Grüne im EU-Parlament schließen Wahl von der Leyens nicht aus

Söder fürchtet "Totalschaden" bei Nichtwahl von der Leyen

Ursula von der Leyen (CDU)

Die Grünen im EU-Parlament schließen eine Zustimmung für Ursula von der Leyen (CDU) als neue EU-Kommissionspräsidentin nicht aus, knüpfen sie aber an klare Zusagen für eine Stärkung des Parlaments. „Frau von der Leyen muss erklären, wie sie die Schwächung des Europaparlaments korrigieren will, die durch die Ratsentscheidung zustande gekommen ist“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dies sei „der entscheidende Punkt“, sagte Giegold.

„Eine grüne Zustimmung zu einer Kandidatin des Rates wie Frau von der Leyen ist überhaupt nur denkbar, wenn das EU-Parlament jetzt massiv gestärkt wird.“ Konkret nannte der Grünen-Politiker die Vereinbarung über ein vernünftiges Wahlrecht, welches für die Europawahl transnationale Listen einführe und das Spitzenkandidaten-Prinzip rechtssicher festschreibe. „Frau von der Leyen kann das nicht allein liefern. Sie braucht dafür den Rat, den sie jetzt für ein e Zusage einschalten muss“, fügte Giegold hinzu. Ohne eine solche Stärkung des EU-Parlaments käme eine Abkehr von den Spitzenkandidaten der Aufgabe der Selbstachtung gleich. „Ohne transnationale Listen samt Spitzenkandidaten sehe ich keine Parlamentsmehrheit für sie und eine Mehrheit unter grüner Beteiligung schon gar nicht“, so Giegold. „Erst wenn die demokratischen Fragen geklärt sind, stellen sich alle weiteren Fragen wie Inhalte und Posten.“ Dabei gehe es den Grünen um konsequenten Klimaschutz, Agrarwende, sozialen Zusammenhalt und Bürgerrechte. Außerdem müsse sich Frau von der Leyen vor der Abstimmung einer öffentlichen Anhörung stellen. „Kein Mensch weiß, wofür sie in der Europapolitik steht. Nicht nur die Fraktionen, auch die Bürger haben ein Recht darauf, das zu erfahren.“

Söder fürchtet „Totalschaden“ bei Nichtwahl von der Leyens

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat davor gewarnt, Ursula von der Leyen (CDU) im Europäischen Parlament die Mehrheit für die Kommissionspräsidentschaft zu verwehren. „Wenn das scheitert, haben wir einen europäischen Totalschaden“, sagte Söder dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Wir müssen verhindern, dass es zu einer monatelangen europäischen Krise und Blockade der Institutionen kommt. Die Welt lächelt bereits jetzt über uns.“ Söder sagte, er erwarte von der SPD, dass sie der Personalie zustimme. „Ich kann der SPD nur raten, nicht gleich den nächsten schweren Fehler zu begehen.“ Es habe immer die Regel gegeben, dass man innerhalb einer Koalition zwar unterschiedlicher Meinung sein könne, nach außen aber mit einer Stimme spreche. „Wer parteiliches Klein-Klein über alles stellt, schwächt Deutschland in der Welt“, sagte er. „Das Verhalten der SPD ist kein Ruhmesblatt für Deutschland.“ Söder riet der SPD, „sich n icht jeden Tag den Kurs aus der zweiten Reihe diktieren zu lassen. Wir erleben in der SPD im Moment wieder nur Selbstbespiegelung.“ Von früh bis spät würden nur Gründe gesucht, die das Regierungshandeln erschweren oder verhindern. „Man muss zeigen, dass man Lust auf Politik hat, und nicht immer nur jammern“, sagte er dem RND. Für die Europapolitik mahnte Söder als Konsequenz der vergangenen Wochen Reformen an. „Das Spitzenkandidaten-Modell ist der richtige Ansatz. Es hat zu einer steigenden Wahlbeteiligung geführt“, so Söder. „Ich halte es für sinnvoll, langfristig über neue Verfahren zu sprechen.“ Söder kritisierte das Verhalten des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. „Mich hat sehr gestört, wie er über Manfred Weber gesprochen hat“, sagte der CSU-Chef. „Ihm vorzuwerfen, dass er kein Französisch spricht, ist in einem modernen Europa unpassend. Ein Kommissionspräsident muss kein Dolmetscher sein, sondern jemand, der zusammenführt.“

Europäische Sozialdemokraten halten sich Wahl von der Leyens offen

Die europäischen Sozialdemokraten halten sich die Möglichkeit offen, Ursula von der Leyen (CDU) zur EU-Kommissionspräsidentin zu wählen. Zwar sei es nicht gerade ein gutes Empfehlungsschreiben, dass ihre Nominierung von den Visegrád-Staaten unterstützt werde, sagte die spanische Fraktionsvorsitzende Iratxe Garcia der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Man werde die Person aber nicht beurteilen, bevor man ihr zugehört habe. Von der Leyen will sich der Fraktion am Mittwoch vorstellen. „Wir werden dann ja sehen, wie viel ihr daran liegt, die Werte der Europäischen Union zu bewahren und den Wandlungsprozess anzuführen, den die Europäische Union braucht“, sagte Garcia weiter. Die Spanierin distanzierte sich damit von der deutschen SPD und ihren Abgeordneten im Europäischen Parlament. Deren Delegationsleiter Jens Geier hatte sich gleich nach Leyens Nominierung durch die Staats- und Regierungschefs festgelegt: „Die Europa-SPD wird diesem Vorschlag auf keinen Fall zustimmen.“ Andere SPD-Abgeordnete, etwa die frühere Justizministerin Katarina Barley, erklärten, dass sie gegen von der Leyen stimmen werden. Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner rechnet mit einer einhelligen Ablehnung der Kandidatin: „Das ist die Linie, ich nehme derzeit auch niemanden wahr, der das anders sieht“, sagte er der FAS. Die SPD stellt mit 16 Abgeordneten allerdings nur noch die drittgrößte Gruppe in der Fraktion, nach den Italienern und Spaniern. Diese Abgeordneten fühlen sich stärker durch das Personalpaket gebunden. Der italienische Sozialdemokrat David-Maria Sassoli wurde bereits zum Parlamentspräsidenten gewählt; der spanische Sozialist Josep Borrell ist als EU-Außenbeauftragter vorgesehen. Bei den christlichen Demokraten von der EVP herrscht deshalb die Erwartung, dass die Mehrheit der Sozialdemokraten von der Leyen bei der für den 16. Juli angesetzten geheimen Abstimmung wählen wird, schreibt die FAS. Vermutet wird, dass nur die deutschen und österreichischen Abgeordneten einheitlich gegen sie stimmen. Von den 152 Abgeordneten könnten 120 bis 130 für die deutsche Kandidatin stimmen, berichtet die FAS unter Berufung auf interne Schätzungen der EVP. Dort würden die Aussichten auf eine Mehrheit im Parlament so zusammengefasst: „Das wird kein Spaziergang, aber die Chancen stehen gut.“ +++