Wissen Sie noch, was Sie am 17. Mai dieses Jahres gemacht haben? Sind Sie Fußballfan, spricht einiges dafür, dass Sie das Abschiedsspiel von Patrick Schaaf besucht haben in der Johannisau. Als Kapitän führte er seine SG Barockstadt Fulda-Lehnerz in der Regionalliga Südwest gegen den FC Homburg aufs Feld. Das Team aus Osthessen hatte den Klassenerhalt Wochen zuvor eingetütet - und das abschließende Spiel der Saison war ein würdiger Rahmen für den seinerzeit 35-Jährigen.
Schaaf galt und gilt als Fixstern osthessischen Fußballs. Als fester Orientierungspunkt. Er ging und geht als Kopf mit starkem Charakter durch, er bewegte sich in Räumen, die andere erst suchen mussten - oder er tauchte dort auf und war anspielbar. Er wusste, wo der Ball hin musste. Er spielte mit der Strategie. Eigentlich konnte man ihn blind aufstellen - oder nachts um halb Vier wecken, und wenig später würde er seine Leistung bringen. Werte, die man nicht pflücken oder sich einfach kaufen kann. Heute und wenige Monate später ist Patrick Schaaf Sportlicher Leiter der SG Barockstadt. An dieser Stelle blickt er zurück, gibt eine Standortbestimmung - und wirft mithin einen Blick voraus.
„Der Druck war weg. Der Klassenerhalt klar. Ich habe mich auf den Tag gefreut“, sagt er heute über jenen erwähnten Tag. „Die Emotionen kamen erst, als es vorbei war. Dann kamen sie hoch.“ Er sei „niemand, der sich selbst beurteilt. Das sollen andere machen“, sagt er über seine Qualitäten, sein Ich auf dem Platz und außerhalb. Einige Zuschauer fühlten etwas populistisch in der Rückrunde der vergangenen Saison, seine Zeit sei vorbei. „Das habe ich nicht so empfunden. Aber irgendwann kommt das Gefühl, dass man sagt, dass es keinen Sinn mehr macht, Fußball auf diesem Niveau in der Regionalliga zu spielen.“ Zu dieser Entscheidung gehöre auch Mut und es sei „eine Chance für andere, eine Lücke zu füllen und zu entwickeln“.
Gehen wir auf der Brücke der fußballerischen Erkenntnis rüber zu dieser Saison. „Wir haben eine sehr gute Vorbereitung gespielt, urteilt Schaaf über den Beginn, als er von der Rolle des Spielers in die der Sportlichen Leitung rückte. „Doch am Anfang haben die Ergebnisse gefehlt. Natürlich war das so“. Mit drei Niederlagen habe man einen „großen Dämpfer hinnehmen müssen, sei „sehr negativ gestartet. Wir haben eine Findungsphase benötigt, es ist eine gewisse Verunsicherung entstanden. Unsere Spiele waren dennoch meist auf Augenhöhe. Das sprach schon für die Regionalliga-Tauglichkeit“. Inzwischen ist das „Ergebnis-Glück“ zurückgekehrt. Mit drei Siegen in Folge - bei den Stuttgarter Kickers, im letzten Heimspiel des Jahres gegen Trier und zuletzt mit dem dreifachen Punktgewinn beim ärgsten Verfolger im Kampf um den Klassenerhalt, der TSG Balingen - schüttelte die SGB das Gröbste ab. Sie schob sich auf Rang 13 vor - zehn Punkte vor Bayern Alzenau und der TSG Balingen, wegen des besseren Torverhältnisses von 32:27 sogar noch an der U23 des Bundesligisten SC Freiburg vorbei. 26 Punkte stehen aus 20 Spielen zu Buche. Zur Einordnung: einen Punkt liegt die SGB nur hinter Kickers Offenbach. Beide Teilwerte können sich sehen lassen: 32 erzielte Tore - und nur 32 erhaltene.
Es gibt einige positive Dinge, die nach dem ersten Teil der diesjährigen Runde zurückbleiben. „Extrem verbessert haben wir uns im Spiel mit dem Ball. Wir haben viel mehr Ballbesitzphasen“, hat Schaaf erkannt. Auch das Spiel ohne Ball - jahrelang der wesentliche Gesichtszug der SGB - gefällt dem Vogelsberger Schaaf. „Wir stellen die zweitbeste Defensive - bei den zugelassenen Torschüssen“. Und die drittbeste überhaupt: hinter Spitzenreiter Freiberg, dem FSV Frankfurt - und zusammen mit Mainz‘ U23 und Homburg. „Fast nie haben wir ein Spiel mit mehr als einem Tor Differenz verloren.“ Dennoch sieht Schaaf Luft nach oben und Verbesserungsbedarf. Nicht eben wenig. „Generell müssen wir unser Offensivspiel verbessern. Müssen uns mehr Chancen erarbeiten. Müssen noch effektiver werden.“
Ob er noch einmal die Schuhe schnüren werde? „Man soll niemals nie sagen“, erklärt er, „auf diesem Niveau wird es aber nicht passieren. Ob ich da meine Leistung noch abrufen kann, werde ich nie erfahren“. Lassen wir es so stehen. Natürlich stellt sich Patrick Schaaf auch einigen Themen im Umfeld der SGB. Zum Beispiel der Infrastruktur. „Strukturell sind wir mit dem Trainingsgelände gut aufgestellt. Es gibt dennoch gewisse Dinge, die man ändern kann. Das Funktionsgebäude etwa.“ Man bewege sich mit dem Thema Infrastruktur auf „unterstem Regionalliga-Niveau. Mit stetiger Verbesserung auf dem Weg nach oben. Aber es ist noch ein weiter Weg.“
Die Gegebenheiten seien „eigentlich vorbildlich in Fulda. Und es gibt natürlich noch einen Traditionsverein neben uns.“ Borussia ist und bleibt im nachbarschaftlichen Miteinander, im Tür-an-Tür-Miteinander halt ein Reizthema. Was das Thema Identifikation angeht, bittet Schaaf darum, die Dinge differenziert zu sehen. „Unser Verein besteht ja seit 1965. Er trägt halt seit sieben Jahren nur einen anderen Namen. Es ist schwierig, sich ein gewisses Image aufzubauen. Mit dem Erfolg steht und fällt alles.“ Grundsätzlich sei die SGB ein sehr gut aufgestellter Verein. „Dementsprechend werden wir unseren Weg weitergehen. Wer mitmachen möchte - gerne.“ Und man biete Regionalliga-Fußball an, was lange keiner mehr geschafft habe. Das sei auch „gut für die Region. „Das hat Fulda in jedem Fall verdient. Und auch noch mehr. Aber dazu müssen viele an einem Strang ziehen“. Dass es in der Spätphase des Herbstes negative Stimmen gegen den Trainer oder auch Spieler gegeben habe, das sei legitim. „Aber wir haben gut daran getan, nicht in Populismus zu verfallen.“ Die Spieler der SGB befinden sich jetzt „in der wohlverdienten Winterpause“.
Für Patrick Schaaf war das Jahr 2025 schon ein besonderes, „mit vielen emotionalen Entscheidungen und Eindrücken, die man erleben durfte. Seine Laufbahn als Aktiver sucht in Osthessen ihresgleichen. Bei der JSG Lautertal fing er an, der SV Flieden, Borussia Fulda, ein Aufenthalt beim Bundesligisten Borussia Mönchengladbach folgte, wieder Flieden, das Gastspiel beim Bundesligisten Eintracht Frankurt schloss sich dem an, die glorreiche Zeit beim TSV Lehnerz, der zweimal in der Relegation an die Tür zur Regionalliga klopfte, schloss sich an - ehe er auf den Zug der SG Barockstadt mit deren Gründung und dem Aufstieg von Hessen- in die Regionalliga aufsprang.
Drei schwere und langwierige Verletzungen begleiteten seinen Weg: ein Syndesmosebandriss im Jahr 2007, ein Bänderriss im linken Knöchel drei Jahre später - und ein Kreuzbandriss im rechten Knie in 2016. Das war in der Lehnerzer Zeit- eine, die den Fußball in Osthessen seinerzeit prägte. Henry Lesser war der Trainer. Um nur einige von Schaafs Mitspielern zu nennen: Jan-Niklas Jordan, Marius Stangl, Patrick Broschke, Stanislav Szilagyi, Dominik Rummel oder Kevin Steudter. Das Team gefiel durch eine stets gute und geordnete Defensive - und schnellem Umschalten.
Und - ja und: in den Vogelsberg zurückkehrte. Zur FSG, die im Sommer in die Gruppenliga aufstieg. „Von 17 Spielen hab‘ ich da sieben mitgemacht. So, wie die Zeit zulässt und der Körper es mitmacht.“ Nach äußerst gutem Saisonstart ist das Team auf den Abstiegs-Relegationsplatz abgerutscht. Schaaf aber ordnet ein: „Wir haben aber nur drei Punkte Rückstand auf den Dritten der Tabelle.“ Der zeitliche Umfang, was der Umgang, Aufwand und gelegentlich etwas Stress, mit dem Fußball angeht, hat sich deutlich reduziert bei Patrick Schaaf. „Ich war jeden Tag mit Fußball unterwegs. Er hat schon einen großen Antrieb auf mich gehabt.“ Dafür kommt jetzt seine Familie etwas mehr zu ihrem Recht. Wenigstens etwas. Patrick ist „froh, dass wir in Engelrod sesshaft geworden sind“. Vor Kurzem durchlebte die Familie eine Kreuzfahrt im Mittelmeer. Ehefrau Carina und die beiden Kinder genossen es. Und auch das Abschiedsspiel am 17. Mai 2025. +++ rl

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