Länder wollen Pauschale von monatlich 1.000 Euro pro Asylbewerber

Sozialleistungen für ukrainische Flüchtlinge decken bei weitem nicht die Gesamtkosten

Vor dem Bund-Länder-Treffen zur Flüchtlingspolitik bestehen die Länder auf einer größeren finanziellen Beteiligung des Bundes: In einem Papier der Länderfinanzminister von Sonntagabend wenden sich die Länder unter anderem gegen das Argument der Bundesregierung, der Bundeshaushalt müsse Milliardendefizite schultern, während die Länder und Kommunen Überschüsse verzeichneten. Dies sei ein vorübergehendes Phänomen, das durch die Doppelkrise aus Pandemie und russischem Angriffskrieg verursacht worden sei, heißt es im Länderpapier, über das die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichten.

Beide Krisen beträfen Bereiche, die auf Grund ihres gesamtstaatlichen Charakters in besonderer Weise Auswirkungen auf die Ausgaben des Bundes hätten. „Mittelfristig werden auch die Haushalte der Länder und Kommunen betroffen sein, die stark durch Personalausgaben geprägt sind, bei denen sich beispielsweise Inflationseffekte erst zeitverzögert zeigen.“ Am E  nde der Finanzplanungsperiode sei deswegen wieder mit einer ausgeglichenen Lage zu rechnen. Mit Blick auf die bis Ende 2021 geltende monatliche Pro-Kopf-Pauschale für Asylbewerber verweisen die Länder auf inzwischen deutlich gestiegene Kosten: Die Pauschale von 670 Euro sei ursprünglich anhand von damals verfügbaren Kostensätzen aus der Statistik des Asylbewerberleistungsgesetzes berechnet worden. „Aus einer Aktualisierung auf der jüngsten Datengrundlage ergäbe sich ein Betrag von ca. 1.000 Euro je Flüchtling“, heißt es in dem Papier.

Auch in anderen Bereichen bemühen sich die Länderfinanzminister, die Argumentation der Bundesregierung zu entkräften, nach der der Bund den Ländern bereits großzügige Hilfen zukommen lässt: „Mit den Ukraine-Flüchtlingen kommt ein hoher Anteil an Kindern unter 16 Jahren nach Deutschland, die Kosten für die Kitas und Schulen liegen bei den Ländern und Kommunen“, heißt es etwa im Papier. Die mehrheitlich vom Bund getragenen Sozialleistungen für ukrainische Flüchtlinge deckten bei weitem nicht die Gesamtkosten. Zudem betonen die Länder, dass die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen zwar heute niedriger liege als im Jahr 2016; „sie hat aber ein neues hohes Niveau und eine außerordentliche Dynamik erreicht“. Im Jahr 2022 habe sich die Zahl gegenüber dem Vorjahr weit mehr als verdoppelt und den höchsten Stand seit 2018 wieder erreicht.

Saarland sieht Lindner im Flüchtlingsstreit in der Pflicht

Kurz vor dem Bund-Länder-Gipfel zu Fragen der Flüchtlingspolitik mach die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für die verhärteten Fronten zwischen Bund und Ländern verantwortlich. „In einer außergewöhnlichen Situation wie dieser kann der Bundesfinanzminister nicht zu allem einfach Nein sagen“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Keine Steuererhöhungen, keine Schulden, kein Geld.“ Rehlinger ergänzte: „Der Finanzminister hat die Aufgabe, wichtige Aufgaben von unwichtigen zu unterscheiden. Diese hier ist ganz klar wichtig.“ Am Mittwoch kommt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der Länder zusammen. Im Zentrum des Treffens soll die Frage stehen, wie die Kosten für Unterbringung und Integration von Geflüchteten künftig aufgeteilt werden. Die Länder dringen auf höhere Zahlungen des Bundes, was dieser bisher kategorisch  ablehnt. Rehlinger sagte dazu den Funke-Zeitungen: „Alle Zahlen zeigen, dass wir uns derzeit in einer außergewöhnlichen Sondersituation befinden durch Flüchtlinge aus der Ukraine. Das muss auch der Bund anerkennen und eine verlässliche, dauerhafte Finanzierung sicherstellen.“

FDP will Sachleistungen statt Geld für Asylbewerber

Kurz vor dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern am Mittwoch fordert die FDP die Ministerpräsidenten auf, Asylbewerbern Sachleistungen statt Geld zukommen zu lassen. Der „Bild“ sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr: „Wir dürfen nicht blauäugig sein: Geldleistungen können ein Pull-Faktor für Menschen sein, um in die sozialen Sicherungssysteme einzuwandern. Deswegen müssen wir über andere Möglichkeiten sprechen.“ Die Gesetze erlaubten in vielen Fällen Sachleistungen statt Geldzahlungen für den lebensnotwendigen Bedarf, sagte Dürr. „Die Ministerpräsidenten sollten verstärkt auf zielgerichtete Sachleistungen für Geflüchtete setzen. In den Niederlanden etwa ist das bereits Praxis.“ Konkret denkbar seien Sachleistungen wie Nahrung, Kleidung oder Hygieneartikel. Auch Wertgutscheine sind laut Asylbewerberleistungsgesetz möglich. Mit den Sachleistungen will Dürr die Länder und Kommunen von Kosten entlasten. „In vielen Bundesländern sind die Erstaufnahmeeinrichtungen voll, es fehlt häufig an Personal, das unbegleitete Jugendliche pädagogisch betreuen kann“, sagte Dürr zu „Bild“. Die SPD lehnt den Vorstoß ab. Zu „Bild“ sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese: „Wir müssen Dinge vereinfachen. Sachleistungen bedeuten einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und macht es für die Kommunen vielmehr komplizierter.“ Vielmehr müsse der Fokus „auf einer Vereinfachung der Abläufe und besseren Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen, insbesondere bei Rückführungen liegen“. +++