„Ortszeit Deutschland“: Junge Bürgermeister diskutierten mit Bundespräsident Steinmeier

Kommunen kommen gar nicht mehr aus dem Krisenmodus

Bürgermeister Leopold Bach im Gespräch mit Bundespräsident Steinmeier. Foto: Lena Weber

Am Freitag folgte Bürgermeister Leopold Bach einer persönlichen Einladung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ins Schloss Bellevue. Corona-Pandemie, Klimawandel – und nun auch noch der Krieg in der Ukraine – einerseits scheint es, dass die Kommunen gar nicht mehr aus dem Krisenmodus herauskommen, andererseits zeigt aktuell der Krieg in der Ukraine mit der größten Fluchtbewegung in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs: Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist groß, das Land rückt zusammen. Diese beiden Pole beschrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt seiner Besuchsreihe „Ortszeit Deutschland“. Über das „Zusammenhalten in Krisenzeiten“, „Beispiele aus der aktuellen Flüchtlingshilfe“ sowie „Perspektiven nach der Pandemie“ sprachen die Vertreter der Kommunen und der Zivilgesellschaft mit dem Staatsoberhaupt zunächst in seinem Amtssitz Schloss Bellevue. Stark vertreten war das Netzwerk Junge Bürgermeister, darunter auch der Bürgermeister der Gemeinde Feldatal, Leopold Bach.

Politik, Verwaltung, Ehrenamtliche und Zivilgesellschaft: Alle sind gefordert. Doch zwei Jahre im Krisenmodus aufgrund der Pandemie haben Menschen mürbe gemacht. Nicht nur in Vereinen, Verbänden und den Rathäusern, auch die Familien hatten einen großen Anteil der Lasten zu tragen. Gerade war absehbar, dass sich das Leben in der Stadt und auf dem Land wieder normalisieren würde, da brach der Krieg in der Ukraine aus. Millionen von Menschen auf der Flucht, sie müssen untergebracht werden. Knapp 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist wieder Krieg in Europa, vor der Haustür jedes Einzelnen. Trotz Pandemie und ihren Folgen schwappt eine Welle der Hilfsbereitschaft über das Land. Die Teilnehmer in drei Diskussionsrunden beschrieben die Situation in ihren Kommunen. Menschen stellen Städten und Gemeinden Wohnraum für die Geflüchteten zur Verfügung, sammeln Hilfsgüter, organisieren Transporte. In Feldatal wurde zum Beispiel innerhalb kürzester Zeit das Dorfgemeinschaftshaus Ermenrod zur Unterkunft für die Kriegsgeflüchteten umgebaut. Viele Freiwillige haben bereits ihre Hilfe angeboten und Unterstützung zugesagt. Kurz: Die Zivilgesellschaft entfaltet ihre Kraft.

Alle zeigten sich überwältigt von der großen Hilfsbereitschaft. Bürgermeister Bach macht deutlich: Deutschland und Europa seien erst am Anfang dieser Krise. Es gehe alsbald darum, die Geflüchteten zu integrieren. Dies verlange eine gute Verzahnung von Haupt- und Ehrenamtlichen. Auf beiden Seiten sei es wichtig, darauf zu achten, dass die Menschen durchaus am Rande ihrer Leistungsfähigkeit seien, so Bach. In welche Richtung es unter anderem auch für die Kommunen gehen muss, erläuterte Michael Salomo, Sprecher des Netzwerks junge Bürgermeister und Oberbürgermeister von Heidenheim an der Brenz. Er richtete einen dringlichen Appell an den Bundespräsidenten: „Wir müssen die Ausbildungszahlen im öffentlichen Dienst deutlich erhöhen.“ Dies gelte vor allem für den höheren und gehobenen Dienst. Hier geben der Bund und die Länder durch die Studienplätze an den Verwaltungshochschulen die Linie beziehungsweise die Kapazitäten vor. Doch diese seien erheblich zu wenig. „Wir dürfen die hauptamtlichen Strukturen nicht vernachlässigen“, sagte Salomo, „die kleinen und mittleren Kommunen bluten personell aus.“

Der Heidenheimer wies insbesondere vor dem Hintergrund der bereits jetzt beginnenden Diskussionen über die Schaffung von Wohnraum für die Geflüchteten sowie ihre Integration, den Umgang mit dem Klimawandel und eben die Zeit nach der Pandemie auf das Dilemma in den Städten und den Gemeinden hin. Was nütze es, beispielsweise Konzepte für zusätzliche Wohnungen vorzulegen, wenn es in den kommunalen Verwaltungen niemanden gebe, der darüber entscheiden könne, weil beispielsweise Stellen im Bauamt nicht besetzt werden könnten? Mönchengladbachs junger Oberbürgermeister Felix Heinrichs machte zudem darauf aufmerksam, dass die Kommunen gerade finanziell viel zu schultern hätten, durch die Pandemie jedoch einen noch größeren Schuldenberg angehäuft hätten. Viele der Teilnehmenden forderten deshalb eindringlich, Städte und Gemeinden finanziell besser auszustatten. Wenn diese mehr Spielraum hätten, könnten sie gerade das Ehrenamt stärken – und zwar nicht nur in Vereinen und Verbänden, sondern auch im Sport sowie kulturell. Ehrenamt bedeute zum Beispiel auch, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Im Orts- oder Gemeinderat, in den Ausschüssen und anderen Gremien werde letztlich die Basis für die Demokratie geschaffen. +++ pm/ja

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