Grüne und SPD-Linke stellen Schuldenbremse wieder zur Disposition

Widerstand bei SPD und Grünen gegen 100-Milliarden-Militärpaket

Politiker der Grünen und der SPD-Linken stellen vor dem Hintergrund des von Kanzler Olaf Scholz angekündigten 100-Milliarden-Euro-Pakets für die Bundeswehr die Schuldenbremse offen infrage. „Angesichts der aktuellen Notlage kann gerade niemand seriös vorhersagen, ob die Schuldenbremse nächstes Jahr eingehalten werden kann“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge dem „Handelsblatt“. Die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus wird noch deutlicher: „Bundeskanzler Scholz hat zurecht von einer Zeitenwende gesprochen.

Vor diesem Hintergrund gehört alles auf den Prüfstand – auch ein paar alte Glaubensätze der Finanzpolitik, wie die Schuldenbremse“, sagte Paus dem „Handelsblatt“. Der linke SPD-Flügel fordert ebenfalls eine Abkehr von der Schuldenbremse, um die geplanten Investitionen zu finanzieren. „Die Schuldenbremse muss weg“, sagte der Co-Vorsitzende des Forums Demokratische Linke in der SPD (DL21), Sebastian Roloff, derselben Zeitung  . Es zeige sich doch an allen Stellen, dass sie „nicht zeitgemäß“ sei. „Wir standen schon vor Putins Krieg vor vielen Herausforderungen, für die es dringend Investitionen braucht“, betonte der Bundestagsabgeordnete. „Wenn in Zukunft Verteidigungspolitik noch teurer wird, geht das nicht über Einsparungen bei sozialen Vorhaben, im Gesundheitssystem oder bei Maßnahmen zur ökologischen und digitalen Transformation und auch nicht über die Einrichtung irgendwelcher Sondervermögen am Haushalt vorbei.“

Widerstand bei SPD und Grünen gegen 100-Milliarden-Militärpaket

Innerhalb der Ampel-Koalition regt sich Widerstand gegen das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr. Das berichtet die „Welt“ in ihrer Mittwochausgabe. Frank Bsirske, immerhin arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, spricht sich klar gegen höhere Militärausgaben aus. Der deutsche Rüstungsetat sei seit 2015 bereits um mehr als ein Drittel angestiegen. „Wenn 50 Milliarden Euro an Rüstungsausgaben zu mehr nicht reichen, muss man zuallererst fragen, was da falsch läuft, nicht aber noch zusätzlich Geld hinterherwerfen“, sagte der frühere Verdi-Vorsitzende der „Welt“. „Über höhere Investitionen für die Bundeswehr können wir reden, aber die Truppe einfach nur mit mehr Geld zuzuschütten, löst die Probleme dort nicht“, sagte der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff. „Außerdem darf eine Mittelaufstockung nicht zulasten anderer Projekte gehen.“ Der SPD-Parteilinke Ralf Stegner meint: „Es ist Konsens in der Fraktion, dass die Bundeswehr so ausgestattet werden muss, dass sie ihren Auftrag erfüllen kann. Aus meiner Sicht ist es auch in Ordnung, die Mittel für die Streitkräfte aufzustocken“, so der langjährige Chef der SPD in Schleswig-Holstein. „Dennoch dürfen wir nicht nur auf den Faktor Bundeswehr setzen. Wenn wir nur noch über das Militärische reden, hat Putin gewonnen.“ Bei den Grünen sind die Vorbehalte gegenüber höheren Ausgaben für die Bundeswehr besonders groß.

Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, sagte, die Mittel aus dem 100-Milliarden-Euro-Topf dürften nicht nur für Verteidigung zur Verfügung gestellt werden. „100 Milliarden Euro nur für die Bundeswehr können wir innerhalb eines Jahres aber nicht sinnvoll ausgeben“, so die Friedens- und Konfliktforscherin. „Für das geplante Sondervermögen wäre ein ganzheitlicher Sicherheitsbegriff sinnvoll, der neben Verteidigung auch Energie- und Ernährungssicherheit sowie eine stärkere Resilienz der bislang mittelmäßig geschützten kritischen Infrastruktur vor Cyberangriffen und Sabotageaktionen beinhaltet.“ Nanni hielte es darüber hinaus auch für eine wichtige Investition als Reaktion auf Russlands Invasion, dass steigende Gaspreise durch die EU-Sanktionen „nicht von der Bevölkerung ausgebadet“ werden müssen. Für diese Punkte gebe es in ihrer Fraktion eine große Offenheit. „Wir müssen in den Koalitionsfraktionen darüber beraten, wie das Sondervermögen genau ausgestaltet wird und die Ausgaben parlamentarisch kontrollieren, um Transparenz zu gewährleisten“, sagte Nanni weiter. Bei den Liberalen heißt es: „Mehr Geld allein für die Bundeswehr ist zu kurz gegriffen“, so der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae. „Wir müssen außerdem die Aufgaben der Truppe neu definieren und die Strukturen anpassen.“ +++

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