Gestiegene Infektionszahlen sorgen für Unruhe in GroKo

Paul-Ehrlich-Institut rechnet bald mit Corona-Impfstoffen

Die gestiegenen Infektionszahlen der vergangenen Tage sorgen für Unruhe in der Großen Koalition. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans wirft Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) demnach Versäumnisse vor, etwa beim Umgang mit Reiserückkehrern. Die „vollmundige Selbstvermarktung“ des Ministers könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass an vielen Stellen Testkapazitäten fehlten oder dass Rückkehrer aus Nichtrisikogebieten zwar zu kostenlosen Tests eingeladen, dann aber ungetestet nach Hause geschickt würden, sagte Walter-Borjans der Zeitung.

Zudem ließen Testergebnisse so lange auf sich warten, dass Betroffene „gegen ihren Willen zum Infektionsrisiko“ würden. „Zum erfolgreichen Umgang mit der Pandemie gehört nicht nur der Auftritt vor der Kamera, sondern auch das Klein-Klein der Umsetzung“, so der SPD-Chef. „Das ist aber ganz offenbar nicht Sache des Bundesgesundheitsministers.“ Spahn hatte zuletzt gesagt, noch könnten das Gesundheitswesen und der öffentliche Gesundheitsdienst mit den gestiegenen Infektionszahlen umgehen. Am Sonntag meldete das Robert-Koch-Institut 555 Neuinfektionen mit dem Coronavirus, allerdings übermitteln nicht alle Gesundheitsämter am Wochenende ihre Zahlen. An den Vortagen waren es noch jeweils mehr als tausend Neuinfektionen gewesen. Weil in einigen Bundesländern die Schule wieder beginnt, kehren derzeit viele Reisende zurück nach Deutschland – auch aus Ländern mit hohen Infektionsraten. Gleichzeitig führt das heiße Wetter zu vollen Stränden und Badeseen. Walter-Borjans zeigte Verständnis dafür, dass viele Bürger „urlaubsreif“ seien. Er sagte aber auch, „die Pflicht zur Vorsicht“ bleibe trotzdem. Für viele sei „alles unbedenklich, was nicht strikt verboten ist“. Die Politik müsse deshalb die Test- und Maskenpflicht sichern „und gegebenenfalls mit spürbaren Sanktionen durchsetzen“. Der SPD-Chef warnte vor einem zweiten „wirtschaftlichen Lockdown“. Dies  er würde auch die wirtschaftsstarke Bundesrepublik an die Grenze der Belastbarkeit und möglicherweise darüber hinaus bringen.

Schwedischer Staats-Epidemiologe hält Masken für überbewertet

Der schwedische Staats-Epidemiologe Anders Tegnell hält wenig von der in Deutschland diskutierten Maskenpflicht an Schulen. „Das Resultat, das man durch die Masken erzeugen konnte, ist erstaunlich schwach, obwohl so viele Menschen sie weltweit tragen“, sagte Tegnell der „Bild“. Länder wie Spanien oder Belgien hätten ihre Bevölkerung Masken tragen lassen – trotzdem seien die Infektionszahlen hochgegangen. Tegnell, der maßgebliche Verantwortung für den schwedischen Sonderweg zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hat, warnte: „Zu glauben, dass Masken unser Problem lösen können, ist jedenfalls sehr gefährlich.“ Nach seiner Überzeugung haben Schulschließungen keinen nennenswerten Beitrag zur Eindämmung von Corona geleistet. „Unsere finnischen Kollegen entschieden sich wie Deutschland für eine Schließung von Schulen, wir ließen sie dagegen geöffnet. Anhand der Daten, die uns vorliegen, können wir nicht sagen, dass das irgendeinen Unterschie  d für die Pandemie als solche gemacht hat.“ Man sei in Schweden „sehr glücklich“ darüber, dass die Kinder weiter hätten zur Schule gehen können.

Paul-Ehrlich-Institut rechnet bald mit Corona-Impfstoffen

Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Professor Klaus Cichutek, ist zuversichtlich, dass schon bald mehrere Impfstoffe gegen das neue Coronavirus zur Verfügung stehen. „Ich gehe derzeit davon aus, dass es Ende 2020 und Anfang nächsten Jahres Zulassungen geben wird, vorausgesetzt, die Phase-III-Prüfungsdaten sind positiv“, sagte Cichutek dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Montagausgaben). Diese Zulassungen würden dann voraussichtlich mit der Auflage verbunden, weitere Daten nachzuliefern. Positiv sei insbesondere, „dass unterschiedliche Impfstoffkandidaten eine Immunantwort beim Menschen gegen das Sars-Coronavirus 2 hervorrufen“, sagte Cichutek. Zudem sei dies mit Dosierungen gelungen, „die sich als verträglich erweisen“. Zuletzt hatten britische und chinesische Wissenschaftler Daten aus ersten Studien veröffentlicht, die eine Immunreaktion belegen, wie sie auch nach einer überstandenen Infektion zu beobachten ist. Zugleich dämpfte Cichutek jed  och Hoffnungen, die geltenden Abstands- und Hygieneregeln gegen das Virus würden nach Zulassung der ersten Impfstoffe sofort überflüssig. „Dass größere Teile der Bevölkerung durchgeimpft und dann auch geschützt sind und wir tatsächlich von den Public-Health-Maßnahmen absehen können, da würde ich eher sagen: Hoffentlich schaffen wir das im nächsten Jahr“, sagte der Präsident des PEI. Das Paul-Ehrlich-Institut ist das deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Es ist unter anderem zuständig für die Zulassung und staatliche Chargenfreigabe von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln.

Virologe warnt vor weiteren Covid-19-Ausbrüchen

Der Virologe Michael Ramharter vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg hat vor weiteren Covid-19-Ausbrüchen gewarnt. Er halte deshalb Corona-Tests für alle Reiserückkehrer für sinnvoll, sagte Ramharter, der beim Hamburger Institut die Abteilung Klinische Forschung leitet, dem „Tagesspiegel“. „Wenn die Ressourcen vorhanden sind, sollte möglichst breit getestet werden.“ Die Tests für Menschen, die nicht aus einem Risikogebiet zurückkehren, sollten jedoch freiwillig bleiben, fügte der Virologe hinzu. Zuletzt hatte die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Deutschland weiter zugelegt. Auf den Intensivstationen der Krankenhäuser ist davon aber bisher noch nicht viel zu spüren. +++