RP Gießen zieht Zwischenbilanz zu A49-Weiterbau

Überwachung erfordert fachübergreifende Zusammenarbeit

Die Bauarbeiten an dem noch fehlenden Verbindungsstück der A49 zwischen Schwalmstadt und dem Ohmtal-Dreieck sind in vollem Gange. In knapp einem Jahr sollen sie abgeschlossen sein. Zeit für eine Zwischenbilanz aus Sicht des Regierungspräsidiums Gießen als zuständige Aufsichtsbehörde. Foto: RP Gießen

Bereits in knapp einem Jahr sollen die Bauarbeiten an dem noch fehlenden Verbindungsstück der A49 zwischen Schwalmstadt und dem Ohmtal-Dreieck abgeschlossen sein. Inzwischen sind die Bauarbeiten weit vorangeschritten und es kann eine erste Zwischenbilanz aus Sicht des Regierungspräsidiums (RP) Gießen gezogen werden.

Die Abfall- und Oberen Wasser- sowie Bodenschutzbehörden beim RP Gießen sind zuständige Überwachungsbehörden für den A49-Bauabschnitt, der durch die Landkreise Marburg-Biedenkopf und Vogelsbergkreis führt. Alleine der 17,5 Kilometer lange südliche Bauabschnitt des Lückenschlusses von der Anschlussstelle Stadtallendorf-Nord bis zum Ohmtaldreieck an der Bundesautobahn A5 umfasst insgesamt 33 Brückenbauwerke, elf Regenrückhaltebecken, drei Anschlussstellen sowie einen etwa sechs Kilometer langen Kanal für die Autobahnabwässer. Hierfür wurden und werden mehrere Millionen Kubikmeter an Bodenmengen verlagert.

Die Überwachung der Bauarbeiten basiert auf vielen unterschiedlichen Maßnahmen. Die wiederum sind stark geprägt von einer fachübergreifenden Zusammenarbeit, insbesondere an der Schnittstelle Grundwasserschutz, Bodenschutz und Abfallwirtschaft. So wurden bereits seit Mitte der 2000er Jahre zahlreiche Grundwassermessstellen errichtet, um mögliche Risiken und Bauaus­wirkungen beurteilen zu können. Seit Baubeginn finden regelmäßige, nahezu wöchentliche behördliche Begehungen der Baustelle statt. Darüber hinaus wird anlassbezogen zahlreichen Hinweisen aus der Bevölkerung auch mittels Überprüfungen vor Ort nachgegangen.

Die bei der behördlichen Vor-Ort-Überwachung eingesetzte RP-eigene Drohne ermöglicht sowohl eine Dokumentation als auch die anschließende Auswertung der Luftbilder. Seit Beginn der Bauarbeiten wurden zudem zahlreiche Nachweise sowie Untersuchungsberichte wie Bodenanalysen und -gutachten oder Entsorgungsnachweise gefordert, geprüft und ausgewertet. Außerdem werden die Arbeiten auch ständig vor Ort durch unabhängige Fremdgutachter sowie eine Umweltbaubegleitung überwacht.

Mit dem Weiterbau der Autobahn seit 2021 rückte auch die Altlastenproblematik im Zusammenhang mit dem im Bereich von Stadtallendorf betroffenen, überregional bedeutsamen Trinkwasserschutzgebiet in den öffentlichen Fokus. Zumal die Trasse durch das ehemalige Gebiet der Westfälisch-Anhaltische-Sprengstoff-AG, kurz WASAG, führt. Auf dem etwa 420 Hektar umfassenden WASAG-Werksgelände mit einst mehreren hundert Gebäuden, Hallen und Bunkern wurden im Zweiten Weltkrieg vor allem Granaten und Torpedos hergestellt. Nach Kriegsende waren verschiedene, mit sogenannten sprengstofftypischen Verbindungen (STV) verunreinigte Flächen zurückgeblieben.

So erfolgte die Sanierung im Trassenbereich bereits im Vorfeld des Baubeginns des neuen A 49-Streckenabschnitts. Hierfür wurden umfassende altlastenfachliche Untersuchungen durchgeführt und, sofern erforderlich, kontaminierter Boden ausgetauscht. Erst im Anschluss an die Ende 2020 abgeschlossene Altlastensanierung begannen die eigentlichen Bauarbeiten an der Autobahn.

Nach der Sanierung sind nur geringe Restbelastungen im Boden verblieben, deren Konzentrationen unterhalb der maßgeblichen Zielwerte der Sanierung liegen. Wie bei jeder anderen Baustelle auch, können jedoch nicht bekannte Altlastenvorkommen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Um zu gewährleisten, dass bei den erforderlichen Bodenverlagerungen nur unbelastete Bodenmassen außerhalb des WASAG-Geländes wieder eingebaut werden, ist ein Bodenmanagementkonzept erstellt worden und sind die Bauarbeiten auf dieser Grundlage intensiv überwacht worden. Zu den wesentlichen Anforderungen gehört dabei, dass Bodenmaterial, das für den Einbau in der sensiblen Schutzgebietszone II des Wasserschutzgebietes „Stadtallendorf / Wohratal“ vorgesehen ist, zuvor repräsentativ auf Schadstofffreiheit untersucht wird.

Hierzu wurde der bereits sanierte Streckenabschnitt im WASAG-Gelände, in dem Bodenaushub erforderlich war, zunächst in Rasterfelder aufgeteilt. Anschließend ist der anstehende Boden in jedem Rasterfeld repräsentativ auf sprengstofftypische Verbindungen (STV) und polyzyklische aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) untersucht worden. Nur hinsichtlich ihres Schadstoffgehalts auf diese Weise freigemessene Erdmassen dürfen dann in anderen Streckenabschnitten außerhalb des WASAG-Geländes wieder eingebaut werden. Belastete Böden können je nach Schadstoffgehalt entweder innerhalb des WASAG-Geländes verbleiben oder müssen außerhalb der Baustelle ordnungsgemäß als Abfall entsorgt werden.

Neben der engmaschigen Beprobung mit laboranalytischer Kontrolle werden die Verlagerungen der Erdmassen vor Ort durch Fachleute überwacht, um beispielsweise bei optischen oder geruchsmäßigen Auffälligkeiten reagieren zu können. Darüber hinaus werden die Erdmassenverlagerungen über Haufwerk-Kataster und Fuhrscheinlisten sehr genau dokumentiert, um bei festgestellten Auffälligkeiten auch noch nachträglich reagieren zu können.

Auf dieser Datengrundlage konnten nach dem Fund von Hexyl-Klümpchen im Mai 2022 und von PAK-Brocken im Mai 2023 (das RP Gießen hatte davon berichtet) die potenziellen Herkunftsbereiche und Einbauorte ermittelt werden. Während mehrerer, durch das RP Gießen verfügter, lokal und zeitlich begrenzter Baustopps wurden zielgerichtete Nachuntersuchungen durchgeführt, bei denen letztendlich keine Belastungen festgestellt werden konnten.

Vor allem im Zusammenhang mit dem Rückbau der Artilleriestraße und dem dortigen Fund von Hexyl-Klümpchen gab es seitdem immer wieder behördliche Nachforschungen und Hinweise aus der Bevölkerung zu möglichen Missständen. Dabei stellte sich zwischenzeitlich heraus, dass es neben bereits bekannten Lücken im Beprobungsraster, denen durch entsprechende Nachbeprobungen am Einbauort begegnet werden konnte, zu einer Verlagerung von restbelasteter Erde aus Sanierungsbaugruben kam.

Das damit verbundene Potenzial einer Umweltgefährdung wurde durch die RP-Fachbehörden auf Basis der vorhandenen Kenntnisse zwar als äußerst gering eingestuft. Dennoch erfolgte vorsorglich eine Risikoabschätzung durch einen externen und unabhängigen Fachgutachter, der zu demselben Ergebnis wie das RP Gießen kam. Zu diesem Ergebnis führten: die vergleichsweise geringen Schadstoffkonzentrationen – denn das Material stammte aus den bereits sanierten Streckenabschnitten – sowie die im Vergleich zur Gesamteinbaumenge eher geringe betroffene Bodenmenge und die geschützte Einbauweise unterhalb einer durchgängig verlegten Kunststoffdichtungsbahn.

Durch die vorgeschaltete Altlastensanierung, die rastermäßigen Untersuchungen vor Bodenverlagerungen sowie die intensiven Überwachungstätigkeiten der Abfall- und Oberen Wasser- sowie Bodenschutzbehörden beim RP Gießen wird die Sicherheit für das Grundwasser und speziell die Trinkwassergewinnung gewährleistet. Der zuvor geschilderte Fall zeigt jedoch, dass mit Blick auf die Altlastensituation auch weiterhin eine intensive behördliche Überwachung erforderlich sein wird.

Dass die Baumaßnahmen von Beginn an auch von Bürgerinnen und Bürgern sowie Initiativen kritisch begleitet werden, spiegelt sich unter anderem in über 200 Anfragen nach Auskünften und Informationen (nach dem Umweltinformationsgesetz) sowie rund 60 Presseanfragen wider, die allein beim RP Gießen eingegangen sind und die alle beantwortet werden. Die hohe Dichte und Komplexität der A49-Überwachungstätigkeiten einerseits und der Öffentlichkeitsarbeit andererseits waren und sind in dieser Form innerhalb des Regierungsbezirks Gießen einzigartig. +++ pm