Heil nennt Unionsforderung nach Obergrenze "Quatsch"

Hubertus Heil
Hubertus Heil (SPD)

In der Migrationspolitik sperrt sich die Bundesregierung nach Meinung von Bundesarbeitsminister Heil (SPD) nicht gegen einen Konsens mit CDU und CSU. Allerdings müsse die Union "die richtigen Dinge" fordern, sagte Heil dem Sender ntv. "Da sind Forderungen in der Union dabei gewesen, die sind außerhalb von Vernunft, zum Beispiel die Genfer Flüchtlingskonvention aufzulösen oder zu kündigen oder das politische Asylrecht zu streichen oder Obergrenzen. Das ist alles Quatsch und bringt nichts in der Debatte."

Jetzt gehe es um "ganz konkrete Geschichten" - da gebe es nationale Maßnahmen. "Stationäre Kontrollen machen wir, wir gucken, dass wir bei der Rückführung mit den Ländern besser werden. Aber die eigentliche Antwort ist eine europäische. An der arbeiten wir. Und dabei kann uns die Union, die in Europa übrigens auch ein paar Schwesterparteien hat in Regierungen, durchaus gern unterstützen." Der EU-Asyl-Kompromiss, der derzeit verhandelt wird, biete "ein historisches Fenster für ein gemeinsames europäisches System", sagte Heil. "Wir haben jetzt die Chance, noch vor der Europawahl eine Lösung hinzubekommen." Der Minister weiter: "Es geht darum, dass wir wissen, wer nach Europa kommt und dass wir in Europa auch dafür sorgen, dass vernünftiger verteilt wird. Das ist nicht leicht, das hat jahrelang nicht geklappt. Jetzt ist es mit Händen zu greifen. Ich halte das für den vernünftigeren Weg, als mit Einzelforderungen so zu tun, als hätte man das Problem schon gleich im Griff." Heil sprach sich dafür aus, dass Asylbewerber in Deutschland je nach Aufenthaltsstatus schneller als bisher Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Dabei sollten pragmatische Lösungen genutzt werden: "Was nicht geht, ist, dass die einen beklagen, die arbeiten nicht und auf der anderen Seite ist es ihnen verboten. Das ist nicht vernünftig. Da bin ich für pragmatische Lösungen." Dass auf europäischer Ebene Bewegung in die Flüchtlingsdebatte gekommen sei, sei das Verdienst v  on Bundeskanzler Scholz (SPD) und Innenministerin Faeser (SPD). Faeser steht am Sonntag als Herausforderin von CDU-Ministerpräsident Rhein in Hessen zur Wahl. Umfragen zufolge könnte Rhein sein Amt bei der Landtagswahl verteidigen. Bei einer Niederlage bleibe Faeser Innenministerin in Berlin, so Heil: "Entweder gewinnt sie und sie wird Ministerpräsidentin von Hessen. Dann brauchen wir tatsächlich eine neue Bundesinnenministerin. Oder sie gewinnt nicht, dann bleibt sie Bundesinnenministerin. Punkt."

Migrationsexperte für schnellere Rückführungen in sichere Staaten

Um die hohe Zahl von Flüchtlingen in der EU zu reduzieren, fordert der Migrationsexperte Gerald Knaus Verhandlungen mit sicheren Drittstaaten und schnellere Rückführungen in diese Länder. "Wenn wir ohne Gewalt und im Einklang mit der Menschenrechtskonvention erreichen wollen, dass weniger Menschen in Boote auf dem Mittelmeer steigen, geht das nur durch schnelle Rückführungen in sichere Staaten", sagte Knaus der "Rheinischen Post". Der erste Schritt müssten demnach Verhandlungen mit den Herkunftsstaaten oder sicheren Drittstaaten sein: "In diesen Staaten müssten glaubwürdige Verfahren durch den UNHCR stattfinden. Das gibt es bereits heute in Ruanda, wo der UNHCR seit vier Jahren Verfahren für Menschen durchführt, die aus Libyen dorthin gebracht werden", sagte der Leiter der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative. Diesen Staaten müssten Angebote gemacht werden, die für sie attraktiv seien. "Das können mehr Mobilität und erleichterte EU-Visa für die Bürger dieser Länder sein, erleichterte Zugänge zum Arbeitsmarkt in EU-Staaten, die Arbeitskräfte suchen, die reguläre Aufnahme von Flüchtlingen und finanzielle Unterstützung", so der Sozialwissenschaftler. "Im Gegenzug sollten Rückführungen in diese Länder organisiert werden, die dazu führen, dass sich weniger Menschen auf den Weg nach Libyen oder Tunesien machen, um dort in Boote zu steigen", sagte Knaus. Es gebe "einige Länder", denen man derartige Angebote machen könne, damit diese ein Interesse haben, ab einem Stichtag für "einige tausend Menschen" sicher zu werden. "Kritiker sagen zu Recht, dass es derzeit keinen sicheren Drittstaat in Afrika gibt. Und erklären dann, dies ließe sich auch nicht ändern, und bis dahin müssten eben alle Schutzsuchenden nach Deutschland oder Frankreich kommen. Das ist absurd defätistisch", kritisierte Knaus. +++


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