Berlin. Ein Jahr nach dem Titelgewinn bei der Weltmeisterschaft in Brasilien sieht Joachim Löw etliche Baustellen bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. „Wir müssen viel besser von hinten heraus spielen“, so der Bundestrainer zur „Welt am Sonntag.“ „Wenn es mal nicht gut gelaufen ist und uns der Gegner tief in unserer Hälfte attackiert hat, haben wir die Bälle oft planlos nach vorn geschlagen.“
Der Chefcoach beklagte zudem eine zuletzt fehlende Zielstrebigkeit in der Offensive. „Wir müssen den Ball auch mal wieder in die Tiefe spielen und nicht nur auf den Fuß des anderen“, so Löw. Die dritte Problematik sei das Spiel im letzten Drittel. „Der letzte Pass ist oftmals nicht gut. Da müssen wir noch mehr Qualität erreichen.“ Nach den Rücktritten von Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose, die als wichtige Korsettstangen die deutsche Nationalmannschaft über Jahre hinweg geprägt hätten, sei es nur allzu verständlich, dass sich im Team etwas verändert habe. „Es gibt zwar keine Hierarchiekämpfe, dennoch muss sich ein Team erst wieder finden“, erklärte der Bundestrainer. Bis zur EM-Endrunde in einem Jahr in Frankreich müssten folgende Fragen beantwortet werden: „Wer übernimmt in schwierigen Phasen Verantwortung? Auf wen hört die Mannschaft? An wem können sich junge Spieler orientieren? Wer sind die, die vorne weg marschieren?“ Es dauere ein wenig, bis sich so etwas herauskristallisiere. Man sehe inzwischen aber schon „immer mehr, wie Bastian Schweinsteiger, Jérôme Boateng, Manuel Neuer, Sami Khedira, Mats Hummels, Toni Kross und Thomas Müller, diese Rolle annehmen.
Und das machen sie gut“, sagte Löw. Zufrieden zeigt sich der Bundestrainer mit der Entwicklung im deutschen Nachwuchs. Aber „nicht gänzlich“, wie er gegenüber der „Welt am Sonntag“ betonte. „Es gibt schon einige Spieler, die ihren Weg gehen werden. Aber wir haben Positionen, auf denen ich, wenn ich mal auf die U-Teams schaue, noch nicht den Weltklasse-Spieler heranwachsen sehe. Wir müssen ja keinen Hehl daraus machen, dass wir auf den Außenverteidigerpositionen noch Nachholbedarf haben. Ich sehe derzeit keinen Spieler, der so gut ist, dass ich ihn sofort zu uns holen müsste.“ Im Sturm sei der deutsche Kader mit einem Spieler wie beispielsweise Mario Götze zwar sehr variabel. „Aber ich frage mich schon manchmal“, so der Bundestrainer, „wo denn der nächste Miro Klose ist? Wo ist ein Stürmer, der im Zentrum spielt, der schnell ist, kopfballstark und dazu noch torgefährlich? Wir haben in einzelnen Bereichen also durchaus noch Potenzial nach oben.“ Lukas Podolski, den Löw seit 2004 kennt, bezeichnete der Trainer als einen wichtigen Teil der Nationalmannschaft, weil er ein positiv denkender Mensch sei, der dem Team durch seine Art einfach gut tue. Allerdings habe ihm in den vergangenen Monaten die nötige Physis gefehlt, so der Bundestrainer. +++ fuldainfo