Kein Freifahrtschein ins Sozialparadies

Berlin. Manchmal sind Richtersprüche klug, manchmal sogar weise. Das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg ist beides. Er hat klug entschieden, dass es keinen Freifahrtschein ins vermeintliche Sozialparadies Deutschland geben darf. Die harten Auflagen für den Bezug von Hartz IV durch EU-Ausländer fanden den Segen der Richter. Zugleich hat das Gericht weise geurteilt, indem es die deutschen Behörden zu genauer Prüfung im Einzelfall aufforderte. Der Luxemburger Richterspruch könnte ebenso segensreich zur Versachlichung einer hoch emotional geführten Debatte in Deutschland beitragen.

Es sei nur an die Schlagzeilen zur „Armutszuwanderung“ und zu „Sozialschmarotzern“ vor knapp einem Jahr erinnert. Im Vorfeld der Europawahlen machte die CSU ziemlich ungeniert Stimmung gegen „Bulgaren und Rumänen“, die nur nach Deutschland kämen, um hier Sozialleistungen abzukassieren. Rechtspopulisten und Rechtsextremisten sprangen auf diesen Zug auf. Es wurde suggeriert, Deutschland werde von einer Welle von armen Zuwanderern vom Balkan überschwemmt. Ohne die Probleme in mancher großen Stadt kleinzureden, war das grotesk überzogen. Den Christsozialen schließlich hat die Stimmungsmache bei der Eurowahl nicht geholfen, sondern eher den Deutsch-Alternativen, die ins Europaparlament einzogen. Dem harten Faktencheck hielten die kräftig geschürten Befürchtungen ohnehin nicht stand. Nach Deutschland im Zuge der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit eingereiste Rumänen und Bulgaren beziehen zwar im Durchschnitt häufiger Sozialleistungen als deutsche Staatsbürger, doch verglichen mit anderen Zuwanderern ist ihre Quote nicht besonders hoch.

Die Luxemburger Richter haben mit ihrem gestrigen Urteil nun insofern für Klarheit gesorgt, dass für den Bezug von Hartz IV in Deutschland wichtig ist, was der Zuwanderer oder die Zuwandererin aus einem EU-Land hier unternehmen. Wer sich nicht um Ausbildung und um einen Job kümmert, nur auf Leistungen vom Jobcenter aus ist, hat schlechte Karten. Wer dagegen auch nur eine schlecht bezahlte Arbeit annimmt, die nicht zum Lebensunterhalt reicht, hat das Recht auf einen staatlichen Zuschuss. Die sogenannte Aufstockung vom Jobcenter, wie sie deutsche Arbeitnehmer mit mickrigem Einkommen auch bekommen. Es gilt auch, wer in Deutschland arbeitet und in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, hat bei Jobverlust Anspruch auf Arbeitslosengeld, später auch auf Hartz-IV-Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Beim Kindergeld freilich sieht die Sache anders aus, darauf haben EU-Ausländer vom ersten Tag an einen Anspruch. Um den kriminellen Missbrauch unserer Sozialsysteme, den es natürlich auch gibt, zu verhindern, hat der Bundestag einige Maßnahmen beschlossen, die etwa Betrügereien beim Kindergeld verhindern sollen. Wer die Behörden täuscht und etwa in mehreren Städten gleichzeitig kassiert und von einem Jobcenter zum nächsten springt, dem wird die Wiedereinreise verwehrt. Von der Frage der EU-Zuwanderer klar zu trennen, ist dagegen das Pro-blem der Bürgerkriegsflüchtlinge, die aus dem Irak, Syrien und anderen Krisenherden zu uns kommen. Für sie gilt das Asylrecht. Wichtig für beide Gruppen ist, dass sie einerseits von der Gesellschaft integriert werden und dass sie sich andererseits auch wirklich einbringen wollen. +++ fuldainfo | reinhard zweigler – [popup url=“http://www.fuldainfo.de/html/quelle1.htm“ height=“600″ width=“540″ scrollbars=“no“ alt=“popup“]mz[/popup]