Coronavirus: Staatsrechtler sehen Arbeit des Bundestags nicht gefährdet

Oppermann für Einschränkungen im Parlamentsbetrieb

Trotz eines ersten bestätigten Corona-Falls im Bundestag sehen Staatsrechtler die Arbeit des Bundestages nicht gefährdet. Der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza begründete dies zum einen damit, dass sich nur ein geringer Teil der Parlamentsarbeit im Plenum abspiele: „Und zweitens könnten das Präsidium und die Fraktionen sich zur Not darauf verständigen, dass das Plenum nur in sehr kleiner Runde zusammentritt“, sagte Pestalozza dem „Handelsblatt“. Das Grundgesetz schreibe nicht vor, ab wie vielen Sitzungsteilnehmern das Plenum beschlussfähig sei.

Auch der Speyrer Staatsrechtler Joachim Wieland wies darauf hin, dass der Bundestag fast alle seiner Beschlüsse mit einer kleinen Anzahl anwesender Abgeordneter treffen und so das Infektionsrisiko verringern könne. Das setze jedoch voraus, dass sich „Regierung und Opposition einig sind, dass die Mehrheitsverhältnisse auch bei einer geringen Besetzung des Plenums widergespie gelt werden“, sagte Wieland der Zeitung. „Das Parlamentsrecht lässt also durchaus Raum für eine sinnvolle Parlamentsarbeit in Zeiten einer Epidemie, die allerdings ein verantwortungsvolles Zusammenwirken aller Beteiligten voraussetzt, die bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Bundestages nicht selbstverständlich ist“, so der Staatsrechtler weiter. Er hob ausdrücklich hervor, dass der Bundestag auch in der Corona-Krise keinen externen Weisungen unterworfen sei. Mit einer Pandemie müsse das Parlament „in eigener Verantwortung umgehen“. Das bedeute, dass der Bundestag selbst darüber entscheide, ob seine Sitzungen trotz Infektionsgefahr stattfinden oder verschoben werden. Zudem gebe es keine speziellen rechtlichen Vorkehrungen für eine solche Ausnahmesituation. „Einen Notfallplan im Sinne entsprechender rechtlicher Regelungen gibt es nur für den Verteidigungsfall, in dem ein Gemeinsamer Ausschuss an die Stelle von Bundestag und Bundesrat treten kann“, sagte Wieland dem Blatt.

Oppermann für Einschränkungen im Parlamentsbetrieb

Im Zeichen der Corona-Krise schlägt Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) Einschränkungen für die Arbeit des Parlaments vor. Grundsätzlich sollten die Bundestagsabgeordneten weiter zu Sitzungen zusammenkommen, weil dies ein wichtiges Signal an die Bürger aussende, sagte Oppermann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Ich plädiere dafür, den Sitzungsbetrieb in geordneter, aber reduzierter Form fortzusetzen. Denn wenn der Bundestag zu Hause bleibt, dann bleiben am Ende alle zu Hause, und das können wir uns nicht wünschen“, so der SPD-Politiker weiter. Jedoch sollte der Bundestag auf Empfehlungen von Virologen reagieren. „Wenn die Reduzierung physischer Kontakte das Gebot der Stunde ist, sollte zum Beispiel auf namentliche Abstimmungen, bei denen es regelmäßig zu Rudel-Bildungen kommt und die Abgeordneten auf Tuchfühlung gehen, verzichtet werden“, so der Bundestagsvizepräsident. An diesem Freitag geht die aktuelle Sitzungs woche mit Anwesenheit der Abgeordneten im Plenum zu Ende. In der kommenden Woche finden keine Sitzungen statt. Die nächste reguläre Sitzungswoche findet vom 23. bis 27. März statt. Danach kommt der Bundestag erst nach Ostern am 20. April wieder zusammen. Im Bundestag sitzen 709 Abgeordnete. Oppermann erwartet, dass infolge der Corona-Krise das Parlament verstärkt auf Video- und Telefonkonferenzen setzen wird. „Die Corona-Krise wird sicher einen Schub für die Digitalisierung im allgemeinen und die überfällige telemediale Vernetzung des Bundestages mit sich bringen“, so der Bundestagsvizepräsident. Zugleich warnte er davor, dass bei der Bekämpfung des Coronavirus das öffentliche Leben zum Erliegen kommen könnte: „Wir müssen einen Weg finden, die Ausbreitung von Corona mit allen Kräften zu verlangsamen, ohne sämtliche vitalen Funktionen des Landes lahmzulegen“, sagte Oppermann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zur Corona-Vorbeugung sind seit Dienstag im Bundestag bereits die Reichstagskuppel und die Dachterrasse für Besucher geschlossen. Die begehbare Kuppel nach einem Entwurf des Architekten Sir Norman Foster gilt als Touristenattraktion. Sie wird nach Angaben des Bundestags jährlich von mehr als zwei Millionen Menschen besucht. +++

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