Rammler traf Rammler

Umdenken von Politik, Autoindustrie und Verbrauchern unabdingbar

Prof. Dr. Stephan Rammler und der Fuldaer Grünen Bundestagskandidat Walter Rammler. (v.l.)

Fulda. Der Braunschweiger Mobilitäts- und Zukunftsforscher Prof. Dr. Stephan Rammler war einer Einladung seines Namensvetters, dem Fuldaer Grünen Bundestagskandidaten Walter Rammler, gefolgt und referierte über seine Vision einer neuen, vernetzten digitalen Mobilitätswelt. „Unsere Fahrzeuge sind eigentlich „Steh“zeuge, die den größten Teil des Tages irgendwo geparkt sind und auf Nutzung warten“, sagte der Zukunftsforscher.

Angesichts einer zunehmend mobilen Gesellschaft sei ein Umdenken von Politik, Autoindustrie und Verbrauchern unabdingbar: „Die Chinesen machen es uns vor, denn dort drängen 300 Millionen Menschen in die Städte – die können unmöglich alle ein Auto mit Verbrennungsmotor fahren.“ Dieser Umdenkungsprozess laufe in Deutschland zu schleppend an. Die deutsche Autoindustrie sei dabei, den Anschluss an das neue Mobilitätszeitalter zu verpassen, das die chinesische Regierung ihrem Land gerade verordnet habe. „Wenn die großen Autohersteller sich nicht von selbst in Richtung Ressourcen- und Klimaschonung bewegen, werden sie ein massives wirtschaftliches Problem bekommen“, so Stephan Rammler. „Immerhin exportieren sie 30 -40 % ihrer Autos nach China.“ Daher sei es wichtig gewesen, ein Schlussdatum für den Bau von Verbrennungsmotoren zu setzen.

Doch auch in Deutschland setze sich der Urbanisierungsprozess fort. Inzwischen lebe auch in Deutschland mehr als die Hälfte der Menschen in Städten. Die Mobilität der Zukunft verknüpfe kollektive Verkehrsträger wie Bahnen und Busse mit Individualfahrzeugen – Elektroautos oder -fahrrädern – zum Ausleihen. Das alles könne inzwischen digitalisiert erfolgen; der Strom für alle Fahrzeuge müsse natürlich aus regenerativen Energien kommen. Gerade die Kommunen hätten viel Potenzial, um das Mobilitätsbedürfnis sinnvoll zu regulieren. “Braunschweig baut gerade vier Radschnellwege in Richtung Wolfsburg anstatt einer weiteren Autobahnspur“, berichtete der Mobilitätsexperte. „Auch Städte wie Kopenhagen oder Hannover haben die Bedeutung der E-Mobilität erkannt.“ Wichtig sei, dass in den Stadtteilen die Probleme zusammen mit den Einwohnern gelöst würden.

Leider habe die deutsche Autoindustrie auch bezüglich des Lieferverkehrs geschlafen, so dass manche deutsche Kommune überlege, E-Busse in China zu ordern, das auch hier in der Entwicklung deutlich weiter sei als die deutsche Automobilindustrie. Kritisch sieht Stephan-Rammler das Online-Shopping, das den innerörtlichen Lieferverkehr rasant ansteigen lasse. Hier seien die Verbraucher gefordert: „Muss man immer alles so schnell wie möglich geliefert bekommen oder kann man auch mal ein paar Tage warten – so wie früher“, fragte Rammler die Zuhörer.
Einig waren sich alle darin, dass die Digitalisierung sowohl Strom aus erneuerbaren Energien erfordere als auch „saubere“ Geräte, deren Bestandteile wieder verwertbar seien. Nicht nur die Herstellungsprozesse, sondern auch das Verbraucherverhalten müssten sich ändern – jedes Jahr ein neues Smartphone fördere Kriege in Ländern wie dem Kongo, wo die seltenen Erden als Bestandteile der digitalen Geräte gewonnen werden. +++ pm