Linke-Chefin gegen „Repression“ bei Missachtung von Corona-Regeln

Regierungs-Berater sieht Potenzial von 20 Prozent

Linke-Chefin Katja Kipping hat davor gewarnt, Corona-Vorschriften mit Härte durchzusetzen. „Ich sehe mit einer gewissen Sorge, dass jetzt unglaublich viel diskutiert wird über Repression und höhere Strafen“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Stattdessen solle die Politik die vielen unterstützen, die sich verantwortlich verhalten wollten. „Wir sollten zum Beispiel erst einmal Masken-Automaten an Bahnhaltestellen aufstellen, bevor wir diejenigen bestrafen, die keine tragen.“

Probleme wie bei der Großdemonstration von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen am vergangenen Wochenende in Berlin ließen sich „über Repression nicht lösen“, betonte Kipping. „Die Gefahr ist groß, dass von den Strafen nicht zuerst die Corona-Verharmloser betroffen sind, sondern beispielsweise die alleinerziehende Mutter, die mit Kind an der Hand zur Bahn gehetzt ist und aus dem Alltagsstress heraus ihre Maske zu Hause vergessen hat.“ Im übrigen, fügte die Parteivorsitzende hinzu, sehne sich „diese krude Coronaverharmloser-Szene doch richtig danach, in so einen Corona-Rebellen-Status zu kommen und für das Nichtzahlen von Bußgeldern ins Gefängnis zu gehen“.

Auch in den Schulen will Kipping auf Einsicht setzen. „Die Lehrkräfte sollten ausstrahlen, dass es gut ist, wenn Masken getragen werden. Bei den ganz Kleinen besteht auch die Gefahr, dass sie die Masken unsachgemäß benutzen, hier ist ein aufklärender Gestus wichtig“, sagte sie. „Im Unterricht könnten Visiere aus Plexiglas, wo man das Gesicht sieht, die bessere Alternative sein.“ Die Politik hätte die Ferienzeit stärker nutzen müssen, um sich auf den Schulbeginn unter Pandemiebedingungen vorzubereiten, kritisierte Kipping – etwa um zusätzliche Räume zu akquirieren. „Niemand sollte so tun, als könne man einfach zum Normalbetrieb übergehen“, sagte sie. „Es gibt Lehrkräfte und auch Schülerinnen, die Risikogruppen angehören. Die dürfen jetzt nicht vergessen werden. Wir werden weiter hin eine Kombination aus Präsenzunterricht und digitalem Lehrbetrieb brauchen.“

Corona-Proteste: Regierungs-Berater sieht Potenzial von 20 Prozent

Der Soziologe Heinz Bude, der zum Beraterstab der Bundesregierung in der Coronakrise gehörte, warnt vor einer breiten gesellschaftlichen Protestbewegung gegen die Corona-Politik: „Da brennt etwas an“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Besonders enttäuschte Wähler von FDP und Grünen könnten sich dieser Bewegung zuwenden. „Zusammen sind das 20 Prozent. Das sind ziemlich viele, und es sind stimmungsstarke Gruppen. Wenn die politisch allein gelassen werden, kriegt man das nicht mehr eingeholt.“ Einen neuen Lockdown hält Bude für unmöglich: „Wir können uns nicht mehr in den Hammer retten, das ist vorbei. Insofern kann es gar keinen zweiten Lockdown geben: Dann wären wir verloren.“ Stattdessen kommt es nach Bude nun darauf an, positive Zukunftsperspektiven zu entwickeln: „Wir brauchen eine Solidarität mit der Zukunft, nicht nur eine Solidarität im Bekämpfen einer Krankheit. Diese Situation können wir nur hinkriegen, wenn sich der Staat nicht als Aufräumstaat oder Gängelungsstaat versteht, sondern als ein Staat, der Türen öffnet.“