EU-Kommissionpräsidentin verteidigt steigende deutsche EU-Beiträge

EU-Kommissionpräsidentin

Ursula von der Leyen (CDU)

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die deutlich steigenden Beitragspflichten Deutschlands zum EU-Haushalt verteidigt. Die Beiträge machten sich „doppelt und dreifach für Deutschland bezahlt“, sagte von der Leyen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wenn es ein Land gibt, das genau weiß, wie viel Nutzen es aus dem Binnenmarkt zieht, dann ist es Deutschland.“ Die große Mehrzahl der deutschen Exporte gehe in den Binnenmarkt, dort seien auch wichtige Lieferketten verankert. „Die außergewöhnliche Stärke Deutschlands ist bewundernswert – aber sie basiert auch auf einem funktionierenden europäischen Binnenmarkt“, sagte von der Leyen. Das gelte umso mehr, wie Risiken auf den Weltmärkten zunähmen. Die Kommissionspräsidentin verwies zudem darauf, dass kein EU-Staat allein die globalen Herausforderungen angehen könne. „Aber als EU/27 haben wir die Macht, mit der wir unsere europäischen Werte und unsere Interessen verteidigen

können.“ Die Beitragszahlungen Deutschlands für den jährlichen EU-Haushalt werden sich nach Schätzungen der Bundesregierung ab 2021 um rund zehn auf dann etwa 40 Milliarden Euro erhöhen. Der EU-Gipfel hatte sich am Dienstag auf den Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 verständigt, der Grundlage für die jährlichen Haushalte ist. Von der Leyen wandte sich zugleich gegen Befürchtungen, die geplanten neuen EU-Abgaben könnten zu neuen Lasten für die Verbraucher führen, etwa die für 2021 beschlossene Plastikabgabe oder die Ausweitung des Emissionshandels auf Flugzeuge. „Wir zielen mit den Plänen ausdrücklich nicht auf Verbraucher“, so die Kommissionspräsidentin. Es gehe ausschließlich um neue Einkommensquellen, die gemeinsam europäische Ziele unterstützten: Etwa den Klimawandel zu bekämpfen. „Wir machen jetzt auch in unseren Breiten die Erfahrung von Dürren im Sommer, Überschwemmungen, extremen Wetterbedingungen – das ist alles nur der Anfang. Die Kosten, nicht zu reagieren, sind für alle viel höher als jetzt zu kämpfen“, sagte von der Leyen. Deshalb wolle die Kommission zum Beispiel den Emissionshandel ausweiten, um Druck auf die Wirtschaft auszuüben, aus schmutzigen fossilen Brennstoffen auszusteigen. „Oder wir wollen mit einer Carbon Border Tax europäische Unternehmen schützen, die mit sauberer Technologie vielleicht etwas teurer produzieren als Konkurrenten im nichteuropäischen Ausland mit schmutziger und dadurch häufig billigerer Produktion.“ Dies sei für den Erfolg des Green Deal „lebenswichtig“ und die Einnahmen dienten der Rückzahlung des Krisenpakets. Von der Leyen stellte auch klar, dass die Kommission „spätestens“ im kommenden Jahr einen Vorschlag für eine europäische Digitalsteuer vorlegen werde. „Natürlich hätten wir eine Lösung der OECD bevorzugt“, sagte von der Leyen. Aber man habe bis jetzt vergeblich gewartet. „Nun hat die Kommission den sehr klaren Auftrag des Gipfels, einen Vorschlag spätestens 2021 zu liefern. Das gehen wir jetzt an“, so die CDU-Politikerin.

Hartes erstes Jahr als EU-Kommissionspräsidentin

Ursula von der Leyen blickt auf eine anstrengende Zeit zurück. „Das erste Jahr war wirklich hart“, sagte von der Leyen den Zeitungen weiter. „Erst die Verzögerungen zu Beginn, dann haben wir in den ersten hundert Tagen unter Hochdruck den europäischen Green Deal und die Digital-Agenda geliefert und dachten, danach würde es ein bisschen ruhiger“, sagte die Präsidentin, die am 16. Juli 2019 vom EU-Parlament als erste Frau in das Spitzenamt gewählt worden war. „Stattdessen schlug die Coronakrise zu, seitdem arbeiten wir sieben Tage die Woche im Krisenmodus.“ Auf die Frage, ob sie das Amt auch übernommen hätte, wenn sie gewusst hätte, was sie erwartet, versicherte von der Leyen aber: „Ein klares Ja. Ich bin eine geborene und leidenschaftliche Europäerin.“ Die Europäische Union sei etwas Großartiges. „Wenn ich nicht schon glühende Anhängerin der EU gewesen wäre, wäre ich es in diesem Amt geworden.“

Von der Leyen dringt auf schnelle Umsetzung des Corona-Finanzpakets

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drängt auf eine schnelle Umsetzung des billionenschweren Corona-Finanzpakets, das der EU-Sondergipfel am Dienstag beschlossen hat. „Ich möchte den Bürgern den Beweis liefern, dass Europa aus dieser Krise stärker herauskommt als vorher“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wir sollten uns nun darauf konzentrieren, das Programm zügig umzusetzen.“ Jetzt müsse man zeigen, dass man liefert. Nach ihren Angaben werden in der EU inzwischen fast sechs Billionen Euro als Reaktion auf die Coronakrise mobilisiert: Die Mitgliedstaaten und die EU-Institutionen hätten schon alles in allem vier Billionen Euro bereitgestellt, jetzt kämen die 1,8 Billionen Euro aus dem vom Rat beschlossenen Finanzpaket hinzu. „Das ist zusammen mehr als 30 Prozent des jährlichen Bruttosozialprodukts der EU“, sagte die Präsidentin. Niemand wisse derzeit mit Sicherheit, was in der Coronakrise noch auf uns zukomme. Der EU-Gipfel habe aber den richtigen Schritt gemacht, um Europas Antwort auf die außergewöhnliche wirtschaftliche Krise zu geben. Der Aufbaufonds solle dabei nicht nur Schaden abwenden, sondern auch den Kontinent modernisieren. Die Kommissionspräsidentin äußerte aber die Erwartung, dass das EU-Parlament noch Änderungen an dem 1,8-Billionen-Paket durchsetzt. „Am Ende werden wir ein Ergebnis haben, das nicht dem entspricht, das wir jetzt auf dem Tisch liegen haben“, sagte sie. „Die Verhandlungen starten jetzt zwischen Parlament und Rat unter Führung der deutschen Präsidentschaft.“ Die Kommissionspräsidentin zeigte sich gelassen wegen der Rolle, die eine Gruppe von „sparsamen“ Staaten erstmals auf einem solchen Gipfel gespielt hatte. „Meine Erfahrung ist, dass sich Allianzen mit der Zeit verändern“, meinte sie. „Wir werden auch in der EU immer wieder die eine oder andere Gruppenbildung sehen – mit wechselnden jeweiligen Interessen.“ Solange solche Verhandlungstaktik mit Lösungswillen kombiniert sei, „kann ich damit leben“. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte nach dem Gipfel angekündigt, die Gruppe der „sparsamen“ Staaten wolle auf EU-Ebene auch künftig eng kooperieren. +++

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