Osthessisches Bündnis gegen Altersarmut ruft zu Reformen auf

Problem auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen

Rente

Fulda. Vier Parteienvertreter und Vertreterinnen sowie etwa 50 Bürgerinnen und Bürger waren – vor wenigen Tagen – der Einladung des osthessischen Bündnisses gegen Altersarmut im Bonifatiushaus gefolgt, um über die besonderen Risiken für künftige Altersarmut in Stadt und Landkreis Fulda zu diskutieren und gemeinsam zu überlegen, wie diesen begegnet werden kann. Dem Osthessischen Bündnis gegen Altersarmut gehören die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung KAB, die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands kfd, der AWO Kreisverband Fulda, der Sozialverband VDK, der Paritätische Wohlfahrtsverband in Osthessen sowie die Fuldaer Gruppe des globalisierungskritischen Netzwerks attac an.

Bereits im Mai dieses Jahres hatte das Bündnis eine von der Hochschule Fulda im Bündnisauftrag erstellte Studie zur Entwicklung von Altersarmut in Osthessen vorgestellt. Sie bildete die Grundlage für die Diskussion am 13. Oktober: So übersteigt die Quote der im Niedriglohnbereich Beschäftigten in Stadt und Landkreis Fulda die hessische Quote um 40 %, der Bundesdurchschnitt wird um 18 % übertroffen. Mit knapp 17 % ist der Anteil der Minijobber höher als im Bundesdurchschnitt (15,1 %) und in Hessen (14.6 %). 3,2 % der Arbeitnehmer sind in Stadt und Landkreis über eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt, im Bundesdurchschnitt sind dies nur 2,2 %, im hessischen Schnitt gar nur 1,9 %. All diese Faktoren erhöhen das Risiko, später von Altersarmut betroffen zu werden.

Was tun angesichts der für ganz Deutschland, aber eben auch für Fulda bedrückenden Fakten? Der HR- Reporter Hermann Diel moderierte ein engagiertes Gespräch, dem einzelne Partner/innen des Bündnisses ihre eigenen, spezifischen Akzente voranstellten: So wies die Vertreterin von ver.di eindringlich darauf hin, dass Arbeitgeber sich angesichts der Armutsrisiken in Fulda angespornt fühlen sollten, die Lohnentwicklung zu verbessern, und plädierte für die Anhebung des Rentenniveaus. Der Vertreter der Katholischen Arbeitsnehmerbewegung forderte die Umsetzung eines neuen Rentenmodells, das auf den Säulen „Sockelrente“, „Arbeitnehmer-Pflichtversicherung“ und „betriebliche und private Altersvorsorge“ fußt. Eine Reform der Altersgrundsicherung forderte die Vertreterin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Landesverband Hessen, im Bündnis: Der PARITÄTISCHE setzt sich für eine Anhebung der Regelsätze ein, damit die Leistungen wirklich vor Armut schützen und eine echte Teilhabe am Leben möglich ist.

Die Parteienvertreter/innen (Birgit Kömpel, Bundestagsabgeordnete der SPD, Sabine Leidig, Bundestagsabgeordnete „Die Linke“, Sibylle Herbert, stellv. Kreisvorsitzende der FDP und Ralf Zwengel, Kreisvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stimmten grundsätzlich zu, dass Reformen nötig sind, um den Trend zu mehr Altersarmut in Deutschland und damit auch in Stadt und Landkreis Fulda zu bremsen. Sie unterbreiteten dem Publikum die grundsätzlichen Haltungen ihrer Parteien zu einer notwendigen Rentenreform. Sabine Leidig brachte die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens zur Sprache und wurde damit von einem Zuhörer im Publikum unterstützt, der ein ähnliches Modell skizzierte, das in Holland praktiziert wird. Nicht alle Gesprächsteilnehmer/innen konnten einem solchen Konzept vorbehaltlos zustimmen, doch dass in einer sozialen Gesellschaft die Rente solidarisch nach unten mit einem Mindestbetrag „abgefedert“ werden sollte, war Konsens in der Podiumsrunde. Zur Frage der Finanzierung notwendiger Mehrleistungen wurden mehrere Möglichkeiten angesprochen: Die Etablierung obligatorischer Betriebsrenten wurde ebenso ins Spiel gebracht wie die Forderung einer Besteuerung sämtlicher Einkommensarten (auch Kapitaleinkommen), um damit einen größeren finanziellen Spielraum für eine Mindestrente zu gewinnen. Angesprochen wurden sowohl eine mögliche Anhebung der Rentenbeitrags-Bemessungsgrenze also auch die Möglichkeit einer „Deckelung“ der Rentenhöhe. An diesem Punkt gab es deutliche Unterschiede bei den Diskutanten.

Alles in allem waren sich die Gesprächspartner und Parterinnen sich einig darin, dass das Problem der zunehmenden Altersarmut auch in Stadt und Landkreis Fulda auf keinen Fall auf die leichte Schulter genommen werden darf. In seinem Abschlussstatement bedankte sich Michael Schmitt (Kath. Arbeitsnehmerbewegung) herzlich bei den vier geladenen Gästen für ihre Bereitschaft, sich mit dem drängenden Problem von Altersarmut auch in unserer Region aktiv auseinanderzusetzen, und wies alle Anwesenden auf die vielfachen Informationsmöglichkeiten zum Thema Altersarmut – auch über Internet – bei den Mitgliedern des Bündnisses hin. +++ / pm