In der Koalition bahnt sich ein Streit zum Thema verpflichtende Elementarschadenversicherung an. SPD und Grüne machen Druck auf die FDP, ihren Widerstand gegen die Idee aufzugeben, wie der „Spiegel“ berichtet.
„Extremwetterereignisse können leider jeden treffen und darum brauchen wir dringend auch in Deutschland bezahlbare Versicherungen gegen Elementarschäden“, sagte Johannes Fechner, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, dem Nachrichtenmagazin. „Das Eigentum der Bürger abzusichern, sollte doch auch Ziel der FDP sein“, so Fechner. „Das Argument der FDP, Bürger würden mit einer Elementarschadenversicherung sorglos werden und ihre Immobilie nicht mehr präventiv schützen, überzeugt nicht.“ Ähnlich argumentieren die Grünen: „Solche Extremwetterereignisse werden aufgrund der sich immer weiter verschärfenden Klimakrise immer häufiger werden“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge dem „Spiegel“. „Eine Versicherungspflicht kann dabei – neben Hochwasser-, Katastrophen- und Bevölkerungsschutz – Teil einer Gesamtstrategie zur Klimaanpassung sein.“ Indirekt appellierte auch Dröge an die FDP: „Es wäre gut, wenn wir hier in der Koalition gemeinsam vorankämen.“ Die Liberalen allerdings bleiben bei ihrer ablehnenden Position. „Die heftigen Überschwemmungen der letzten Tage haben einmal mehr gezeigt, wie verheerend und existenzbedrohend Naturkatastrophen sein können“, sagte Fraktionsvize Konstantin Kuhle dem „Spiegel“. „Eine Versicherungspflicht der Haus- und Wohnungseigentümer gegen solche Elementarschäden ist aber nur eine Scheinlösung.“ Der FDP-Politiker sagte weiter: „Sie verhindert keinen einzigen Schadensfall und macht durch erhöhte Versicherungsprämien das Wohnen für Eigentümer und Mieter teurer.“ „Stattdessen muss der Präventionsgedanke in den Mittelpunkt gerückt werden: Klimafolgenanpassung, technische Veränderungen bestehender Gebäude und Bauen in risikoärmeren Gebieten.“ Niemand werde „davon abgehalten, eine Versicherung gegen Elementarschäden abzuschließen“, sagte der FDP-Politiker. „Das gesamte Risiko durch eine Versicherungspflicht der Gemeinschaft aller Versicherten aufzubürden, geht aber in die falsche Richtung.“
Sachverständige für Versicherungspflicht gegen Elementarschäden
Vor dem Hintergrund des Hochwassers in Süddeutschland hat der neue Vorsitzende des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen, Christoph Busch, eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden gefordert. „Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen spricht sich für die Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung aus“, sagte Busch der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Voraussetzung ist, dass sich die Prämien grundsätzlich am versicherten Risiko orientieren.“ Die Höhe der Versicherungsbeiträge könnte etwa von den Bemühungen der Versicherten abhängig gemacht werden. „Denkbar wäre auch ein Modell, bei dem zusätzliche Maßnahmen für den Hochwasserschutz seitens der Versicherten zu einem Prämienrabatt führen“, sagte Busch, dessen Gremium das Bundesumweltministerium berät. Ein Versicherungsbeitrag, der für alle gleichermaßen gilt, lehnt er ab. „Eine Einheitsprämie setzt die falschen Anreize und führt zu einer Umverteilung in die falsche Richtung.“ Busch hält präventive Maßnahmen nicht für wichtiger als einen verpflichtenden Versicherungsschutz. „Pflichtversicherung und Hochwasserschutz müssen sich ergänzen.“ Frankreich, wo der Schutz gegen Elementarrisiken staatlich geregelt ist, diene nicht als Vorbild. „Die Prämien, die dort gezahlt werden, sind nicht risikobasiert. Daher ist das französische System total untertarifiert und wirtschaftlich auf längere Sicht nicht tragfähig“, so Busch. Ein freiwilliger Versicherungsschutz, den Verbraucher aktiv ablehnen müssen, sei allenfalls ein Kompromiss. „Es ist davon auszugehen, dass sich dann immer noch nur maximal 80 Prozent versichern würden“, fürchtet der Sachverständige. „Sollte sich später noch herausstellen, was nicht unwahrscheinlich ist, dass die restlichen 20 Prozent überwiegend in den am höchsten gefährdeten Zonen liegen, dann wird die Allgemeinheit bei der nächsten Hochwasserkatastrophe wieder einspringen müssen.“
Buschmann will Angebotspflicht für Elementarschadensversicherungen
Im Streit zwischen Bund und Ländern um die Einführung einer Versicherungspflicht gegen Elementarschäden geht Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf die Länder zu. „Elementare Schäden lassen sich nicht vollständig verhindern. Deshalb ist es wichtig, dass alle Immobilienbesitzer die Möglichkeit haben, sich dagegen zu versichern“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das wollen wir mit einer Angebotspflicht sicherstellen.“ Bei Bestandsimmobilien würden die Eigentümer nach seiner Vorstellung über die Möglichkeit des Schutzes vor Elementarschäden informiert werden. Bei Neubauten würden die Versicherer den Eigentümern beim Abschluss einer Wohngebäudeversicherung auch ein Angebot zum Schutz vor Elementarschäden vorlegen, erläuterte Buschmann. „So erreichen wir eine höhere Versicherungsquote – schaffen aber keinen Zwang.“ Eine Pflicht zur Versicherung, wie die Länder sie ursprünglich gefordert hatten, würde mehr Probleme schaffen, als sie löse, so der FDP-Politiker. Sie mache das Wohnen teurer, weil Vermieter die Kosten auf die Mieter umlegen dürften. Der Staat müsste zudem eine teure Kontroll-Bürokratie der Versicherungspflicht für 20 Millionen Gebäude aufbauen. Zugleich müssten Bund oder Länder zwangsläufig als eine Art Rückversicherer für Schäden oberhalb einer bestimmten Schwelle bereitstehen. „Die Versicherungspflicht würde den Staat also längst nicht aus der Haftung nehmen“, erklärte Buschmann. Die Pflicht führe aus seiner Sicht auch nicht zu niedrigeren Versicherungsprämien, weil sie immer nach dem individuellen Risiko des Gebäudes bemessen werde. „Das Schadensrisiko für das einzelne Gebäude ändert sich nicht, nur weil auch andere Wohngebäude versichert sind“, so der Minister. Der Versicherungspflicht halte also bei Weitem nicht, was sie verspreche. „Ich werbe daher für die Angebotspflicht. Mit diesem Vorschlag gehen wir auf die Länder zu.“ Angesichts der Hochwasserlage in Süddeutschland und vor der nächsten Bund-Länder-Runde am 20. Juni hatten die Ministerpräsidenten zuletzt den Druck auf die Bundesregierung zur Einführung einer Versicherungspflicht gegen Elementarschäden erhöht. +++