Pisa-Forscher sieht „Anlass für Alarm“

Lehrerverband überrascht über deutsches Abschneiden bei Pisa

Schule, Medien, Bildung

Der Kieler Bildungsforscher Olaf Köller sieht angesichts der schwachen Ergebnisse der deutschen 15-Jährigen in der am Dienstag veröffentlichten Pisa-Studie „Anlass für Alarm“. Die sogenannte Risikogruppe, also 15-Jährige, die nicht richtig schreiben und rechnen können, sei mit 21 Prozent „wieder fast so groß wie beim Pisa-Schock vor zwei Jahrzehnten“, sagte er „Zeit-Online“. In den nicht gymnasialen Schulen liege ihr Anteil je nach Bundesland sogar bei 30, 40 oder sogar 50 Prozent. „Das ist dramatisch.“

Als eine konkrete Maßnahme zur Verbesserung der Schulbildung forderte Köller „flächendeckend Vorschulprogramme, wie sie zum Beispiel in den USA entwickelt wurden. Mit vier Jahren werden alle Kinder getestet und die Kinder, die Sprachdefizite aufweisen, müssen verpflichtend mit viereinhalb Jahren auf eine Vorschule“. Dort würden sie dann systematisch fit für die Grundschule gemacht. Solche Programme verbesserten nicht nur die Schulleistungen, sondern för derten auch die Sozialkompetenz. „Jeder Euro, der hier angelegt wird, zahlt sich für die Gesellschaft x-fach aus.“ Köller ist Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel und Co-Autor der Pisa-Studie.

Lehrerverband überrascht über deutsches Abschneiden bei Pisa

Der Deutsche Lehrerverband hat sich „überrascht“ geäußert, dass Deutschland beim aktuellen Pisa-Test nicht schlechter abgeschnitten hat. „Die Probleme und Herausforderungen für deutsche Schulen in den letzten Jahren waren riesig“, sagte Verbandschef Heinz-Peter Meidinger der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Als Beispiele hoher Mehrbelastung nannte er 200.000 zusätzliche Kinder mit Migrationshintergrund, die 2015 bis 2017 an deutsche Schulen gekommen seien, massiven Lehrermangel und hohen Unterrichtsausfall. „Es ist mit Sicherheit ein Verdienst auch unserer Lehrkräfte, dass da die Leistungen nicht noch stärker heruntergegangen sind“, so Meidinger. „Äußerst beunruhigt“ zeigte er sich über die Tatsache, dass die Gruppe der Risikoschüler, also derer, die kaum lesen und schreiben können, wieder zunehme. Diese Schüler seien nicht in der Lage, einen ordentlichen Beruf zu ergreifen und am gesellschaftlichen und politischen Leben teilzunehmen. „Wir müssen endlich bundesweit die sprachliche Früh- und Zusatzförderung massiv stärken“, forderte der Verbandschef. Unter anderem seien verbindliche Sprachstandstests in allen Bundesländern nötig. Zugleich müsse die Verpflichtung zum Besuch von Förderkursen gelten, wenn diese Tests negativ ausgefallen sind. „Wenn wir diese sprachliche Frühförderung nicht umsetzen und den Lehrermangel nicht in den Griff kriegen, sehe ich für die nächste Pisa-Studie und damit für die Zukunftschancen unserer Schüler pechschwarz“, sagte Meidinger.

Arbeitgeber besorgt wegen Abwärtstrend bei Pisa-Ergebnissen

Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber (BDA) hat die Ergebnisse des neuen Pisa-Tests scharf kritisiert. „Die Ergebnisse des neuen Pisa-Tests sind für Deutschland mehr als unbefriedigend. Mit diesem Abwärtstrend können wir keinesfalls zufrieden sein“, sagte ein Sprecher der BDA dem „Handelsblatt“. „Das deutsche Bildungssystem muss mehr anstreben als Mittelmaß, unser Ehrgeiz muss es sein, zur Spitze zu gehören.“ Die Kultusminister müssten „dringend ihre Hausaufgaben machen. Wir können es uns keinen Tag länger leisten, einen so großen Teil junger Menschen auf der Strecke zu lassen“. Beunruhigend sei vor allem der Abwärtstrend in den Naturwissenschaften, „denn gerade hier brauchen wir dringend Fachkräftenachwuchs“. Die Arbeitgeber fordern vor allem eine „klischeefreie Berufsorientierung in den Schulen, denn ein Prozent der Mädchen sehen für sich berufliche Möglichkeiten im IT-Bereich“. Besorgniserregend sei auch, dass sich die starke Abhängigkeit der Ergebnisse von der sozialen Herkunft verhärtet habe. „Hier müssen wir deutlich weiterkommen. Der gestiegene Anteil von Schülern mit schlechten Startchancen in der Leistungsspitze zeigt, dass mehr möglich ist“, so die Arbeitgeber. +++