Maas: EU muss Lehren aus dem Brexit ziehen

Schäuble sieht Gefahr des Austritts anderer EU-Mitglieder gebannt

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat Politiker in Deutschland und der Europäischen Union aufgefordert, die richtigen Schlüsse aus dem EU-Austritt Großbritanniens zu ziehen. „Eine Lehre ist, dass wir in der nationalen Politik nicht ständig mit dem Finger nach Brüssel zeigen dürfen – schließlich ist die EU letztlich die Summe ihrer Mitgliedsstaaten. Wir müssen ehrlicher und besser erklären, wie in Brüssel entscheiden wird“, sagte Maas den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Zudem müsse die EU sozialer werden. „Viele deutsche Unternehmen verdanken ihren wirtschaftlichen Erfolg vor allem dem EU-Binnenmarkt.

Davon profitieren auch die Arbeitnehmer durch höhere Löhne und die Konsumenten durch niedrigere Preise. Aber es gibt eben auch Verlierer, für die wir einen Ausgleich schaffen müssen“, forderte der SPD-Politiker. Der Brexit gehe derweil mit höheren Ausgaben für Deutschland einher. „Die deutschen EU-Beiträge werden st eigen“, kündigte der Außenminister an. Man solle sich aber „nicht zu sehr auf die Nettozahler-Diskussion“ verlegen. „Wir sind Nettozahler, aber wir sind auch Nettogewinner, weil uns die EU-Mitgliedschaft enorme Vorteile bringt“, sagte Maas den Zeitungen des „RND“. Die Gefahr eines weiteren EU-Austritts sei nicht gegeben: „Gerade durch die Brexit-Debatte der letzten Jahre ist die Zustimmung zur EU in allen Mitgliedsstaaten wieder deutlich gestiegen, auch in Deutschland“, so der SPD-Politiker weiter. Vielen Menschen sei „sehr klar“ vor Augen geführt worden, welche Vorteile die EU ihnen bringe. „Ich sehe derzeit kein anderes Land, das diese Vorteile aufgeben möchte“, so der Außenminister.

Kramp-Karrenbauer sagt Briten enge Sicherheitskooperation zu

Bundesverteidigungsministerin und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat den Briten eine enge Sicherheitskooperation nach dem Brexit zugesagt. „Auch wenn die Briten den politischen Rahmen der EU verlassen – unsere enge und freundschaftliche Zusammenarbeit für Frieden und Stabilität in Europa wird fortgesetzt“, sagte Kramp-Karrenbauer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Sicherheitspolitik werde als „Klammer zwischen dem Vereinigten Königreich und uns durch den Brexit noch an Bedeutung gewinnen“. Die Ausbildungs- und Rüstungskooperationen wie den A400M oder den Eurofighter würden ebenso fortgeführt wie der Aufbau eines gemeinsamen Pionierbataillons in Minden oder die enge Zusammenarbeit in den Einsätzen weltweit, so die Verteidigungsministerin weiter. Gleichwohl äußerte die CDU-Politikerin tiefes Bedauern über die Entscheidung der Briten. „Der Brexit schwächt die EU und schadet meiner Ansicht nach allen Beteiligten“, sagte Kramp -Karrenbauer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dennoch sei die Entscheidung der stolzen und alten britischen Demokratie zu respektieren.

Schäuble sieht Gefahr des Austritts anderer EU-Mitglieder gebannt

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) geht nicht davon aus, dass nach Großbritannien auch andere Staaten die EU verlassen. „Die Gefahr sehe ich gebannt, der Ablauf des Brexit hat solche Überlegungen in anderen EU-Ländern eher geschwächt“, sagte Schäuble den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagsausgaben). Gleichzeitig bedauerte er die Entscheidung der Briten und warb dafür, dass die Folgen so gering wie möglich bleiben. „Der Brexit ist ein trauriges Ereignis. Doch die Briten haben ihrem Premier Boris Johnson ein klares Mandat gegeben. Jetzt müssen alle Beteiligten daran arbeiten, die Folgen so begrenzt wie möglich zu halten“, so der CDU-Politiker weiter. Auf die Frage, ob die Briten wieder zurückkehren könnten, antwortete er: „Irgendwann schon, die Frage ist, ob wir das noch erleben“, so der Bundestagspräsident.

Sturgeon warnt Johnson vor Verweigerung von Unabhängigkeitsreferendum

Schottlands Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon hat die britische Regierung gewarnt, das Abhalten eines Unabhängigkeitsreferendums zu verweigern. Der britische Premierminister Boris Johnson könne „nicht ewig dem Willen der Schotten im Weg stehen, denn das Vereinigte Königreich ist kein einheitlicher Staat, es ist ein Staat, der aus vier Nationen besteht. Der nur durch Konsens weiter bestehen kann“, sagte Sturgeon der „Welt“ (Freitagsausgabe). Man könne „nicht ewig“ im Weg eines Landes stehen, „das die Unabhängigkeit wünscht, wenn dieser Wunsch stark genug ist“, so die schottische Ministerpräsidentin weiter. Johnsons Position sei „kein Zeichen der Stärke. Ein Premierminister, eine Regierung, die sich einer Fortsetzung der Union sicher ist, würde keine Schwierigkeit damit haben, den Menschen eine Wahl zu geben.“ Die Chefin der Scottish National Party (SNP) will ein Referendum in jedem Fall verfassungskonform abhalten. „Ich habe immer klar gesagt, dass das Referendum legal sein muss. Wenn es das nicht ist, dann kann dessen Ausgang zwar der erwünschte sein, aber er würde nicht anerkannt. Ich habe kein Interesse an leeren Gesten“, sagte Sturgeon. Absehbar sieht sie Schottland wieder als Mitglied der Europäischen Union. „Wir sind jetzt wütend, aber auch entschlossen, dass Schottland seine Wahl treffen kann. Und dass wir, hoffentlich nicht in ferner Zukunft, den Weg zurück ins Herz Europas wählen als unabhängiger Staat“, so die schottische Ministerpräsidentin. Eines der Dinge, die der Brexit am Beispiel Irland gezeigt habe, sei „die Macht kleiner Länder und die Solidarität, die diese bekommen. Daher hoffe ich, dass die Zeit nicht lang wird, in der wir außerhalb der EU-Familie stehen“, sagte Sturgeon der „Welt“.

Irlands Premierminister will Briten Tür für EU-Wiedereintritt offenhalten

Irlands Premierminister Leo Varadkar will den Briten die Tür für einen Wiedereintritt in die Europäische Union offen halten. „Was auch immer geschieht, ich hoffe, dass die Tür immer offen steht, sollte das Vereinigte Königreich jemals entscheiden, zurückkehren zu wollen“, schreibt Varadkar in einem Gastbeitrag für die „Welt“. Bei den nun beginnenden Verhandlungen zwischen Brüssel und London über die künftigen Beziehungen komme es erneut darauf an, aufeinander zuzugehen. Für den bereits beschlossenen Ausstiegsvertrag hätten „beide Seiten Flexibilität gezeigt und Kompromisswilligkeit bewiesen. Wir alle sind über unseren Schatten gesprungen, wir haben einander vertraut. Das, glaube ich, ist ein gutes Omen für die nächste Phase der Verhandlungen, für unsere künftigen Beziehungen und für die Zukunft als Ganzes“, schreibt der irische Premierminister weiter. Sein Land setze nicht nur in den anstehenden Verhandlungen mit London auf die Soli darität, welche die 26 EU-Partner Dublin seit dem Brexit-Referendum 2016 gezeigt hätten. Der Zusammenhalt, den man in den vergangenen Jahren gesehen habe, „sollte uns für die Zukunft leiten. Weil er bestätigt, was Europa erreichen kann, wenn es zusammensteht. Dieses Wissen, diese Erfahrung sollten wir uns auch in Verhandlungen über andere Dinge in der Zukunft zu Herzen nehmen“, schreibt Varadkar. Der nächste Schritt sei nun die „Verhandlung eines Freihandelsabkommens zwischen der EU inklusive Irland und dem Vereinigten Königreich, das Jobs, Unternehmen, ländliche und Küstenregionen und unsere gesamte Wirtschaft schützt. Ich freue mich darauf“, so der irische Premierminister weiter. Irland und die gesamte EU würden mit dem Vereinigten Königreich „eine feste Freundschaft weiter pflegen, eine wirkliche Partnerschaft, sei es in der Politik, der gemeinsamen Sicherheit oder der Wirtschaft“, schreibt Varadkar in dem Gastbeitrag für die „Welt“. +++