Habeck: Energie-Konflikt mit Russland ist Armdrücken

RWE-Chef für schnelle Reaktivierung von Kohlekraftwerken

Robert Habeck (Grüne)

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den Energie-Konflikt mit Moskau als Armdrücken bezeichnet. „Es ist so, dass es eine Art Armdrücken ist, wobei Putin erst einmal den längeren Arm hatte. Aber das heißt nicht, dass wir nicht durch Kraftanstrengung den stärkeren Arm bekommen können“, sagte Habeck in der ZDF-Sendung „heute journal“. Es sei „eine angespannte, ernste Lage“ denn es herrsche eine „große Abhängigkeit“ vom Gas.

Eine Verlängerung der Atomkraft sei aktuell keine gute Alternative zur Kohle, denn die nötigen Brennelemente zur Verlängerung der Meiler wären erst Mitte/Ende nächsten Jahres verfügbar gewesen. Er weiß nicht, ob ein Schritt Richtung Atomkraft ein größerer Tabubruch wäre, als sein heutiger Schritt die Kohlekraftwerke wieder ans Netz zu nehmen. „Ich versuche, mich von dem Parteiprogramm jetzt fernzuhalten und das zu tun, was für die Versorgungssicherheit in Deutschland am notwendigsten getan werden muss. Und die Atomkraft wäre zu spät gekommen.“ Insgesamt wolle er aber „schnell aussteigen aus der Verbrennung von fossilen Energien und die Erneuerbaren mit großer Geschwindigkeit aufbauen.“ Eine Notfallsituation im Winter hält er noch für „Spekulation“. Dass wir für die Jahreszeit „ganz gute Speicherstände“ haben, sei das Resultat von politischen Handlungen. Man müsse zur Kenntnis nehmen, „dass Putin scheibchenweise die Gaszufuhr nach Europa reduziert, auch um den Preis hochzutreiben. Und wir müssen mit unseren Maßnahmen darauf antworten.“ Ob neben Appellen auch Anordnungen und Verbote nötig werden, „werden wir sehen“, so Habeck. Entscheidend sei, „dass die Gasspeicher zum Winter hin gefüllt sind, und zwar bei 90 Prozent liegen, wie es das Gesetz vorschreibt.“ Die nötigen 90 Prozent könne man durch Einkäufe, aber auch durch Sparsamkeit erreichen. Die Füllstände reichen für etwa zweieinhalb Monate, gemessen an den Verbräuchen der letzten Jahre – aber nur, solange kein Gas geliefert würde. Doch es gebe  weiterhin Gaslieferungen. Sie „arbeiten fieberhaft daran, weitere Möglichkeiten zu bekommen“. Doch er wolle auch nicht drumherum reden: „Es ist eine angespannte, ernste Lage“.

RWE-Chef für schnelle Reaktivierung von Kohlekraftwerken

RWE-Chef Markus Krebber spricht sich für eine zeitweise Reaktivierung von Kohlekraftwerken aus, um knappes und teures Erdgas zu sparen. „Im Stromsektor sollten so schnell wie möglich zusätzlich aktivierbare Kohlekraftwerke statt Gaskraftwerken laufen“, sagte Krebber der „Süddeutschen Zeitung“. Es bestehe nun überall der Anreiz, den Gasverbrauch zu reduzieren. „Das gilt in der Industrie und bei den Haushalten“, so Krebber. „Überall, wo man auf andere Energieträger umstellen kann, sollte das erfolgen.“ Die jüngste Drosselung von Gaslieferungen aus Russland betrachtet der Manager mit Sorge. „Die Lage spitzt sich derzeit weiter zu“, so Krebber. Erstmals würden Abnehmer russischen Gases in der Breite nicht mehr vollständig beliefert. „Auch wir bekommen deutlich weniger als die vereinbarten Mengen“, sagte der RWE-Chef. Der Konzern, der Gas- und Kohlekraftwerke in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden betreibt, müsse den Brennstoff nun „zu deutlich höheren und weiter steigenden Preisen kaufen“, um Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Krebber erwartet, dass Strom und Gas infolge des Angriffs Russlands auf die Ukraine noch jahrelang teuer bleiben dürften. „Es wird vermutlich drei bis fünf Jahre dauern“, so der Manager. „Denn es braucht Zeit, bis neue Kapazitäten geschaffen sind und andere Staaten zusätzliche Energie liefern können.“ Ein Weiterbetrieb der letzten Atomkraftwerke in Deutschland über Ende 2022 hinaus schließt Krebber aus. „Die Entscheidung hätte deutlich früher getroffen werden müssen“, so der RWE-Chef. „Jetzt halte ich die Debatte nicht mehr für sinnvoll.“ Die Hürden wären sehr hoch und der Beitrag zur Gaseinsparung gering. RWE betreibt noch ein letztes Kernkraftwerk in Lingen im Emsland. Den Kohleausstieg in Deutschland auf 2030 vorzuziehen, hält Krebber für machbar unter der Bedingung, dass Netze, erneuerbare Energien und sogenannte Back-up-Kraftwerke für Phasen mit wenig Wind und Sonne schneller ausgebaut werden. Der Manager hält gleichwohl daran fest, dass RWE den alten Ort Lützerath im Rheinland im kommenden Jahr abbaggern will, um den Braunkohle-Tagebau Garzweiler II zu erweitern. „Der planmäßige Tagebaufortschritt ist wichtig, vor allem, wenn wir uns auf Szenarien vorbereiten, in denen Gas gespart werden soll.“

Mittelstand kritisiert Habeck-Pläne zum Senken des Gasverbrauchs

Der Mittelstandsverband BVMW kritisiert die Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Senken des Gasverbrauchs. Man fürchte, „bei der Energieversorgung zwischen den warmen Wohnzimmern von Privatverbrauchern und dem Rohstoffbedarf der Großindustrie den Kürzeren zu ziehen“, sagte BVMW-Geschäftsführer Markus Jerger dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Habecks Planungen, Gas über Auktionen zu verteilen, seien für den Mittelstand „keine wirklich beruhigenden Aussichten“, kritisierte Jerger. „Die kleinen und mittleren Unternehmen werden beim Bieten mit der zahlungskräftigen Großindustrie nicht mithalten können.“ Die Bundesregierung müsse aufpassen – „noch eine Versorgungskrise nach Corona und den Höchstpreisen für Energie, und im Mittelstand gehen langsam die Lichter aus“. +++