Caritas für die Diözese Fulda vollzog Richtfest für neue Doppeleinrichtung

Unter einem Dach vereint

In der St.-Vinzenz-Straße in Fulda-Neuenberg entsteht seit Herbst 2018 von Seiten des Caritasverbandes für die Diözese Fulda ein Gebäudekomplex, der Platz bieten soll für zwei neuartige, innovative Caritas-Einrichtungen. Auf dem Grundstück angrenzend an die Caritas-Werkstatt für Menschen mit Behinderung entsteht ein spezialisiertes Pflegeheim für Menschen mit Behinderung mit 32 stationären Plätzen sowie eine Tagesförderförderstätte für 20 Menschen mit erworbener Hirnschädigung, die künftig dort ambulant betreut werden. Die Tagesförderstätte, eine Einrichtung der Behindertenhilfe, stellt ein Angebot für eine völlig neue Zielgruppe dar: Personen, die beispielsweise in Folge von Unfällen oder durch einen Schlaganfall ihre Behinderung erworben haben. Das Pflegeheim fungiert zwar als eine Einrichtung der Caritas-Altenhilfe, erstmals wird hier jedoch auch die Klientel der Behindertenhilfe mit in den Blick genommen, denn eine erste Generation von Menschen mit Behinderung ist mittlerweile im Rentenalter und bedarf verstärkt auch altenpflegerischer Versorgung. Gestern fand im Beisein von Vertretern der Caritas-Verbandsspitze, Kommunal-, Kreis- und Landespolitik für die Doppeleinrichtung der Caritas-Altenhilfe sowie der Caritas-Behindertenhilfe am Standort Fulda-Neuenberg das Richtfest statt.

[dropshadowbox align=“right“ effect=“raised“ width=“30%“ height=““ background_color=“#ffffff“ border_width=“1″ border_color=“#dddddd“ ]INFO: Daten und Fakten[/dropshadowbox]Hierzu Diözesan-Caritasdirektor Dr. Markus Juch: „Immer verstärkter sehen wir, dass das bisherige Säulenkonzept der Hilfe – hier die Hilfe für Senioren, dort die Betreuung von Menschen mit Behinderung – in vielen Fällen nicht mehr funktioniert: Denn immer mehr Menschen mit Behinderung erreichen das Rentenalter und bedürfen – zu ihrer Begleitung als Menschen mit geistiger und körperlicher Einschränkung – altersbedingte Pflege. Diese ist aber in Wohngruppen oder zu Hause in den Familien nicht im nötigen Umfang leistbar. Und immer mehr ältere Menschen weisen demenzielle Erkrankungen auf, benötigen neben der körperlichen Pflege also auch besondere Begleitung. Mit unserer neuen Pflegeeinrichtung am Neuenberg schaffen wir erstmals von vornherein Pflegeplätze und ein Umfeld, das diesen Anforderungen Rechnung trägt.“ Zum Konzept der Tagesförderstätte sagte er: „Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen – sei es durch Unfall oder Schlaganfall – sowie ihre Angehörigen standen bisher meist allein da, wenn die medizinische Rehabilitation abgeschlossen war. Trotz ihrer Behinderung passten die Betroffenen – was die weitere Hilfe anbetrifft – weder in das Schema der Menschen mit Behinderung noch der psychisch kranken Menschen. Die Caritas Fulda und ihre Behindertenhilfe hat diese Lücke erkannt und ihre Werkstätten als Rehabilitationseinrichtungen für Menschen mit erworbenem Hirnschaden anerkennen lassen. Um die betroffenen Menschen jedoch auch ganzheitlich betreuen und rehabilitieren zu können, entstand die Idee einer Tagesförderstätte, die eine wichtige Lücke im Angebot der Caritas-Behindertenhilfe schließt und für den neuen Personenkreis Förderung und Teilhabe ermöglichen wird!“

„Mit der Doppeleinrichtung an der St.-Vinzenz-Straße wächst der Neuenberg zu einem weiteren wichtigen Caritas-Zentrum. Wir bieten an dem Standort Wohnen und Arbeiten für Menschen mit Behinderung, ein Spezial-Pflegeheim für ältere Menschen mit Einschränkungen sowie eine Tagesförderstätte für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen. Alle Einrichtungen sind eigenständig und doch miteinander konzeptionell verbunden. Ich bin mir dabei sicher, dass wegen der räumlichen Nähe und dem Interesse aller Beteiligten der Austausch zwischen den Mitarbeitenden der Werkstatt, die teilweise auch in den Wohngruppen am Neuenberg leben, und den neuen Bewohnern der Pflegeeinrichtung sowie den Besuchern der Tagesförderung sich rasch und unkompliziert entwickeln wird, und dass der Alltag aller Menschen, die dort ein und ausgehen, von diesem neuen Netzwerk profitierend wird.“

Caritas-Vorstandsmitglied Ansgar Erb: „Die ersten Überlegungen für den Neubau der spezialisierten Pflegeeinrichtung stammen aus dem Jahr 2013. Unser Fachressort hatte damals den Bedarf gesehen für eine Spezial-Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Das Konzept ist hessenweit einmalig. Bei der Standortfrage war uns von Beginn an wichtig, dass die Einrichtung zentral gelegen ist, damit Familienangehörige und auch die Bewohner diese gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können. Neben der Konzeptions- und Standortfrage stellten wir uns auch aus wirtschaftlichen und fachkundigen Gründen die Frage: Wie groß sollte so eine neuartige Einrichtung sein? Wir haben uns vorerst dann für 32 Pflegeplätze entschieden. Sofern zukünftig ein weiterer Bedarf an Pflegeplätzen bestehen sollte, so ist durch Spiegelung eines Gebäudeteils dieser Einrichtung eine Verdopplung auf 64 Plätze möglich. Auf Initiative des Fuldaer Kreisverbandes des BDH Bundesverbands Rehabilitation entstand eine zusätzliche Tagesförderungsstätte für Menschen mit erworbener Hirnschädigung mit 20 Plätzen.“

Konzept der Pflegeeinrichtung

Immer häufiger erhielt die Caritas im Bistum Fulda aus dem Bereich der Behindertenhilfe Anfragen zu der Pflege älterer Menschen mit Behinderung, denn die Lebenserwartung der Menschen mit Behinderung ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich angestiegen. Erstmals erreicht aktuell eine ganze Generation von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung das Pensionsalter. Die meisten Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung habe ihre Erwerbsphase in speziellen Werkstätten verbracht und während dieser Zeit in der eigenen Familie oder einem Wohnheim gelebt. Vor allem für Menschen mit geistiger Behinderung bedeutet das Altwerden eine besondere Herausforderung. Eine weitere Erschwernis: Eine nicht unerhebliche Anzahl der Senioren mit geistiger Behinderung weist zudem demenzielle Veränderung auf. Zielgruppe für die neue Einrichtung: Geplant ist, im gerade entstehenden Neubau eine, auf diesen Betroffenenkreis spezialisierte Pflegeeinrichtung mit 32 vollstationären Pflegeplätzen unterzubringen. In ihr sollen insbesondere ältere Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung Platz finden, bei denen der Pflegebedarf aufgrund altersbedingter Einschränkungen zunehmend im Vordergrund steht und eine Versorgung in der Häuslichkeit oder Wohnheimen der Behindertenhilfe nicht mehr gewährleistet werden kann. Umziehen in die neue Einrichtung werden auch die Bewohner des bisherigen Pflege- und Taubblindenheims in Hilders-Steinbach. Dabei werden die Bewohner in Hausgemeinschaften von jeweils zwei mal acht Bewohnern untergebracht sein. Die Hausgemeinschaften verteilen sich auf zwei Stockwerke. Eine Organisationsstruktur in der Einrichtung bietet den Bewohnern eine, an der eigenen Häuslichkeit angelehnte Tagesstruktur und ermöglicht ihnen die Teilhabe und Teilnahme an alltäglichen Abläufen wie den hauswirtschaftlichen Aktivitäten.

Konzept Tagesförderungsstätte

In der Folge einer erworbenen Hirnschädigung ist eine Rehabilitation der betroffenen Menschen anspruchsvoll und erfordert eine hohe Fachkompetenz – sowohl in der differenzierten Betrachtung der Beeinträchtigung wie auch in der Frage der an die Person angepassten Rehabilitation. Die Angebote der Tagesförderung können hier für den Personenkreis der Menschen mit erworbener Hirnschädigung (MeH), die noch nicht wieder am Arbeitsleben teilnehmen können, sehr hilfreich sein. Nach einer guten, medizinischen Versorgung in den Rehabilitationsphasen stellt sich für Betroffene und Angehörige unter Umständen im Einzelfall die Frage nach weiterer Förderung, einer sinnvollen Gestaltung des Tages, der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und schließlich auch nach Möglichkeit zur Teilhabe an Bildung und am Arbeitsleben. Solange die Möglichkeiten zur Teilhabe am Arbeitsleben noch nicht bestehen, ist es wichtig, dass diese Personen neben dem eigenen, privaten Sozialraum auch Teilhabe an Gemeinschaft in der Gesellschaft – auch zur Entlastung der Angehörigen – sowie eine konstruktive Begleitung und Förderung einhergehend mit einer Gestaltung des Tages erhalten. Die Perspektive der Integration in Formen von Teilhabe an Arbeit wird auch in der Tagesförderungsstätte dabei immer prinzipiell offengehalten und unterstützt. Caritas Berufswege Fulda und der Bundesverband für Rehabilitation (BDH) sehen hier für den beschriebenen Personenkreis der Menschen mit erworbener Hirnschädigung einen überregionalen Bedarf. Caritas Berufswege Fulda als anerkannter Träger von Angeboten zur Tagesförderung schließt diesen Bedarf mit einem speziellen Angebot: Nach gemeinsamen Überlegungen der Caritas Berufswege und dem BDH sollen die Betroffenen dabei unter Anleitung Hilfe und Unterstützung zur Bewältigung der täglichen Lebensführung angeboten bekommen und diese Alltagsbewältigung lernen. Die individuelle, personenbezogene Förderung muss sich demzufolge vornehmlich auf die Hirnleistung, die Stabilisierung der Funktionen des zentralen Nervensystems, die Selbstversorgung, die Selbstregulation und die Selbstkontrolle beziehen. Neben der sozialen Teilhabe der Betroffenen stellt das Angebot der Tagesförderung auch die Entlastung der Familien und Angehörigen an den Wochentagen in der Zeit während der Betreuung von 08:00- bis 16:30 Uhr sicher. Im Neubau der Caritas am Neuenberg werden die notwendigen Räume mit 20 Plätzen zur Tagesförderung geschaffen. Ein, im Laufe des Lebens erworbener Hirnschaden kann unter anderem mit einer  psychischen Beeinträchtigung verbunden sein. In den bestehenden Werkstätten, Einrichtungen und Räumen beziehungsweise Angeboten der Caritas können die notwendigen, spezialisierten Rehabilitationsleistungen für diesen Personenkreis nur bedingt angeboten werden. Es bedarf daher eines Angebotes, das auf die Belange des Personenkreises in besonderer Weise Rücksicht nimmt. Die neue Caritas Tagesförderungsstätte wird eine spezialisierte Beratung, Koordination und Leistungen für betroffene Menschen mit erworbener Hirnschädigung und deren Angehörige anbieten. Folgende sieben Schwerpunkte werden bei der Tagesförderung für die Rehabilitation der Betroffenen zugrunde gelegt: Sozialpädagogische Begleitung und Beratung der / des Betroffenen und dessen / deren Angehörigen, therapeutische Rehabilitation (als Einzel- und Gruppentherapie), Entwicklung und lebenspraktischer Bezug, Beschäftigung und Formen von Arbeit und Bildung, Gemeinschaft und Erfahrung, Kreativität und Talent / Musik und Klang und Bewegung und Sport.

Gebäudekonzept

Das Baugrundstück in der St.-Vinzenz-Straße im Bereich „Münsterfeld“ westlich der Innenstadt beherbergt bereits im nördlichen Teil die Caritas-Werkstätten für Menschen mit geistiger Behinderung. Der Neubau erfolgt auf dem südlichen Teil des Grundstücks. Das neue Gebäude ist als Massivgebäude mit zwei Vollgeschossen und Flachdach konzipiert und besteht aus einem Riegel – parallel zu den Bestandsgebäuden der Behindertenhilfe und einem daran angeschlossenen U-förmigen Gebäudeteil. Im Erdgeschoss des vorderen Gebäuderiegels ist die Tagesförderstätte der Behindertenhilfe mit Aufenthalts- und Ruheräumen vorgesehen: Im Stockwerk darüber wird es Büroräume sowie ein Pflegebad für die Einrichtung geben. Im Untergeschoss sind Umkleide-, Lager- und Technikräume vorgesehen. Das angrenzende u-förmige Gebäude beinhaltet die Pflegeeinrichtung mit jeweils auf Erdgeschoss und Obergeschoss verteilten, zwei Mal 16 Bewohnerzimmern mit Bädern, eine zentrale Küche sowie angrenzende Pflegestützpunkte, Ess- und Aufenthaltsräume für jeweils acht Bewohner in den einzelnen Wohnbereichen. Die bauliche Ausformung folgt dem Modell des so genannten „Hausgemeinschaftsmodells“. Alle Gebäudeteile und Zugänge sind barrierefrei ausgelegt. Die Gemeinschaftsräume, der Küchenbereich und vier der 32 Bewohnerzimmer werden rollstuhlgerecht erbaut. Die Freibereiche um den Neubau herum werden durch das Gebäude zoniert: Zwischen den, im Osten gelegenen Parkflächen und dem Eingangsbereich entsteht nördlich des Neubaus eine öffentliche Zugangs- und Verweilfläche. Durch die u-förmige Struktur des Hauses entstehen im südlichen Grundstücksbereich geschütztere Außenräume – sozusagen ein Innenhof, der den Bewohnern vorbehalten bleiben soll. Der südwestlich angrenzende Landschaftsraum bleibt als parkähnliche Zone in seiner jetzigen Form als Grünzone enthalten.

Erster Kreisbeigeordneter Frederik Schmitt (CDU) gratulierte im Namen der Stadt und des Landkreises Fulda zum Baufortschritt. Daneben dankte er für das Doppelprojekt, das auch als „Leuchtturmprojekt“ weit über die Region Osthessen hinaus fungiere. Schmitt sprach sich für ein vermehrtes Aufgreifen der Umsetzung solcher Konzepte wie es die Doppeleinrichtung der Caritas im Bistum Fulda darstelle, aus. Schön wäre es, wenn andere Regionen in Hessen von Fulda lernen könnten oder solche Einrichtung dieser Art auch in anderen Bundesländern realisiert würden. Dass in Fulda ein solches Projekt realisiert wird, zeuge von einem besonderen wie herausragendem Engagement von Menschen im Landkreis. „Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns bewusst machen, dass solche Projekte nur dann auch gelingen können, wenn es Personen gibt, die Verantwortung übernehmen“, sagte er. In diesem Kontext zitierte er den französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry, der einmal den Satz prägte: „Mensch sein, bedeutet verantwortlich zu sein.“ „Im Sinne der christlichen Nächstenliebe verantwortlich sein für den anderen, für deinen Nächsten – und gerade für denjenigen, der sich nicht ganz auf sich selbst verlassen kann, der Hilfe, der Unterstützung braucht. In seiner Kernaussage bedeutet das Zitat, dass wir immer das Gefühl haben sollen, dass der Stein, den man in diese Richtung setzt, mitwirkt am Bau der Welt.“ Hierfür fungiere das Doppelprojekt der Caritas als gutes und sinnstiftendes Beispiel.

Ilse Müller: Teilhabe ist ein Prozess, der immer wieder neu aus- und aufgerichtet werden muss!

„Das Richtfest für die Tagesförderstätte für Menschen mit erworbener Hirnschädigung ist wirklich etwas Besonderes“, so die BDH-Bundesvorsitzende Ilse Müller in ihren einleitenden Worten zur Begrüßung. „Und sie alle, die dieses Projekt projektiert, geplant, begleitet und gefördert – und bis zu diesem Punkt realisiert haben, wissen: auch wir Menschen müssen gelegentlich, wie ein Richtfest, aufgerichtet werden.“ Dies gelte auch für Menschen, die nach erworbener Hirnschädigung nicht oder beziehungsweise nicht wieder in der Lage sind, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bestehen. „Ihre Rehabilitation muss therapeutisch und pädagogisch weitergeführt werden. Sie benötigen vor allem eine Tagesstruktur, als förderndes Angebot – und das werden Menschen in dieser Tagesförderstätte finden. 2013 hat die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation als Zusammenschluss aller Reha-Träger in Deutschland in ihrer neuen Definition der Phase ‚E‘ über die Teilhabe am Arbeitsleben und Bildung hinaus auch die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft als Ziel genannt. Die Expertenkommission der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation hat die Phase ‚E‘ auch als Brücke für Inklusion bezeichnet. Teilhabe ist keine Karussellfahrt, die irgendwann abgeschlossen wird, sondern ein Prozess – auch ein gesellschaftlicher Prozess – der immer wieder neu ausgerichtet und auch aufgerichtet werden muss. Von uns allen. Teilhabe wird nicht funktionieren, wenn wir politische Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse nicht als Prozesse der Teilhabe gestalten. Denn konkret ist Teilhabe eben nicht nur ein Teilhaben an Prozessen, sondern auch ein Geben von individuellen Gestaltungsmöglichkeiten. Und diese Möglichkeiten umfassen die ganze Fülle des Lebens.“ +++ ja

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