellos sei. „Bei der Altschulden-Frage können wir uns eine gute Antwort aber nur leisten, wenn nicht auch die Länder etwas abhaben wollen, die gar keine Schwierigkeiten haben“, so Scholz. Er sei aber zuversichtlich, dass bei den Altschulden ein „Akt der Solidarität“ gelinge. Die Situation dafür sei gut: „Die Zinsen sind günstig und eine Umschichtung von Schulden auf den Bund hätte nicht mal Auswirkungen auf die Maastricht-Kriterien, weil es sich um bereits vorhandene Schulden handelt“, sagte der SPD-Politiker.

Ausweitung der Börsensteuer für sinnvoll

Scholz hält eine spätere Ausweitung der für 2021 geplanten Börsensteuer auf hoch spekulative Finanzgeschäfte mit Derivaten für vernünftig. „Das macht auf Dauer Sinn. Aber dazu brauchen wir einen weiteren Konsens in Europa. Wenn die Erfahrungen mit der Einführung gut sind, wird es einfacher werden, einen solchen Konsens zu erzielen“, sagte Scholz den Funke-Zeitungen weiter. Scholz hatte kürzlich seine Pläne für eine Einführung der seit Jahren angekündigten Finanztransaktionssteuer konkretisiert. Bei den zehn Ländern, die sich auf die Steuer einigen sollen, handelt es sich um Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien. In diesen soll für jeden Aktienkauf eine Steuer in Höhe von 0,2 Prozent anfallen, und zwar ausschließlich, wenn es sich um Aktien von Unternehmen mit Sitz in dem jeweiligen Inland handelt. Zudem müssen die Unternehmen über einen Marktwert von mehr als einer Milliarde Euro verfügen, was in Deutschland laut Ministerium auf 145 Firmen und in allen betroffenen Ländern zusammen auf etwa 500 Unternehmen zutrifft. Mit den jährlich erwarteten Einnahmen von etwa 1,5 Milliarden Euro will Scholz zum Teil die Grundrente der Großen Koalition gegenfinanzieren. Die heftige Kritik von Anlegerverbänden und Verbraucherschützern, dass Kleinanleger zur Kasse gebeten, hochspekulative Devisengeschäfte aber außen vor bleiben sollen, wies Scholz zurück. „Das ist ein beliebter Trick. Eine Wirtschaftslobby, die eine solche Steuer seit Jahrzehnten erfolgreich bekämpft, zaubert nun Argumente aus dem Hut, die sich schick und manchmal fortschrittlich anhören, aber durchschaubar sind.“ In Deutschland kaufen Privatanleger deutlich weniger Aktien, etwa für die Altersvorsorge, als in anderen Ländern. Dass die neue Börsensteuer noch mehr Kleinanleger abschreckt, glaubt Scholz nicht. „Die Steuer beträgt einmalig 0,2 Prozent – die Gebühren, die sie beim Aktienkauf an ihre Bank entrichten, sind viel höher. Ich bin sicher, dass die Steuer keinen negativen Einfluss auf die Aktienkultur in Deutschland haben wird.“ Die Steuer existiere bereits an den großen Börsenplätzen Europas. „Das Ungewöhnliche ist eigentlich, dass wir zwar den Kauf einer Currywurst oder eines Brötchens besteuern, aber den Kauf einer Aktie nicht“, so der Bundesfinanzminister. Wirklich ins Gewicht fallen werde die neue Steuer vor allem für sehr Reiche, die sehr viel Geld in Aktien investierten: „Und die können sich das leisten.“

Scholz: „Mich erreicht viel Zustimmung und sogar Zuneigung“

Olaf Scholz erhält nach seiner Pleite im Rennen um den SPD-Vorsitz nach eigener Darstellung viel Zuspruch aus der Partei und darüber hinaus. „Mich erreicht seit dem Wahlergebnis viel Zustimmung und sogar Zuneigung. Viele haben sich bei mir gemeldet und gesagt: Weitermachen!“, sagte der Bundesfinanzminister den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er habe nach seiner Niederlage im Mitgliederentscheid vor drei Wochen nicht an Rücktritt gedacht: „Wer sich einer Wahl stellt, muss damit rechnen, nicht gewählt zu werden. Das ist nicht schön, gehört aber dazu.“ Er schaue nicht zurück, „sondern immer nach vorn“. Scholz wollte zunächst nicht für die Nachfolge von Andrea Nahles kandidieren, entschied sich dann um und trat gemeinsam mit der Brandenburger Landespolitikerin Klara Geywitz an. Beide verloren die Stichwahl um die neue SPD-Doppelspitze gegen Saskia Esken und Nobert Walter-Borjans. Scholz führt die Niederlage auch auf die Tatsache zurück, dass er seit rund zwei Jahrzehnten in vorderster Reihe für die SPD Politik macht und so Mitverantwortung für die Krise der Partei hat: „Mir war bewusst, dass ich schon sehr lange aktiv bin und die Lage der SPD nicht gut ist. Da ist dann die Beliebtheit bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht alleine entscheidend.“ Eine Spaltung der Partei fürchtet der Vizekanzler nicht. „Nein, das sehe ich nicht. Die SPD war immer stark, wenn sie eine gewisse Bandbreite in den Führungspositionen aufwies.“ Nun müssten die SPD-Minister, die Bundestagsfraktion und die Partei die SPD zusammenzuhalten: „Miteinander werden wir den Karren ziehen.“ +++

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