Mittelstandsverband registriert wachsenden Unmut über Regierung

Dies gebe der AfD Auftrieb

Die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die Energiepolitik der Bundesregierung erreicht zunehmend auch mittelständische Unternehmen. Der Bundesgeschäftsführer des Mittelstandsverbands BVMW, Markus Jerger, sagte dem „Handelsblatt“, der Unmut im Mittelstand sei „sehr groß“. Viele Unternehmer seien „entsetzt über die Arbeit der Regierung“. Es gebe Planungen zu Straßenprotesten.

Natürlich sei das keine geeignete und zielführende Art, auf die Politik einzuwirken. „Aber ein Stück weit können wir die Unternehmen verstehen – denn es geht nicht weniger als um deren Existenz“, sagte Jerger. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, kritisierte die mangelnde Planbarkeit bei Energie- und Stromkosten. Diese sei für viele Unternehmen und Bürger das größte Problem heute, denn Unternehmen könnten ihre Preise nicht setzen und Menschen ihre Konsumausgaben nicht planen. „Das Vertrauen in Staat und Institutionen sinkt merklich“, sagte Fratzscher der Zeitung. Er mahnte: „Die demokratischen Parteien sollten nun dringend an einem Strang ziehen und nicht, wie bisher, sich in einem Dauerwahlkampf gegenseitig blockieren.“ Der Soziologe Matthias Quent wies darauf hin, dass es bereits in der Coronakrise aus dem Mittelstand Unruhe und Protest gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gegeben habe. „Doch nun erleben wir eine neue, bedrohliche Dynamik, die Populismus und Nationalismus Tür und Tor öffnet“, sagte der Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal dem „Handelsblatt“. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa, Hermann Binkert, erklärte, insbesondere die breite Mittelschicht habe Angst, abzurutschen. Dies gebe der AfD Auftrieb. „Inzwischen kann die AfD bundesweit derzeit mit einem Potenzial von bis zu 20 Prozent rechnen“, sagte Binkert dem „Handelsblatt“.

Mittelstand rechnet nicht mit Auszahlung der steuerfreien Pauschale

Angesichts der hohen Energiepreise geht der Mittelstand davon aus, dass die nun vom Bundeskabinett beschlossene steuerfreie Arbeitgeber-Pauschale von vielen kleinen und mittleren Unternehmen nicht ausgezahlt werden kann. „Der Mittelstand sieht die Inflationsprämie, so wie sie von der Regierung konzipiert wurde, weiterhin als falsch und unverantwortlich an“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Markus Jerger, der „Rheinischen Post“. „Zum einen fehlen vielen kleinen und mittleren Unternehmen derzeit schlicht die Mittel, um eine solche Prämie an ihre Belegschaft zahlen zu können. Zum anderen verlagert der Staat ungerechterweise die Abfederung der aktuellen Belastungen auf die Unternehmen, deren Liquidität ohnehin stark belastet ist“, sagte Jerger. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation würden sich viele kleine und mittlere Unternehmen die Zahlung der Prämie an ihre Belegschaft kaum leisten können. „Sie können kaum die Energiepreise bezahlen, geschweige denn einen spontanen Mittelabfluss von mehreren 10.000 Euro verkraften. Sie kämpfen in Folge der Energiepreisexplosion um das wirtschaftliche Überleben und den Fortbestand ihrer Existenz“, sagte Jerger. „Wir gehen daher eher davon aus, dass diese Einmalzahlung – wie bereits bei der Coronaprämie – ausschließlich Angestellten zugutekommen wird, die unter Tarifverträgen in großen Unternehmen beschäftigt sind“, so der BVMW-Chef. Als bessere Lösungen führte er einen zeitlich befristeten Verzicht auf Steuervorauszahlungen oder die Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags von zwei auf fünf Jahre ins Feld. „Auch würden die Beschäftigten von einer Senkung der Steuern und Sozialabgaben deutlich schneller und dauerhafter profitieren als von einer schlichten Einmalzahlung“, so Jerger weiter. +++