FDP-Chef kritisiert neue Corona-Maßnahmen

Kanzleramt hält Verlängerung bis in den März für möglich

Christian Lindner (FDP)

FDP-Chef Christian Lindner hat die neuen Corona-Maßnahmen, die von Bund und Ländern am Mittwoch beschlossen wurden, mit deutlichen Worten kritisiert. „Vieles von dem, was jetzt verlängert oder verschärft wird, ist kaum wirksam und daher nicht notwendig“, sagte Lindner dem Nachrichtenportal T-Online. „Und was wirklich helfen würde, wie der besondere Schutz der Risikogruppen, bleibt unterbelichtet.“ Mit der jetzigen Krisenstrategie sehe er nicht, wie man vor dem Frühling des kommenden Jahres das Land wieder hochfahren könnte.

Zudem kritisiert Lindner den bayerischen Ministerpräsidenten: „Markus Söder hat mit Blick auf die täglichen Todeszahlen gesagt, jeden Tag stürze ein Flugzeug ab. Ich halte dieses Sprachbild für in vieler Hinsicht problematisch.“ Aus den Zahlen müsse man aber die richtigen Konsequenzen ziehen. Der FDP-Chef spricht sich für eine Vereinfachung der staatlichen Ausgleichszahlungen an Betriebe in der Pandemie aus: „Jetzt kommen wir in d  en Dezember, wo alle Maßnahmen verlängert werden, aber die Novemberhilfen wurden teilweise noch gar nicht bezahlt.“ Deshalb sollte für die Dezemberhilfen gar kein zweiter, neuer Antrag gestellt werden müssen, so der Liberale. „Unbürokratisch sollte Betroffenen einfach die doppelte Novemberhilfe ausgezahlt werden.“ Überall dort, wo Schutzmaßnahmen wirksam möglich seien, sollten Behörden die Öffnung genehmigen können. „Vielleicht kann nicht jede Bar öffnen, aber der Italiener um die Ecke schon.“

Kanzleramt hält Verlängerung bis in den März für möglich

Am Morgen nach der neuen Bund-Länder-Konferenz zur Coronakrise hat Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) die Deutschen auf weitere Monate mit Kontaktbeschränkungen eingestimmt. Diese seien bis März möglich, sagte Braun am Donnerstag in der RTL-Sendung „Guten Morgen Deutschland“. „Vor uns liegen schwierige Wintermonate. Das geht bis März. Nach dem März bin ich sehr optimistisch, weil wir dann wahrscheinlich immer mehr Menschen impfen können und es andererseits mit dem Frühling einfacher wird, die Infektionszahlen niedrig zu halten. Aber diese Zurückhaltung, die wir alle an den Tag legen müssen, das wird uns auch den Januar, Februar und März begleiten und gegebenenfalls auch Beschränkungsmaßnahmen, wenn unser individuelles Verhalten nicht ausreicht.“ Braun bekräftigte zugleich, dass Hotels und Restaurants über Weihnachten geschlossen bleiben sollen. Auch für Verwandtenbesuche werde es keine Ausnahmen geben. „Wenn man sich an Weihnachten treffen will, muss man in der Woche vor Weihnachten seine Kontakte maximal reduzieren, (…) damit man dann ein ganz geringes Ansteckungsrisiko hat und die Älteren in der Familie treffen kann. Wir haben überlegt, ob man die Hotels im Rahmen des Verwandtenbesuchs öffnen kann, damit das nicht auf der Couch zu Hause stattfindet. Aber wir sind zu der Überzeugung gekommen: Das kann man nicht kontrollieren. Und touristische Reisen dürfen auf keinen Fall stattfinden.“ Hotels und Restaurants seien jetzt zunächst bis 20.12. für gewöhnlichen Kundenverkehr geschlossen, so Braun: „Aber wir gehen davon aus, dass wir das bis in den Januar hinein verlängern müssen.“ Unterdessen hat das Robert-Koch-Institut (RKI) am frühen Donnerstagmorgen 22.268 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das waren 1,5 Prozent oder rund 300 Fälle weniger als am Donnerstagmorgen vor einer Woche. Seit mittlerweile etwa drei Wochen bewegen sich die Zahlen mit kleinen Schwankungen auf in etwa gleichem Niveau. Weil das Kanzleramt derzeit einen Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen je Woche und 100.000 Einwohner als Messlatte für eine Lockerung vorgegeben hat, müssten die Werte um etwa Zweidrittel zurückgehen.

Weltärztepräsident: Lockerungen vor Weihnachten „problematisch“

Der Präsident des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hält die Fortsetzung der Corona-Beschränkungen bis kurz vor Weihnachten für richtig und fordert die Bürger auf, von den anschließenden Lockerungen nur sparsamen Gebrauch zu machen. „Ich halte die Maßnahmen im Grundsatz für richtig“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Sie sind eine Chance, endlich von den hohen Infektionszahlen runter zu kommen.“ Weihnachten sei „problematisch“, so der Mediziner. „Aus medizinisch-epidemiologischer Sicht müsste man die Einschränkungen eigentlich aufrecht erhalten, und zwar bis die Infektionszahlen unter dem Wert von 50 pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen liegen. Aber wir müssen natürlich auch die sozialen Folgen der Einschränkungen sehen.“ Deshalb werde man ein leichtes Ansteigen der Zahlen danach in Kauf nehmen müssen. „Es geht nicht anders.“ Er hoffe, „dass die Menschen gelernt haben, die Lockerungen etwas mod  erater zu gestalten und nicht Superspreading-Events am Brandenburger Tor abzuhalten“. Das sei nicht der „Freibrief zum Feiern“. Verhielten sich die Bürger hingegen gedanken- und rücksichtslos, werde es wieder größere Probleme geben. Der Weltärztepräsident rechnet damit, dass die Corona-Pandemie noch länger anhält und zu Einschränkungen zwingen wird. „Mit den Impfungen wird sich einiges entspannen und vieles besser werden – aber nicht so schnell“, sagte er. Man müsse sich da einfach nur die Zahlen ansehen. „Bis man die Bevölkerung durchgeimpft hat, werden zwischen einem und drei Jahren vergehen.“ Außerdem gebe es 40 Prozent Impfverweigerer. „Die Impfungen werden uns wahnsinnig helfen und weiterbringen. Aber sie sind nicht die automatische Lösung für alles.“ Man werde vielmehr noch lange mit dem Virus und seinen Folgen leben müssen, so der Weltärztepräsident. +++