DIW rechnet mit Rezession

Steuererhöhungen nach Pandemie-Ende unabdingbar

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft durch eine Verlängerung des Lockdowns erneut in die Rezession rutscht. „Ich erwarte, dass wir nicht nur im vierten Quartal 2020, sondern auch im ersten Quartal 2021 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung erleben werden – also technisch betrachtet sind wir damit wieder in einer Rezession“, sagte Fratzscher dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Nach seinen Angaben hat das DIW deshalb seine Wachstumsprognose für das Gesamtjahr 2021 deutlich zurückgenommen, von 5,3 auf nunmehr 3,5 Prozent. Eine Phase der Rezession gab es bereits Mitte 2020, als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hintereinander im ersten und im zweiten Quartal schrumpfte. Fratzscher warnte zugleich vor zahlreichen Unternehmenspleiten und einer damit verbundenen Gefährdung von Banken. „Es besteht ein enormes Risiko einer Welle von Unternehmensinsolvenzen“, sagte der DIW-Chef. „Dabei ist nicht die Frage, ob sie kommt, sondern nur noch, wann sie anrollt und wie stark sie sein wird“. Zur Begründung sagte er, erstens sei die Antragsfrist für Insolvenzen bis Ende 2020 verlängert worden, zweitens gebe es massive staatliche Hilfen. „Beides verhindert derzeit Pleiten auch von Unternehmen, die gar nicht mehr allein überlebensfähig sind“, argumentierte er. Diese „Zombieunternehmen“ brächen irgendwann zusammen. Das führe auch zu Kreditausfällen, was dann manche Bank in Schieflage bringen könnte.

DIW hält Steuererhöhungen nach Pandemie-Ende für unabdingbar

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält Steuererhöhungen für unabdingbar, um in den kommenden Jahren die Pandemieschulden zu bewältigen und gleichzeitig in Klimaschutz und die Digitalisierung investieren zu können. „Es ist unehrlich von Manchen in der Politik zu behaupten, man könne wie nach der Finanzkrise einfach wieder aus den Schulden herauswachsen“, sagte Fratzscher dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Dienstagausgaben). In den kommenden zehn Jahren werde anders als nach der Finanzkrise 2008/2009 durch den demografischen Wandel die Beschäftigung deutlich sinken. Gleichzeitig müssten Milliardensummen in die Digitalisierung und den Klimaschutz investiert werden. „Dieser Spagat wird nicht ohne Steuererhöhungen gelingen“, sagte der DIW-Chef. Fratzscher forderte eine Entlastung von Arbeitseinkommen und höhere Steuern auf Vermögen. „Es gibt kaum ein Land auf der Welt, das Arbeitseinkommen so stark und Vermögen so gering besteuert wie Deutschland“, beklagte er. Frankreich, die USA oder Großbritannien hätten etwa vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung als Einnahmen durch vermögensbezogene Steuern, in Deutschland seien es unter einem Prozent. Der DIW-Chef sprach sich allerdings gegen die von der SPD geforderte Wiedereinführung der Vermögensteuer aus: „Ich teile die Ansicht, dass der Aufwand für deren Erhebung erheblich ist und die Steuer zu ungewollten Ausweichreaktionen führen kann“, sagte er. Fratzscher plädierte statt dessen für eine stärkere Besteuerung von Grund und Boden und eine „faire Erbschaftsteuer mit niedrigeren Sätzen, aber weniger Ausnahmen.“ Im Gegenzug müssten kleinere und mittlere Arbeitseinkommen entlastet werden. „Auch die Unternehmen benötigen eine Entlastung, schließlich stehen sie im internationalen Wettbewerb“, forderte der DIW-Chef. +++

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