Merz hört mit – Wenn‘ s zum Schwur kommt

Gerhard Merz

Gießen/ Fulda. Das „Einschwören“ gehört zu den Ritualen, die aus den Tiefen der Vergangenheit auf uns gekommen sind. Wir binden – uralten Gebräuchen folgend – durch Treueschwur uns selbst an eine Person oder Sache oder wir verpflichten oder vereidigen uns selbst oder andere darauf, eine Sache besonders nachdrücklich zu vertreten. So wie z.B. der amerikanische Präsident, der mit einer Rede vor dem Kongress versuchte, die „Amerikaner auf Gesundheitsreform einzuschwören“ (SPIEGEL-online, 9. September 2009), was freilich schon deshalb vergeblich war, weil die Republikaner auf die Feindschaft gegen den Präsidenten im Allgemeinen und die Gesundheitsreform im Besonderen auf ähnliche Weise eingeschworen waren und sind, wie jene nahöstliche Terrororganisation , von der der österreichische „Standard“ folgendes zu berichten wusste: „Auf den Feind einschwören: Jugendcamps der Hamas“ (www.derstandard.at, 13. Juni 2013).

Warum freilich die Hamas-Jugend es für erfolgversprechend ansah, ihre Anhänger durch Treueschwur ausgerechnet an den Feind zu binden, wird auf ewig so rätselhaft bleiben wie es die Politik der US-Republikaner seit Jahrzehnten ist. Nicht weniger rätselhaft ist freilich auch das Verhalten des Handball-Bundestrainers, der sein Team bei der letzten WM ausgerechnet darauf verpflichtete, die Interessen des Gegners besonders nachdrücklich zu vertreten („Handball WM – Einschwören auf Polen“ , www.sky.de, 16. Januar 2015). Und ob es den wackeren Fußballern des SV Sonsbeck genutzt hat, dass sie „auf die Herkules-Aufgabe (!)“ gegen den Aufsteiger VfR Krefeld-Fischeln eingeschworen wurden, kann hier nicht weiter erörtert werden. (rp-online, 29. November 2014)

Klarer, um nicht zu sagen: fokussierter sind da schon – wie könnte es anders sein – die Praktiken des Einschwörens in Kreise der Wirtschaft: „In Krisenzeiten Teams neu einschwören! – Wir kennen viele Unternehmen, die die Krise als Chance sehen, sich auf Kernkompetenzen zu fokussieren und Teams neu einzuschwören.“ (Dr. Holger Hildebrandt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V., www.bme.de). Und was dem BME recht ist, darauf schwört auch Siemens: „Führungstreffen von Siemens – Einschwören auf harte Zeiten“ (sueddeutsche.de, 10. Oktober 2012).

Klar ist auch, worauf Kölns Touristik-Chef eine freilich unbestimmte Personengruppe eidlich verpflichten will: „Wir müssen alle auf ein Ziel einschwören – Mit Erlebnispaketen will Kölns neuer Tourismus-Chef Josef Sommer mehr Besucher nach Köln locken.“ (Kölner Stadt-Anzeiger, 18. Oktober 2001). Das Ziel resp. die touristische Destination kann natürlich nur Köln sein! Solchermaßen eingeschworen singt jeder Tourist schon im Reisebüro den alten Schlager „Ich will zu Fuß nach Kölle jonn“ , um sich anschließend im Stadion gemeinsam mit dem 1. FC Köln seine Erlebnispackung abzuholen.

Wer sich ein Bild davon machen willen, wie Einschwör-Rituale tatsächlich ablaufen, der findet hier ein schönes Beispiel, das wir der relativ jungen wissenschaftlichen Disziplin der Internet-Archäologie verdanken: https://www.youtube.com/watch?v=TnUJHzXu4zg (MSM Uni Bochum – Einschwören Staatsexamen Medizin 2011 – 1. Tag). Wem das alles zu blöd ist, der kann dem Einschwören abschwören! +++ fuldainfo | gerhard merz