Initiative Welcome In und Amnesty International forderten Bundestagskandidaten

„Einmischen für Menschenrechte, Position beziehen für Flüchtlingsrechte“

Fulda. Gestern Abend fand im Rahmen der diesjährigen Interkulturellen Woche (24.09.-bis 30.09.2017) im Welcome In Wohnzimmer eine Podiumsdiskussion mit den Bundestagskandidaten für die Bundestagswahl am 24. September zu dem Thema „Bundestagswahl 2017: Einmischen für Menschenrechte, Position beziehen für Flüchtlingsrechte“ statt. Der Einladung von Seiten der Initiative Welcome In und Amnesty International gefolgt waren neben dem langjährigen Bundestagsabgeordneten Michael Brand (CDU) MdB sowie der SPD-Bundestagsabgeordneten Birgit Kömpel MdB, Walter M. Rammler (Bündnis 90/Die Grünen), Nick Papak Amoozegar (DIE LINKE.OFFENE LISTE) sowie Sibylle von Brunn (FDP). Der Spitzenkandidat für die AfD, Bürgermeister der Gemeinde Neuhof (Kr. Fulda) a. D. Martin Hohmann, war auch nach mehrmaligem Versuch der Kontaktaufnahme von Seiten der Veranstalter der Veranstaltung ferngeblieben. Als Moderator fungierte Hermann Diel.

Im Vorfeld richtete der Projektkoordinator des Welcome In Wohnzimmers sowie Bereichsleiter der Öffentlichkeitsarbeit des Begegnungs- und Kulturzentrums Jochen Schiersch, der in seiner Begrüßung das Welcome In Wohnzimmer kurz vorstellte, ein paar Worte an die Anwesenden. Hier machte der Projektkoordinator unter anderem deutlich, warum es so wichtig ist am 24. September wählen zu gehen. In Anbetracht dessen, dass diejenigen Menschen, die 2016 sowie die letzten Monate zu uns nach Deutschland gekommen sind, nicht wahlberechtigt sind, adressierte er an die Bundestagsabgeordneten, Bundestagskandidaten sowie Anwesenden, dass deshalb wir mit unserer Wahlentscheidung über die Zukunft dieser Menschen entscheiden.

Bevor die Podiumsdiskussion zu den vier Themenblöcken „Menschenrechte und die Situation in der Türkei“, „EU-Außengrenzen“, „Subsidiärer Schutz und Familiennachzug“ sowie „Mittelmeerproblematik und die Situation in Afghanistan“ begann, bekamen alle Kandidaten vorerst die Gelegenheit, sich und ihr Wahlprogramm kurz vorzustellen sowie im Kontext der unmittelbar bevorstehenden Wahlen für sich zu werben. Kurz bevor Moderator Hermann Diel an die Bundestagskandidaten prägnante Fragen adressierte, wurde ihnen sowie dem Publikum, von Gründungsmitgliedern der Initiative Welcome In sowie Vertretern von Amnesty International die gegenwärtige politische Situation in den jeweiligen Ländern, um diese es bei der Fragestellung ging, stichpunkthaltig zusammengefasst.

Zu dem Thema Menschenrechte und gegenwärtige politische Situation in der Türkei, sprach sich Michael Brand MdB, der unter anderem Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe sowie seit 2017 Sprecher und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist, für einen Spagat zwischen gegenüber Präsident Erdoğan klare Kante zu zeigen und dem Vorgehen, die Gespräche mit der Türkei aufrechtzuerhalten.

Michael Brand MdB: „Ich bin für einen Spagat zwischen ‚klarer Kante‘ und dafür, die ‚Tür nicht zuzuschlagen‘. Klare Kante heißt aber auch, unangenehme Dinge durchzusetzen. Wichtig ist aber, den Gesprächsfaden nicht abreißen zulassen.“

Viele der am gestrigen Sonntagabend gegebenen Antworten wurden trotz klarer Fragestellung von Seiten des Moderators dennoch sehr schwammig beantwortet. So kam es schlussendlich, dass konkrete Lösungsansätze, wie man beispielsweise Fluchtursachen entgegenwirken könne oder welcher Auffassung man beim subsidiären Schutz und Familiennachzug sei, ausblieben. Klare Position wofür man – ob Einzelperson oder als Partei – prinzipiell stehe, bezog man den Fragen ausweichend willkürlich.

In Anlehnung an Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sprach sich Birgit Kömpel MdB für eine Abrüstungspolitik aus. Angesichts des immer noch bestehenden Flüchtlingsstroms, sagte sie, dass sie nicht grundsätzlich für offenen Grenzen sei, dennoch aber für legale Fluchtwege – diese beispielsweise mittels einem Punktesystem als solche eingestuft werden könnten. Darüber hinaus sprach sie sich für ein Einwanderungsgesetz aus, welches sich an unserem Arbeitsmarkt orientiert.

Walter Rammler sprach sich gestern Abend grundsätzlich dafür aus, Menschen, die nach Deutschland kommen, grundsätzlich nicht abzuweisen. In Anbetracht dessen, dass Flucht eine Ursache habe und berechtigt sei, muss man vielmehr aus dem vollen Schöpfen und Fluchtursachen bekämpfen. Darüber hinaus plädierte der Grünen-Politiker dafür, mit dem Abrüsten zu beginnen sowie Waffenexporte drastisch zurückzufahren.

Gedanklich bei vielen Themen mit Birgit Kömpel MdB auf einer Wellenlänge – beispielsweise beim Thema Einwanderungsgesetzt und Menschen mit reellen Fluchtgründen Asyl und auch den Familiennachzug zu gewähren – war FDP-Politikerin Sibylle von Brunn. Dennoch bedarf es ihrer Meinung bei vielen Themen – insbesondere auch bei dem Thema Wirtschaftsflüchtlinge – an mehr Aufklärungsarbeit.

Nick Papak Amoozegar sprach sich gestern Abend generell dafür aus, den Druck auf Erdoğan und die Türkei drastisch zu erhöhen sowie in der Flüchtlingsfrage Menschen, die politisch verfolgt sind, Schutz und Beistand zu gewähren. Hier betonte er am Sonntagabend durchweg, dass es „schließlich um Menschenleben“ gehe.

Abschließend plädierte CDU-Direktkandidat Michael Brand MdB dafür, dass es unser Ziel sein muss, Menschen darin zu unterstützen, dass sie sich in ihren Herkunftsländern wieder sicher fühlen. „Das heißt auch, dass wir uns in unseren Botschaften noch einmal mehr anstrengen müssen.“ Bezugnehmend der Zuwanderung sprach sich Michael Brand für Kontingente aus, auf die wir uns festlegen. Hier müsse man auch die Geschäfte der Schleuser unterbinden. Das alles unter dem Aspekt, dass Flüchtlingspolitik eine gesamteuropäische Aufgabe sei, die auch auf dieser Basis angepackt werden müsse. „Wir brauchen endlich gemeinsame Lösungen in der EU“, so Brand abschließend.

Im Rahmen der Veranstaltung war dem Publikum gewährt worden, während der Podiumsdiskussion an die Bundestagskandidaten Fragen zu adressieren, diese, im Nachgang an die jeweilige Fragerunde, auf dem Podest abgehandelt wurden. Viele jedoch nutzten diese Gelegenheit, sich zu politischen Kontroversen zu positionieren.

Im Nachgang an die Podiumsdiskussion stach eine Frage von einer Dame mit Migrationshintergrund – wohl aber in einwandfreiem deutsch formuliert – heraus. Sie lautete: „Was verstehen sie unter Integration und was ist für sie eine erfolgreiche Integration?“ Auch diese Frage, blieb – zumal viele der Gäste in Anbetracht dessen, dass der anvisierte zeitliche Rahmen von zwei Stunden erreicht worden war, das Wohnzimmer zu verlassen anfingen – unbeantwortet. +++ jessica auth