Merkel will „Industriezollabkommen“ zwischen EU und USA

FDP-Chef Lindner sieht Merkel nach USA-Besuch "degradiert"

Angela Merkel (CDU)
Angela Merkel (CDU)

Berlin. Angesichts des aufziehenden Handelskrieges ist die deutsche Wirtschaft besorgt über das uneinheitliche Vorgehen der Europäer in dieser brenzligen Lage. „Im Handelsstreit mit den USA muss die EU weiterhin geschlossen bleiben“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, der „Welt am Sonntag“. „Unsere exportgeprägte Wirtschaft ist auf weltweit offene Märkte angewiesen, nicht auf Sonderdeals, die möglicherweise zu Lasten anderer, nicht beteiligter Handelspartner gehen könnten.“

In der vergangenen Woche waren zunächst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dann Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Washington gereist – in der Hoffnung, den US-Präsidenten bewegen zu können, Europa dauerhaft von den verhängten Strafzöllen auf Aluminium und Stahl auszunehmen. Die vorläufige Befreiung läuft am kommenden Dienstag aus. Aus Sicht von Kritikern war es ein Fehler, dass sich Merkel und Macron getrennt auf den Weg gemacht hatten, um mit Trump zu verhandeln. „Es spielt Trump in die Hände, wenn er Deutschland und Frankreich gegeneinander ausspielen kann“, sagte Sven Giegold, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament, der Zeitung. „Wer Multilateralismus will, sollte nicht unilateral dealen.“ Tatsächlich ist Europa in der Frage des Umgangs mit den Provokationen Trumps gespalten. Während die EU-Kommission bei ihrer Linie bleibt, den Amerikanern im Zollstreit keinen Deut entgegen zu kommen, ist man in Deutschland dem Vernehmen nach offen für Deals.

Die Bundeskanzlerin versuchte am Freitag in Washington, das Schlimmste abzuwenden. Ihr Vorschlag: Trump soll die Strafzölle gegen die EU fallen lassen. Anschließend könnte man über die Beseitigung von Handelshemmnissen reden. Die Bundesregierung wolle versuchen, die US-Amerikaner für ein Industriezollabkommen zu gewinnen, heißt es in Regierungskreisen. Das wäre eine Art TTIP light. Davon würden auch die USA profitieren, weil dann Zölle auf Waren sinken und womöglich in Teilen oder sogar umfassend gestrichen würden. Ein solches Abkommen hätten die Amerikaner während der Verhandlungen zu TTIP auch gerne abgeschlossen, scheiterten aber am Einspruch der Europäer. Das von Deutschland nun angedachte Industriezollabkommen dürfte aber in Europa selbst auf große Hürden stoßen. Die Franzosen wollen bei einem TTIP im kleinerer Format nicht mitmachen. Und die EU-Kommission will vorerst überhaupt nicht mit den Amerikanern verhandeln.

Unterdessen schwinden die Hoffnungen, dass die EU tatsächlich dauerhaft von den Strafzöllen ausgenommen wird. „Offenbar hat die Trump-Administration keine Probleme damit, eine über Jahrzehnte gewachsene, enge und wichtige Partnerschaft ohne Not vor eine Zerreißprobe zu stellen“, sagte Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im Europaparlament, und appellierte an die EU, in dieser Lage Einigkeit zu beweisen. „Das Signal, dass die USA WTO-widrige protektionistische Maßnahmen ergreifen, ist besorgniserregend“, sagte Daniel Caspary, Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. „Ich hoffe, dass sich die Weltgemeinschaft dagegen positioniert und die Märkte trotzdem offen hält.“

FDP-Chef Lindner sieht Merkel nach USA-Besuch „degradiert“

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Besuch bei US-Präsident Donald Trump als geschwächt an. „Die Führungsrolle Europas hat mit klaren Worten und Geschmeidigkeit Herr Macron übernommen. Das Protokoll in Washington hat Frau Merkel regelrecht degradiert“, sagte Lindner „Bild am Sonntag“. Der FDP-Chef kritisierte: „Die Bundeskanzlerin scheint das außenpolitische Ruder losgelassen zu haben. Im transatlantischen Verhältnis und bei EU-Reformen ist Deutschland so in einen Drift geraten.“ Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, betonte in der „BamS“, wie bedeutsam Einigkeit innerhalb der EU sei: „Weder Macrons noch Merkels Stimme werden jemals wichtiger sein als die Stimme aller Europäer zusammen.“ +++