Flüchtlingskrise: IW-Chef sieht „kleines Konjunkturprogramm“

Berlin. Die hohen Flüchtlingszahlen stützen nach Einschätzung führender Ökonomen die deutsche Konjunktur: „Kurzfristig wirkt der starke Flüchtlingszuzug wie ein kleines Konjunkturprogramm“, sagte der Chef des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, der „Rheinischen Post“. „Denn der Staat pumpt jetzt viele Milliarden für die Versorgung der Flüchtlinge in die Wirtschaft“, sagte Hüther. „Diese Ausgaben versickern nicht im Ausland, sondern schaffen im Inland neues Geschäft und neue Arbeitsplätze“, sagte der Chef des arbeitgebernahen Instituts.

Auch Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater sagte der Zeitung, wegen der milliardenschweren Mehrausgaben für Flüchtlinge seien „einige wenige Zehntelpunkte zusätzliches Wachstum“ für die Jahre 2015 und 2016 zu erwarten. Ob die Zuwanderung langfristig ein wirtschaftlicher Erfolg werde, hänge davon ab, ob möglichst viele junge Flüchtlinge in Arbeit kämen, sagten die Ökonomen. Der unerwartete Konjunkturimpuls durch die Flüchtlingskrise wirkt den Ökonomen zufolge negativen Effekten aus dem Ausland entgegen. Vor allem das schwächere Wachstum in China und anderen Schwellenländern bremse die exportabhängige deutsche Industrie. Das sehen auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute so, die in Berlin ihr Herbstgutachten vorlegen: Nach ihrer Prognose wächst die deutsche Wirtschaft 2015 und 2016 um jeweils 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Göring-Eckardt: Altmaier muss „Sofortprogramm für Integration“ auflegen

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat vom neuen Chef-Koordinator der Flüchtlingspolitik, Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), ein „Sofortprogramm für Integration“ gefordert. „Von Peter Altmaier erwarte ich, dass er jetzt schnell ein Sofortprogramm für Integration vorlegt“, sagte Göring-Eckardt der „Rheinischen Post“. Das Programm solle ein modernes Einwanderungsgesetz, ein Wohnungsprogramm, eine Bildungsoffensive und einen „Deutschlandfonds für Integration“ enthalten, forderte die Grünen-Politikerin. In diesen Fonds sollten Unternehmen und der Staat zu gleichen Teilen einzahlen, um Sprachkurse sowie Aus- und Weiterbildungen für Flüchtlinge zu finanzieren.

Kommunen sollen Holzhäuser für den Winter erhalten

Zur Unterbringung von Flüchtlingen im kommenden Winter sollen die Kommunen Holzhäuser erhalten. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds (DStGB), Gerd Landsberg, kündigte in der „Welt“ hierfür ein „kurzfristiges Bauprogramm“ an. „Wir wollen einfache Holzhäuser bauen, die winterfest sind. Diese Gebäude werden in Modulbauweise errichtet und können Platz für 100 oder mehr Menschen bieten“, sagte Landsberg. Die Baupläne sollen laut Landsberg so einfach sein, „dass das jede mittelständische Schreinerei in ein bis zwei Monaten hinkriegt“. Der Kommunen-Spitzenvertreter erklärte: „In wenigen Wochen sollen die ersten Holzhäuser stehen.“ Landsberg warnte: „Wenn der Flüchtlingsstrom in diesem Umfang weiter anhält, sind wir überfordert.“ Der Markt der Wohncontainer sei praktisch leergefegt, die Lieferzeit betrage schon zehn Monate oder länger. „Auch die öffentlichen Gebäude, etwa Turnhallen, werden langsam knapp.“ Er forderte, mittelfristig den sozialen Wohnungsbau zu reaktivieren: „Pro Jahr werden in Deutschland derzeit 265.000 Wohnungen gebaut, gebraucht werden aber 400.000. Das zeigt, von welchen Herausforderungen wir sprechen.“

Bayern droht Österreich

Angesichts des großen Zuzugs von Flüchtlingen erwägt Bayern drastische Maßnahmen: „Sollte unser Nachbarland Österreich weiterhin das europäische Recht missachten, muss auch Deutschland prüfen, ob es Flüchtlinge nicht unmittelbar an der österreichischen Grenze zurückweist. Denn in Österreich waren die Flüchtlinge bereits sicher“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Er geht davon aus, dass sich derzeit „Tausende“ im Land befänden, „von denen wir keine Ahnung haben“. So höre er immer wieder von Flüchtlingen, „die über Nacht einfach verschwinden, weil sie sich auf eigene Faust auf den Weg durch Deutschland“ machten. Dabei müsse jedem klar sein: „Solange ein Flüchtling keinen Asylantrag gestellt hat, hält er sich illegal in Deutschland auf. Er darf nicht einfach zum Bahnhof in Straubing gehen und von dort aus etwa nach Berlin fahren. Wir dürfen hier keinen Flüchtlingstourismus dulden.“ Vorrangig sieht der Minister dem Bericht zufolge jedoch Italien und Griechenland in der Pflicht. „Wir werden den Zuzug nur in den Griff bekommen, wenn die Außengrenzen des Schengen-Raums endlich wieder gesichert werden, also vor allem in Griechenland und Italien.“ Die beiden Länder müssten dabei „massiv von durch die EU-Organisation Frontex unterstützt werden“. Man müsse endlich wieder „rechtmäßige Zustände in der EU“ herstellen. „Es ist absolut inakzeptabel, dass sich Tausende Menschen völlig unkontrolliert durch den Schengen-Raum bewegen. Zumal wir nicht davon ausgehen können, dass sich darunter nur Menschen mit friedlichen Absichten befinden.“ Herrmann sieht längst Gefahren für die innere Sicherheit. Zwar gebe es „zum Glück“ keine Hinweise auf geplante Terroranschläge. „Das kann aber nicht bedeuten, dass wir alles unkontrolliert laufen lassen. Zumal sich das herumspricht. Es widerspräche jeder Lebenserfahrung, wenn Kriminelle diese Lücke nicht ausnutzten, um nach Deutschland einzureisen und gegebenenfalls schnell wieder auszureisen.“ +++ fuldainfo

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