Özdemir steht auf Todesliste eines Neonazi-Netzwerks aus den USA

Neonazi-Todesdrohung auch gegen Claudia Roth

Grünen-Chef Cem Özdemir
Cem Özdemir (Grüne)

Der langjährige Grünen-Chef Cem Özdemir erhält von einem in den USA als gefährlich eingeschätzten Rechtsextremisten-Netzwerk Morddrohungen. So ging im Büro des türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten Ende Oktober von einer Gruppe mit dem Namen „Atomwaffen Division Deutschland“ eine Mail ein, in der Özdemir mitgeteilt wird, er stehe als erster Name auf einer Todesliste. „Zurzeit sind wir am Planen wie und wann wir Sie hinrichten werden, bei der nächsten öffentlichen Kundgebung? Oder werden sie von uns vor ihrem Wohnort abfangen?“, heißt es in der Mail, über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichten. Özdemir, der in der Vergangenheit wegen seiner scharfen Kritik an der autoritären Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von türkischen Nationalisten massiv bedroht wurde, erhält seit längerem Personenschutz durch das Bundeskriminalamt.

Der Grünen-Politiker gab die Mail unmittelbar an das BKA und die Polizei im Bundestag weiter. Anders als andere Drohungen nimmt er diese Attacke sehr ernst, da sie in Wortwahl und Stil so gravierend sei. In den USA werden Mitglieder der „Atomwaffen Division“, die sich in Zellen organisieren, verdeckt im Internet kommunizieren und zum Rassenhass aufrufen, mit mehreren Tötungsdelikten und geplanten Anschlägen in Verbindung gebracht. Das Bundeskriminalamt verwies auf Anfrage, welche Gefahren von der Gruppe ausgehen, allgemein auf eine Stellungnahme der Sicherheitsbehörden aus dem Juli 2018: „Die Gefährdung durch extrem rechte und rechtsterroristische Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland bleibt, auch nach der Ankündigung der Existenz eines deutschen Ablegers der AWD, unverändert auf einem abstrakt hohen Niveau.“ Özdemir sagte den Zeitungen: „Ich kann mich auf den Begleitschutz durch das BKA verlassen. Doch was ist mit all den Kommunalpolitikerinnen und den ehrenamtlich Engagierten, die angefeindet werden und keinen Personenschutz haben?“ Es müsse möglich sein, am Spielfeldrand, im Bus und auf der Betriebsfeier für eine offene Gesellschaft einzutreten, ohne danach Hasskommentare in den sozialen Netzen zu bekommen. „Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass Hasskriminalität konsequenter ermittelt und zur Anklage gebracht wird. Dafür braucht es Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegen Hasskriminalität und eine bessere Ausstattung und Ausbildung der Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zum Thema digitale Gewalt“, sagte er. Außerdem müssten juristische Hürden für Zivilklagen abgebaut und Social-Media-Anbieter stärker in die Pflicht genommen werden. Erst vor wenigen Tagen hatte die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus beschlossen. Neben Özdemir bekamen zuletzt einige Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker Morddrohungen aus der rechtsextremen Szene, darunter der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring.

Neonazi-Todesdrohung auch gegen Claudia Roth

Auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth eine Todesdrohung erhalten. Das bestätigte Roths Büro den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Beide Drohmails wurden vom Neonazi-Netzwerk „Atomwaffen Division Deutschland“ unterzeichnet, gingen am 27. Oktober ein und nehmen Bezug aufeinander. Wörtlich heißt es in dem Schreiben an Roth: „Sie sind zurzeit Platz zwei auf unserer Abschussliste.“ Die Politikerin wird darin aufgefordert, sich bis Ende dieser Woche mit einer schriftlichen Erklärung in den sozialen Medien „klar von den Grünen zu distanzieren“. Vom Duktus her erinnert das Schreiben an die Drohungen des so genannten „Staatsstreichorchesters“ gegen andere Politiker wie zuletzt den thüringischen CDU-Vorsitzenden Mike Mohring. Deswegen wird in Sicherheitskreisen nicht ausgeschlossen, dass die Drohungen einen gemeinsamen Urheber haben, der sich verschiedene Namen gibt. In den USA gilt die „Atomwaffen Division“ als ex trem gewaltbereit. Seit einigen Monaten häufen sich die Hinweise auf einen neuen deutschen Ableger der Organisation. Roth sagte den Funke-Zeitungen: „Wer glaubt, uns mit seinem dumpfen Hass und seiner geschichtsblinden Hetze vom Einsatz für eine vielfältige und weltoffene Gesellschaft abbringen zu können, den muss ich bitter enttäuschen.“ Allerdings seien viel zu lange Warnungen vor der Salonfähigkeit rassistischen Gedankenguts ignoriert und Hinweise auf Vernetzung und Radikalisierung kleingeredet worden. „Das muss sich dringend ändern.“ Roth forderte: „Mehr denn je müssen wir Gesicht zeigen und die Stimme erheben gegen die Stichwortgeber und Brandbeschleuniger, auch in unseren Parlamenten.“ +++