Immer mehr Energieanbieter gehen pleite

Treue zum regionalen Versorger hat sich bislang ausgezahlt

Der Energiemarkt in Deutschland ist überhitzt – und einige Versorger können nicht mehr mithalten. Im Jahr 2021 mussten insgesamt 39 Energielieferanten ihr Geschäft aufgegeben, schreibt „Business Insider“ unter Berufung auf die Bundesnetzagentur. Im Vergleich zu vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Pleiten damit nahezu verdoppelt: Zwischen 2016 und 2020 beendeten im Schnitt jedes Jahr 20 Energieversorger ihre Lieferungen. Der Grund ist ein enormer Anstieg der Großhandelspreise für Strom und Gas. Die Energieversorger müssen diese Kosten, die sich unter anderem aus der in der Corona-Pandemie stark gestiegenen Nachfrage ergeben, eigentlich an die Endkunden weitergeben, haben oft aber Preisgarantien gegeben.

Verbraucherschützer sind alarmiert: „Verbraucher werden derzeit mit einer überaus schwierigen Situation konfrontiert: Sie müssen nicht nur mit den sprunghaft steigenden Gas- und Strompreisen zurechtkommen, sondern stehen reihenweise vor der Frage, wie sie mit teilweise rückwirkenden Kündigungen oder der Information über die Einstellung der Belieferung umgehen sollen“, sagte Florian Munder, Referent für den Gasmarkt, Fernwärme und Energieverbraucherrechte beim Bundesverband Verbraucherzentrale (VZBV) „Business Insider“. Die gekündigten Kunden fallen zunächst auf die teure Grundversorgung zurück und müssen sich – zumeist zu exorbitant höheren Preisen – neue Anbieter suchen. Oft ist der neue Preis drei- oder viermal so hoch. Schnell geht es um vierstellige Beträge. Die entsprechende Unzufriedenheit zeige sich in der aktuell besonders hohen Anzahl an Verbraucher-Beschwerden zu diesem Thema, sagt Munder. Im November hätten sich die Beschwerden über eine Kündigung des Energieliefervertrags im Vergleich zum Vorjahresmonat verneunfacht. Die Anzahl an Beschwerden über eine Preiserhöhung sei sogar vierzehnmal so hoch wie im Vorjahresmonat gewesen. Und dabei schlummert in der Thematik noch viel mehr Konfliktpotenzial: Viele Vermieter zahlen einfach die höheren Preise und legen sie dann mit der Betriebskostenabrechnung auf die Mieter um – die erfahren davon dementsprechend erst in vielen Monaten davon. Weiterer Ärger ist also bereits vorprogrammiert.

Treue zum regionalen Versorger hat sich bislang ausgezahlt

fuldainfo.de hat bei der RhönEnergie Fulda nachgefragt, wie man dort mit der Situation umgeht. „Die Börsenstrompreise sind in den vergangenen Wochen exorbitant (über 300 Prozent innerhalb des letzten Jahres) gestiegen und steigen weiter. Inzwischen häufen sich die Insolvenzen/Marktaustritte alternativer Energie-Anbieter. Wir beobachten diese Entwicklung mit Sorge. Durch solche Lieferanten-Insolvenzen haben wir in den letzten Wochen bereits mehrere tausend Kunden in die Ersatzversorgung aufgenommen. Hierzu gehören auch ehemalige Kunden von Erdgas-Versorgern (z.B. gas.de) und von Discountanbietern (z.B. stromio). Wir als Grundversorger übernehmen damit auch Verantwortung für unsere Bestandskunden und garantieren die Belieferung neuer Kunden unkompliziert und unterbrechungsfrei – müssen dies aber aufgrund der Beschaffungssituation zu anderen Preisen tun. Die meisten anderen Grundversorger handeln ebenso, um ihre Bestandskunden nicht für das Marktgebaren der Discountanbieter leiden zu lassen. Für unsere Stammkunden haben sich die Strompreise zum 1. Januar 2022 nicht verändert. Die Treue zu ihrem regionalen Versorger hat sich für sie ausgezahlt“, heißt es in der Stellungnahme.

Lemke besorgt über angespannte Lage an Strommärkten

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat sich besorgt über die angespannte Lage an den Strommärkten geäußert. „Die kurzfristige Kündigung von Stromlieferverträgen durch Billiganbieter halte ich für besonders dramatisch“, sagte die für Verbraucherschutz zuständige Ministerin dem „Handelsblatt“. Nach den ihr vorliegenden Daten seien die Kündigungen teilweise rechtswidrig. Laut Lemke haben die Verbraucherzentralen „in Einzelfällen bereits einen Anbieter abgemahnt“. Kritisch sieht die Ministerin in diesem Zusammenhang auch die teuren Neukundentarife von örtlichen Grundversorgern. Wenn für die Kilowattstunde Strom jetzt 90 oder sogar 97 Cent verlangt werden, dann lasse sich das nicht mehr mit den gestiegenen Beschaffungskosten erklären. „Diese Aufschläge lassen sich meiner Meinung nach schwer mit Marktpreisen rechtfertigen“, so Lemke. „Hier sind eventuell auch die Gerichte gefragt.“ Mit Blick auf den angestrebten erhöhten Heizkost  enzuschuss für Geringverdiener schloss Lemke eine weitere Erhöhung nicht aus. „Wenn Menschen trotz der jetzt geplanten Hilfe in Bedrängnis geraten, dann wird die Koalition darauf reagieren“, sagte die Grünen-Politikerin. Offen zeigte sich die Ministerin für eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf Heizenergie. „Um Notsituationen zu vermeiden, werden wir alle Maßnahmen prüfen.“ Im Moment habe der schnelle Beschluss über den Heizkostenzuschuss Priorität. +++