Berlin. Der Erziehungswissenschaftler und Judaist Micha Brumlik hat vor „französischen Verhältnissen“ gewarnt, sollten sich die verantwortlichen Instanzen in Deutschland nicht stärker dem Antisemitismus zuwenden. „Wir müssen durch Dialog, aber auch mit Mitteln des Strafrechts Brandmauern errichten, damit die Funken dieser nahöstlichen Konflikte nicht auf die Bundesrepublik überspringen und wir am Ende Verhältnisse wie in Frankreich haben“, sagte er der „Frankfurter Rundschau“.
So sei es ein Fehler, dass die Berliner Staatsanwaltschaft Rufe wie „Jude, Jude, feiges Schwein komm heraus und kämpf allein“ nicht als Volksverhetzung, sondern lediglich als Beleidigung einstufe. Brumlik betonte: „Es ist eine ganz unheilige Allianz, die sich da zusammenfindet aus linksradikalen Antiimperialisten, durchaus nicht wenigen Anhängern der radikalen Rechten, der NPD, migrantischen Jugendlichen, salafistischen Gruppen und nicht zuletzt einem neuen national-neutralistischen Bündnis, der so genannten Querfront, die versucht, links und rechts zusammenzuführen, um gegen Israel, die USA und den Westen zu agitieren. Der Gaza-Krieg mit seinen im Fernsehen oft gezeigten zivilen Opfern unter den Palästinensern liefert denjenigen, die ohnehin antisemitisch gesonnen sind, jetzt einen Anlass, ihre antisemitischen Haltungen in Form von Israelfeindschaft auch offen zu zeigen.“
Unter Muslimen sei „der Frust über mangelnde Integration in Deutschland letzten Endes die Ursache“. Und da man sich mit seinem prekären Aufenthaltsstatus ja nicht offen gegen das Gastland stellen könne, müsse dafür der Nahost-Konflikt herhalten. „In Frankreich haben anders als hierzulande die Migranten keinen prekären Aufenthaltsstatus. Sie sind Franzosen. Aber auch sie sind sozial und beruflich nicht gut integriert.“ Brumlik widersprach jedenfalls dem Antisemitismusforscher Wolfgang Benz, der trotz jüngster Exzesse keinen wachsenden Antisemitismus ausmachen konnte. „Richtig ist, dass sich die Summe antisemitischer Haltungen insgesamt nicht erhöht hat“, sagte Brumlik der „Frankfurter Rundschau“. „Genauso richtig ist aber, dass der Krieg in Gaza Hemmschwellen hat sinken lassen, so, dass nun aus Haltungen Handlungen geworden sind. Dass sich das so brutal öffentlich Bahn bricht, ist nun doch neu und ein qualitativer Sprung.“
Hinterlasse jetzt einen Kommentar