Länder wollen nach Maut-Verschiebung mehr Geld für Infrastruktur

Berlin. Nach der Aussetzung der Pkw-Maut nehmen Ministerpräsidenten und Verkehrsminister aus den Ländern den Bund in Pflicht, mehr Geld in die Infrastruktur zu investieren. Der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (SPD) sagte der „Welt am Sonntag“, der Bund solle „den Mitteleinsatz für die Infrastruktur auf das nun einmal notwendige Niveau erhöhen“. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nannte es völlig unstrittig, dass in die Infrastruktur investiert werden müsse.

Die Frage, woher die fehlenden Mittel kommen sollten, müsse die Bundesregierung beantworten. „Wir brauchen auf jeden Fall rasch Klarheit.“ Kramp-Karrenbauer forderte zugleich einen europaweiten Ansatz bei der Pkw-Maut. „Das Saarland ist als Grenzland besonders von der Maut betroffen. Deshalb hielten wir schon immer eine europäische Lösung für besser“, sagte die CDU-Politikerin. Sie empfahl allerdings, auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu warten. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Einführung der Pkw-Maut auf unbestimmte Zeit verschoben. Zuvor hatte die EU-Kommission offiziell bekannt gegeben, dass sie wegen europarechtlicher Bedenken juristisch gegen Deutschland vorgeht. Eigentlich wollte Dobrindt die Pkw-Maut im Laufe des kommenden Jahres starten. Niedersachsens Regierungschef Weil sagte, der Gegenwind aus Brüssel sei „absehbar“ gewesen – „und eine intensive Diskussion mit der EU-Kommission im Vorfeld wäre klüger gewesen“. Er äußerte zudem Zweifel an den vom Verkehrsministerium ursprünglich avisierten jährlichen 500 Millionen Euro Gewinn aus der Maut: „Über den Ertrag der geplanten Maut gehen die Meinungen sehr auseinander.“

Um die Finanzlücke bei der Infrastruktur zu schließen, sollte nach Meinung des nordrhein-westfälischen Verkehrsministers Michael Groschek (SPD) die Bodewig-Kommission erneut einberufen werden. Die Kommission solle mit dem Auftrag einberufen werden, bis zur Verkehrsministerkonferenz im Oktober ein Handlungskonzept vorzulegen, sagte Groschek der „Welt“. Das Gremium um den früheren Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) habe sich als Runder Tisch der Vernunft großen Respekt erworben. Die Kommission mit dem offiziellen Namen „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ hatte 2013 einen jährlichen Fehlbetrag von 7,2 Milliarden Euro pro Jahr für den Erhalt und Bau der Verkehrswege berechnet. Der NRW-Verkehrsminister berichtete nun, er habe Dobrindt angeschrieben und um Unterstützung für die Bodewig-Kommission II geworben. „Politische Grabenkämpfe nutzen niemandem. Wir brauchen eine größtmögliche Koalition zur konsensfähigen Finanzierung unserer Verkehrsinfrastruktur“, begründete er seinen Vorschlag. Es bringe auch nichts, sich mit Schuldzuweisungen aufzuhalten. Mehreinnahmen erhoffen sich die führenden Verkehrspolitiker der Republik nun zuvorderst von der Ausweitung der Lkw-Maut.

Der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Infrastrukturminister Christian Pegel (SPD) erklärte in der „Welt“: „Unser Augenmerk liegt nicht auf der Pkw-Maut. Die Bundesländer hoffen vor allem, dass die geplanten Zusatzeinnahmen aus der Lkw-Maut zügig und fristgerecht kommen.“ Pegel äußerte Verständnis für Dobrindts Entscheidung, die Mautpläne für Autos vorerst zurückzustellen. „Ich hätte die Pkw-Maut ebenso ausgesetzt“, sagte der Minister. Da die EU-Konformität Voraussetzung für die Zustimmung der meisten Länder für die Pkw-Maut gewesen sei, gehe er davon aus, dass das auch die Kollegen so sehen. Auch der bayerische Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte in der „Welt“, für die Finanzierung der Bundesfernstraßen seien in den nächsten drei Jahren vor allem die Mehreinnahmen aus der Lkw-Maut entscheidend. Er versicherte: „Die sind nicht in Frage gestellt.“ Herrmann verteidigte Dobrindts Mautpläne für Autos und äußerte die Hoffnung, eine Einigung ohne ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof zu finden. Die Bundesregierung habe ein schlüssiges Mautkonzept, erklärte Herrmann. „Jetzt wird man sehen, ob sie sich mit der EU-Kommission einigen kann. Die bisherigen Signale aus der Kommission deuten darauf hin, dass die Kommission Straßennutzungsgebühren grundsätzlich für richtig hält.“ Inwieweit das beim Europäischen Gerichtshof landen werde, „wird man sehen“. +++ fuldainfo

Sie können uns jederzeit Leserbriefe zukommen lassen. Diskutieren kann man auf X oder Facebook