Justizministerin fordert mehr Augenmaß bei Corona-Auflagen

Weil kündigt neue Einschränkungen in Niedersachsen an

Coronavirus

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) fordert mehr Augenmaß bei Verboten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. „Bei allen Maßnahmen müssen wir stets darauf achten, dass sie gut begründet und für die Bürger nachvollziehbar sind“, sagte Lambrecht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Nur so können wir die hohe Zustimmung der Bevölkerung erhalten.“ Lambrecht unterstützt die Forderungen von Abgeordneten, die Parlamente künftig wieder stärker einzubeziehen.

Ein Großteil der Corona-Maßnahmen setzen die Bundesländer auf Basis von Verordnungen durch, die von den jeweiligen Regierungen und nicht vom Parlament beschlossen werden. „Zu Beginn der Pandemie war es erforderlich, sehr schnell und flexibel zu reagieren. Deshalb war es zu diesem Zeitpunkt in Ordnung, dass befristete Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung auf der Grundlage von Verordnungen ergriffen wurden“, sagte Lambrecht, die als Verfassungsministerin auch die Aufsicht über die Wahrung der verfassungsgemäßen Rechte der Bürger ausübt. „Aber wir müssen jetzt sehr sorgfältig prüfen, für welche Maßnahmen auf längere Sicht das Parlament genauere gesetzliche Vorgaben machen muss.“ Die Bundesjustizministerin nahm unterdessen auch Stellung zu der geplanten Urheberrechtsreform, die im vergangenen Jahr Tausende von Demonstranten auf die Straße gebracht hatte. Sie fürchten den Einsatz von flächendeckenden Uploadfiltern und damit einen Angriff auf die Meinungsfreiheit. „Diese Gefahr sehe ich nicht“, sagte Lambrecht. „Wir haben einen Vorschlag vorgelegt, mit dem sich Uploadfilter soweit wie irgend möglich vermeiden lassen – das war die Maxime.“ Das Wichtigste sei, dass Plattformen in die Verantwortung genommen würden. Künftig werden sie dazu verpflichtet, Lizenzen zu erwerben, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. „Das hilft allen Beteiligten: der Kreativwirtschaft und den Verwertern, denn dann können die Werke von den Nutzerinnen und Nutzern frei verwendet wer  den.“

Weil kündigt neue Einschränkungen in Niedersachsen an

Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) hat für die kommende Woche weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens in seinem Bundesland angekündigt. „Wir werden die Sperrstunde, wie alle anderen Ergebnisse der Berliner Konferenz, in Niedersachsen Punkt für Punkt umsetzen und im Zweifel auch in die nötigen Gerichtsverfahren gehen“, sagte Weil der „Welt“. „Aus meiner Sicht ist es jedenfalls eine hinreichend bestätigte Erfahrung, dass Alkohol zu später Stunde in geselligen Runden das Infektionsrisiko deutlich erhöht.“ Sperrstunden seien ein „wesentlich milderes Mittel“ als die Schließung von Restaurants und Lokalen. „Die wollen wir nicht. Und ich hoffe sehr, dass wir am Ende nicht genau zu diesen Schließungen gezwungen sind.“ Weil forderte die Bevölkerung auf, die Behörden bei der Durchsetzung der Corona-Regeln zu unterstützen. „Man sollte Personen ohne Maske ruhig mal ansprechen oder die Behörden auf kritische Zusammenkünfte hinweisen, denn wir haben es im Moment mit einer Situation zu tun, in der es um ziemlich viel geht“, so der Sozialdemokrat. Gerade mit Blick auf Partys von Jugendlichen oder größere Familientreffen, die nicht angemeldet werden müssen, „stoßen wir an Grenzen“. Danach gefragt, ob die Weihnachtsmärkte in diesem Jahr ausfallen würden, sagte Weil: „Dass die zahlreichen von der Coronakrise gebeutelten Veranstalter schon jetzt gerne Planungssicherheit hätten, ist sehr verständlich, aber nicht wirklich machbar. Grundsätzlich wollen wir Weihnachtsmärkte mit entsprechenden Hygienekonzepten ermöglichen.“ Er fügte hinzu, dass am Ende alles an den Infektionszahlen hänge, die man im Dezember haben werde – und damit an der Einsicht und der Umsicht der Bürger. Denn: „Auch die härtesten Maßnahmen werden verpuffen, wenn es in der Bevölkerung keine Bereitschaft gibt, die Kontakte auch von sich aus einzuschränken und sich umsichtig zu verhalten.“ Mit Blick auf die jüngste Bund-Länder-Konferenz zu Corona bekräftigte Weil seine Kritik an der Weitergabe von Informationen an Journalisten während der laufenden Gespräche: „Es muss möglich sein, in so einer Runde offen, klar und vertraulich miteinander zu reden. Wenn jedes Wort durchgestochen wird, funktioniert das nicht.“ Der SPD-Politiker zeigte sich verwundert über die Kritik, die das Kanzleramt im Nachgang an den Beschlüssen des Corona-Gipfels geäußert hatte. Der Beschlussvorschlag der Bundesregierung habe sich „nicht nennenswert“ von den dann gefassten Beschlüssen unterschieden. „Insofern ist die Kritik, die im Nachhinein geäußert wurde, für mich wenig nachvollziehbar.“ +++ nh/dts

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