Merz hört mit – Zwischen Monstranz, Mantra und Mandala

Fulda/ Gießen. Politik, so denkt der durchschnittliche Beobachter, ist ein profanes Geschäft, weit entfernt von Geist, Mystik und Spiritualität. Diese Auffassung hält einer kritischen Überprüfung nicht stand. Richtig ist vielmehr, dass Politik und religiöses Ritual näher beieinander liegen, als manchem lieb ist, weshalb es häufig zu folgenreichen Verwechslungen kommt. So ist die Rede von dieser „Arroganz und Monstranz, die sie immer vor sich hertragen“ (MdL-SPD, SPD-Fraktionssitzung, 28.Oktober 2013) oder von den „190 Millionen, die der Herr Schmitt immer wie eine Monstranz vor sich herträgt.“ (P. Stephan, MdL-CDU, Landtagsplenum, 5. Februar 2014) zwar schon ein gutes Stück entfernt von dem Ursprung der Monstranz „als eines kostbaren, mit Gold und oft auch mit Edelsteinen gestalteten liturgischen Schaugeräts mit einem Fensterbereich, in dem eine konsekrierte Hostie zur Verehrung und Anbetung feierlich gezeigt wird“, lässt sich aber immerhin noch irgendwie in einen Sinnzusammenhang zum Ursprung bringen.

Das hat seinen Grund sicher darin, dass die Monstranz fest auf dem Grund der christlich-abendländischen Tradition ruht, die ja als konstitutiv für unsere Leitkultur und damit letztendlich für die verfassungsmäßige Ordnung schlechthin anzusehen ist. Kein Wunder also, dass es bei Ausflügen in andere Quellen der Spiritualität nicht ganz unfallfrei abgehen kann. Insbesondere der Buddhismus, dem ja insgesamt rätselhaften fernen Osten entstammend, erfreut sich größter Beliebtheit, wird für rhetorische Anleihen gerne in Anspruch genommen, ist aber gleichzeitig ein Quell stetiger Missverständnisse. Das gilt vor allem für das Mantra, jenen „heiligen Klangkörper einer spirituellen Kraft, die sich durch meist repetitives Rezitieren im Diesseits manifestieren soll und das entweder sprechend, flüsternd, singend oder in Gedanken rezitiert werden kann“.

Keinesfalls aber kann man das immaterielle Mantra, in scharfem, den wesenhaften Unterschied zwischen Leitkultur und fremdländischer Religion herausarbeitendem Gegensatz zur überaus handfesten christlich-abendländischen Monstranz, keinesfalls also kann man das Mantra vor sich her tragen. Deshalb ist die Aussage: „Es bringt doch nichts, immer wieder wie ein Mantra vor sich her zu halten….“ (MdL Sarah Sorge, Bündnis 90/Die Grünen, Landtagsplenum 14.Dezember 2011) zwar „entweder falsch oder nicht richtig“ (P. Burghardt MdL-CDU, AFG-Ausschuss 6.Mai 2010), enthält aber andererseits eine an fernöstliche Vorbilder gemahnende tiefere innere Weisheit. Zum Scheitern verurteilt ist aber der Versuch, durch sprachliche Geschlechtsmanipulation den Unterschied von Monstranz und Mantra einzuebnen: „ Das tragen Sie wie eine (!) Mantra vor sich her.“ (P. Stephan, MdL-CDU, Landtagsplenum, 22.Mai 2013) und der Kollege, der etwas „immer wie ein Mantra vor sich hergetragen“ hat (A. Bauer, MdL-CDU, Landtagsplenum, 24.Juni 2014), musste den Landtag – vollkommen zu recht – verlassen, im Gegensatz zu dem Kollegen Bauer, der ihm ein Mantra nachschickte.

Näher liegt da die Verwendung von tibetanischen Gebetsmühlen, die einerseits materiellen Charakter tragen, weshalb sie sowohl gedreht als auch getragen werden können, die andererseits entweder ein Mantra im Innern tragen oder außen mit einem solchen verziert sind. Die rhetorische Gefahr, die von Gebetsmühlen ausgeht, wird aber z.B. in folgendem Satz deutlich: „Das ist eine ewige Gebetsmühle, die sie da runterbeten.“ (F.W. Krüger, MdL-FDP, Landtagsplenum 8.Mai 2012). Auch von „tibetanischem Teppichhandel“ (Hess. Finanzminister T. Schäfer, CDU, Diskussionsveranstaltung SGK, 5.September 2012) hat man zwar schon im Landtag, nicht aber in Tibet reden hören.

Zu warnen ist jetzt schon vor der rhetorischen Verwendung von Mandalas. Allerdings sind die, allen „an die Wand gemalten Kassandrarufen“ (T. Al-Wazir, Hess. Wirtschaftsminister Bündnis 90/Die Grünen, Landtagsplenum, 26.Juni 2014)zum Trotz noch nicht aufgetreten. Empfohlen wird hingegen ein Besuch der Veranstaltung „Jesus, Buddha und Neuronen – Anfragen und Impulse der Neuro- und Bewusstseinswissenschaften an Buddhismus und Christentum“ (Veranstaltung der Ev. Stadtakademie Römer 9, Frankfurt/M, August 2012). Ommm! +++ fuldainfo | gerhard merz