Lübcke-Mord: Verfassungsschutz sieht überregionale Vernetzungen

In Nordhessen gebe es Aktivitäten aus der gesamten Bandbreite

† Dr. Walter Lübcke

Der Verfassungsschutz hat Erkenntnisse über weit über die Region reichende rechtsextremistische Netzwerke im nordhessischen Umfeld des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. „Insbesondere im neonazistischen Spektrum sind personelle Vernetzungen mit überregionalen und auch internationalen rechtsextremistischen Strukturen festzustellen“, sagte ein Sprecher des hessischen Landesamtes der „Rheinischen Post“. In Nordhessen gebe es Aktivitäten aus der gesamten Bandbreite des rechtsextremistischen Spektrums. Dies reiche von einzeln agierenden Rechtsextremisten über lose strukturierte neonazistische Kameradschaften und völkische Gruppen bis hin zu fest strukturierten Parteien und Gruppierungen der sogenannten „Neuen Rechten“. Mehrere Personen, die in rechtsextremistischen Gruppierungen in Nordhessen organisiert seien, wiesen Bezüge zu Straftaten und eine starke Gewaltorientierung auf.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius fordert eine intensivere Beobachtung der rechten Szene. Als Vorbild soll einem Bericht der „HNA“ zufolge ein System dienen, das bislang zur Bewertung islamistischer Gefährder genutzt wird. Nach Angaben von Pistorius wollen die Innenminister der SPD-geführten Länder in dieser Woche darüber beraten, wie sich das System auf Rechtsextreme übertragen ließe. Das Ziel ist demnach eine Art „Frühwarnsystem“, mit dem Gefährder schnell erkannt werden sollen. „Operativ passen wir die Schwerpunkte der neuen Gefährdungslage an“, sagte Pistorius der Zeitung – und kritisierte eine Verschiebung in der öffentlichen Debatte, die auch zum Erstarken rechtsextremer Gruppen geführt habe. „Dinge, die noch vor zehn Jahren unsagbar gewesen wären, werden heute in Teilen der Politik ausgesprochen. Dabei werden Grenzen überschritten, Grundwerte wie die Menschenwürde infrage gestellt oder klar rassistische Gedanken geäußert.“ Explizit nannte er die AfD. Sie entwickle sich „seit einiger Zeit eindeutig in eine verfassungsfeindliche Richtung“, erklärte Pistorius uns sprach sich für eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz aus.

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war am 2. Juni erschossen worden. Unter Verdacht steht der 45-jährige Stephan E. aus Kassel. Der Generalbundesanwalt geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Stephan E. hatte nach Angaben des Generalbundesanwalts zunächst gestanden, Lübcke getötet zu haben – später widerrief er sein Geständnis. +++

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