Laschet will vorsichtige Öffnungsschritte

Hamburgs Bürgermeister warnt vor raschen Lockerungen

Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU) hat sich für kontrollierte Öffnungsschritte ohne Fokussierung auf Inzidenzwerte ausgesprochen. „Jetzt gilt: kontrollierte Sicherheit statt dauerhaftes Schließen“, sagte Laschet dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Die Pandemie erfordere eine besonders sorgfältige Abwägung. „Es gilt weiter das Gebot der Vorsicht.“ Es sei völlig klar, dass man auf die infektiologische Entwicklung schauen müsse, um das Virus zu bekämpfen, so Laschet. „Gerade die Mutationen sind eine neue Herausforderung“, so der CDU-Chef. Er sagte zugleich: „Die sozialen, wirtschaftlichen und psychischen Schäden dürfen uns aber nicht kalt lassen.“ Nötig sei nun eine ganze Breite an Schutzmechanismen, sagte Laschet. „Dann können wir auch zu vorsichtigen Öffnungen kommen, ohne nur auf die Inzidenzwerte zu schauen. Nicht einfach pauschale Kontaktreduzierung, sondern vorsichtige und gezielte Kontaktsteuerung sollten im Vordergrund stehen.“ Digitale Möglichkeiten müssten besser genutzt werden, nicht nur in den Gesundheitsämtern, sondern auch zur Verfolgung von Infektionsketten im Handel und in der Gastronomie.

Handwerksverband fordert Corona-Strategiewechsel

Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, fordert vor dem Bund-Länder-Treffen am Mittwoch einen Strategiewechsel. „Aus Sicht des Handwerks braucht es im Umgang mit der Corona-Pandemie einen Politikwechsel, der mit einer veränderten Perspektive einhergeht“, sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wir müssen weg von einem reaktivem und situativem Handeln, das bislang die Strategie von Bund und Ländern geprägt hat, und hin zu einem evidenzbasierten, planbaren und damit gestaltenden Vorgehen.“ Der Handwerkspräsident fordert dabei eine Öffnungsstrategie mit bundesweit einheitlichen Kriterien. „Dabei kann nicht allein der Inzidenzwert entscheidend für Öffnungsschritte sein, sondern es müssen weitere Kriterien wie etwa der R-Wert, die Intensivbetten-Belegung in Krankenhäusern, der Impffortschritt, die Verfügbarkeit von Schnell- und Selbsttests oder lokal begrenzte Infektionscluster berücksichtigt werden“, sagte Wollseifer. Auch müssten die Test-Kapazitäten ausgeweitet, weitere technische Möglichkeiten zur Infektionsnachverfolgung geschaffen und das Impfen beschleunigt werden. Es gehe um den Wohlstand und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sowie um die wirtschaftliche und soziale Existenz hunderttausender Betriebe, mahnte Wollseifer. „Das derzeitige Einfrieren großer Teile des wirtschaftlichen Lebens in Deutschland kann nur eine Ausnahmesituation sein – und kein Dauerzustand.“ Auch die Gesundheit der Betriebe sei wichtig. „Um eine Gesundung auch unserer Betriebe zu ermöglichen, muss Politik wirtschaftliches Leben wieder zulassen, wo immer das epidemiologisch verantwortbar und bei höchstmöglichem Gesundheitsschutz gewährleistet ist“, sagte der Handwerkspräsident.

Hamburgs Bürgermeister warnt vor raschen Lockerungen

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat vor einem raschen Lockdown-Ende gewarnt. „Wir würden die Krise eher verlängern, wenn wir jetzt zu viele Beschränkungen gleichzeitig aufheben“, sagte Tschentscher der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Man müsse eine starke dritte Welle verhindern, bevor die Impfungen ausreichend Schutz vor Corona bieten. Zwar gehe es in der Pandemiebekämpfung „in die Zielgerade“, und wenn die Impfquoten in den vulnerablen Personengruppen stiegen, gebe das mehr Sicherheit und erlaube dann auch größere Öffnungsschritte, sagte der SPD-Politiker, mahnte aber zugleich: „Die letzten Kilometer eines Marathons sind die schwersten, da dürfen wir jetzt nicht noch einmal stolpern.“ Sonne und steigende Temperaturen machten die Sache leichter, sagte Tschentscher mit Blick auf den erhofften saisonalen Anti-Corona-Effekt. „Aber noch ist die Lage kritisch. Nach einigen Wochen des Rückgangs steigen die Infektionszahlen jetzt bundesweit wieder.“ Das liege vermutlich auch an der Ausbreitung der ansteckenderen britischen Virusvariante. „Deswegen müssen wir weiterhin Menschenansammlungen vermeiden und konsequent Hygieneregeln und Abstände einhalten – auch im Freien.“ An der am 10. Februar festgelegten Öffnungsschwelle von 35 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen will aber auch Tschentscher nicht festhalten: „Aufgrund der aktuell eher wieder zunehmenden Infektionsdynamik erreichen wir diesen Wert in nächster Zeit sicher nicht. Wir müssen vorsichtig bleiben, haben uns aber vorgenommen, eine Öffnungsstrategie zu entwickeln, die Planungsperspektiven gibt und sicher ist“, sagte Hamburgs Regierungschef. „Die Öffnungsschritte können sich dabei nicht allein an einem Inzidenzwert orientieren. Jeder einzelne Schritt muss kontrolliert erfolgen, indem wir ihn zum Beispiel mit Schnell- oder Selbsttests verbinden.“ Das Instrument könne helfen, Ausbrüche zu verhindern, wenn etwa das Personal in Kitas und Schulen regelmäßig getestet werde. Tschentscher schloss einseitige Schritte Hamburgs zur Abschottung aus, sollte das Infektionsgeschehen in den Nachbarregionen wieder hochschnellen. „Nein, das geht nicht“, sagte er. Hamburg sei in der Metropolregion eng mit den Nachbarländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen verbunden. „Wir haben jeden Tag allein mehrere Hunderttausend Berufspendler. Deshalb müssen wir uns weiterhin gut abstimmen. Das sehen auch die Ministerpräsidenten Stephan Weil und Daniel Günther und die Landräte der an Hamburg angrenzenden Landkreise so.“ Hamburg werde bei Lockerungen auch in den kommenden Wochen „eher vorsichtig bleiben“, so der Erste Bürgermeister. „Die Pandemie ist in den Metropolen schwieriger zu kontrollieren und kann schneller eskalieren als in den Flächenländern.“ Die Verbreitung der britischen Variante sei in Hamburg vermutlich „schon höher als im Bundesschnitt“.

Auch Marburger Bund warnt vor übereilten Corona-Lockerungen

Vor den Bund-Länder-Beratungen zum weiteren Vorgehen in der Pandemie warnen Ärztevertreter vor übereilten Lockerungen der Corona-Auflagen. „Die Öffnungen sollten langsam und stufenweise erfolgen. Es ist wichtig, Folgewirkungen abzuwarten, bevor man den nächsten Schritt macht“, sagte die Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zur Begründung verwies Johna auf die Gefahr einer dritten Infektionswelle, die durch hochansteckende Varianten des Coronavirus ausgelöst werde. Dies betreffe nicht nur ältere Patienten, „auch jüngere, insbesondere Risikopatienten, sind gefährdet“. Solange die Impfkampagne schleppend vorankomme, seien „nach wie vor Millionen von Risikopatienten“ einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt. „Wir reden hier von einem Viertel der Bevölkerung“, verdeutliche Johna. Sollte die dritte Welle vergleichsweise ungebremst auf diese Menschen treffen, komme es zwangsläufig wieder zu einem Anstieg der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen. Johna plädierte dafür, Öffnungsschritte mit einer deutlichen Ausweitung der Test zu verbinden. „Jedem positiven Schnelltest sollte rasch auch ein PCR-Test folgen, um falsch-positive Ergebnisse auszuschließen und den für die Infektion verantwortlichen Virustyp festzustellen“, sagte die Vorsitzende. Sie mahnte, es gehe darum, die Zeit bis zur massenhaften Impfung aller Impfwilligen zu überbrücken. „Mit Vorsicht und sehr viel Disziplin bei der Befolgung der Hygienemaßnahmen könnte das gelingen“, sagte die Verbandschefin. +++