Maas wirft Deutschen Bequemlichkeit vor

Einstimmigkeit in EU-Außenpolitik abschaffen

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat den Deutschen Bequemlichkeit im Kampf gegen Rassismus und bei der Verteidigung der Demokratie vorgeworfen. „Meine Generation hat Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geschenkt bekommen. Wir mussten das nicht erkämpfen, nehmen es teilweise als zu selbstverständlich wahr. Es hat sich in unserer Gesellschaft leider eine Bequemlichkeit breit gemacht, die wir überwinden müssen“, sagte Maas der „Bild am Sonntag“.

Mit Blick auf die rechtsradikalen Ausschreitungen forderte der Minister: „Da müssen wir dann auch mal vom Sofa hochkommen und den Mund aufmachen. Die Jahre des diskursiven Wachkomas müssen ein Ende haben.“ Auf die rechtsextremen Aufmärsche in Chemnitz wurde Maas nach eigenen Angaben „sehr oft“ von seinen europäischen Kollegen angesprochen. Wenn es um Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rassismus gehe, werde Deutschland zu Recht ganz besonders kritisch beäugt. „Wenn auf unseren Straßen heute wieder der Hitlergruß gezeigt wird, ist das eine Schande für unser Land“, so Maas. Nun sei die gesamte Gesellschaft gefordert, um den Ruf Deutschlands in der Welt zu retten: „Wir müssen uns den Rechtsextremen entgegenstellen. Wir dürfen uns nicht wegducken. Wir müssen Gesicht zeigen gegen Neonazis und Antisemiten. Nur dann werden fremdenfeindliche Untaten das Ansehen Deutschlands nicht nachhaltig beschädigen.“ Bedrohlich werde es, wenn sich die Anständigen nicht einmischten. „Wenn die Anständigen schweigen, wirken die Rassisten viel lauter. Wir alle müssen der Welt zeigen, dass wir Demokraten die Mehrheit und die Rassisten eine Minderheit sind. Die schweigende Mehrheit muss endlich lauter werden“, so Maas. Wenn im eigenen Verwandten- oder Bekanntenkreis rassistische Äußerungen fallen würden, rät Maas dazu, mit der Warum-Frage zu reagieren: „Meine Erfahrung ist, dass es wenig bringt, Menschen sofort auszugrenzen. Es ist sogar kontraproduktiv. Ich stelle dann meist eine ganz simple Frage: Warum sagst du das? Wenn jemand seine Ängste artikulieren kann, dann ist das ein Schlüssel dazu, sie entkräften zu können. Nicht alle, aber die meisten Menschen erreicht man, wenn man über die Fakten redet.“

Einstimmigkeit in EU-Außenpolitik abschaffen

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) will nach den Europawahlen einen neuen Anlauf nehmen, um in der EU-Außenpolitik das Einstimmigkeitsprinzip abzuschaffen. „Es ist sehr wichtig, dass wir bestimmte außenpolitische Entscheidungen in der Zukunft nicht mehr nur einstimmig treffen dürfen. Mehrheitsentscheidungen schützen uns davor, dass andere Mächte nur ein Mitgliedsland rauskaufen müssten, damit alles blockiert ist“, sagte Maas der Zeitung. Zum Zeitplan sagte er: „Nach den Europawahlen im nächsten Frühjahr sollten wir das in die Wege leiten.“ Die EU-Mitgliedsstaaten sollen aber nicht per Mehrheitsentscheidung zur Aufnahme von Flüchtlingen gezwungen werden. „Das wäre nicht vernünftig. Wir sollten nicht zulassen, dass die Migrationsfrage weiter zum Spaltpilz wird“, so Maas. Der Außenminister schlägt stattdessen vor: „Wer keine Flüchtlinge aufnehmen will, muss an anderer Stelle Verantwortung übernehmen. Zum Beispiel bei der Bekämpfung der Fluchtursachen in Afrika.“ In der Frage, wie die EU mit den Rechtsstaatsdefiziten in Polen und Ungarn umgehen soll, setzt sich Maas von seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian ab. Während der Franzose erklärt hatte, nicht länger für rechtspopulistische Regierungen zahlen zu wollen, schlägt Maas versöhnliche Töne an: „Uns Deutschen steht in außenpolitischen Diskussionen die ausgestreckte Hand besser als der erhobene Zeigefinger. Wir brauchen ein geschlossenes Europa. Eine Spaltung Europas in erste und zweite Klasse würde die europäische Idee untergraben.“

Maas schließt finanzielle Hilfe für Türkei aus

Kurz vor seiner Reise in die Türkei hat Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) finanzielle Hilfen für das mit einer Wirtschaftskrise kämpfende Land ausgeschlossen. „Wir haben keinerlei Interesse daran, dass die Türkei wirtschaftlich und politisch abschmiert. Es geht aber jetzt nicht um konkrete finanzielle Hilfsmaßnahmen für die türkische Wirtschaft, sondern um eine Normalisierung unserer Beziehungen. Dafür muss die Türkei liefern“, sagte Maas der „BamS“. Mit Blick auf den Staatsbesuch von Präsident Erdogan in Deutschland erwartet Maas von dem türkischen Staatschef Bewegung bei der Freilassung der inhaftierten Deutschen: „Es sitzen nach wie vor sieben deutsche Staatsbürger in der Türkei im Gefängnis – ohne nachvollziehbaren Grund. Menschen müssen seit über einem Jahr Einzelhaft ertragen, ohne dass Anklageschriften vorliegen. Diese Zustände sind unhaltbar und müssen beendet werden.“ +++

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