Bundesweite Situation der Gesundheitsämter weiter unklar

Deutsche Arzneimittelhersteller sehen Corona-Pandemie als Chance

Trotz der Gefahr einer zweiten Infektionswelle mit dem Coronavirus gibt es bisher keinen bundesweiten Überblick darüber, ob die Gesundheitsämter inzwischen über das notwendige Personal verfügen, um dagegen vorzugehen. Das geht aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, über die die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ berichten. Ende März hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass in allen Gesundheitsämtern pro 20.000 Einwohner ein Team aus fünf Mitarbeitern bereitstehen soll, um Kontakte nachzuverfolgen.

Auf die Frage, ob das Ziel erreicht wurde, schrieb das Ministerium lediglich, darüber lägen der Bundesregierung keine Informationen vor, „da über Aufstellung und Zusammensetzung des Personals zum Kontaktpersonenmanagement die jeweiligen Behörden der Länder und Kommunen entscheiden“. Aus der Antwort auf die Anfrage ergibt sich auch, dass von den Mitte Mai vom Bund zugesagten 50 Millionen Euro für die weitere Digitalisierung der Gesundheitsämter und den Anschluss an das elektronische Melde- und Informationssystem noch kein Euro geflossen ist. Das Ministerium erklärte, die für die Förderung des Bundes notwendige Verwaltungsvereinbarung sei erst „vor Kurzem“ zur Unterzeichnung an die Länder geschickt worden. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Kirsten Kappert-Gonther übte scharfe Kritik: „Der öffentliche Gesundheitsdienst steht am Beginn einer möglichen zweiten Welle weiter im Regen“, sagte sie dem RND. „Gesundheitsminister Jens Spahn muss gemeinsam mit den Ländern dafür Sorge tragen, dass die Gesundheitsämter zügig ausreichend und qualifiziertes Personal sowie eine gute technische Ausstattung erhalten“, forderte sie. Dieses Personal müsse den Gesundheitsämtern dauerhaft zur Verfügung stehen. „Wir brauchen bundesweit Register, die Aufschluss über die akute Personalsituation geben und über die den Gesundheitsämtern gezielt Verstärkung zugewiesen werden kann“, so die Grünen-Politikerin.

NRW-Europaminister für dezentrale Lösungen bei zweiter Corona-Welle

Nordrhein-Westfalen fordert eine dezentrale Strategie bei einer möglichen zweiten Corona-Welle in Europa. „Wir sollten lokale Handlungsverantwortung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips bevorzugen“, sagte der nordrhein-westfälische Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner dem „Handelsblatt“. Nationalstaatliche Vorgehensweisen seien bei einer möglichen zweiten Welle des Coronavirus oft viel zu wenig differenziert. Der CDU-Politiker und Vertraute von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warnte, man dürfte die Idee des Binnenmarktes nicht zerstören. „Das Schließen von Grenzen hilft nicht bei der Bekämpfung der Pandemie, sondern schafft neue Hindernisse.“ Auch bei einer zweiten Anstiegswelle will NRW wie bereits im Frühjahr seine Grenzen zu den westlichen EU-Nachbarn nicht schließen. „Wer Grenzen für Freunde in Not schließt, wird sie letztlich für Waren nie mehr öffnen müssen“, sagte Holthoff-Pförtner. „Wir in Nordrhein-Westfalen haben unsere Grenzen zu den Niederlanden oder Belgien an keinem Tag geschlossen und damit Lieferketten aufrechterhalten und Grenzpendlern den Weg zur Arbeit ermöglicht.“ NRW begrüßt die Bemühungen der EU-Kommission, sich mit einem besseren Datenaustausch auf wieder erhöhte Fallzahlen vorzubereiten. Es sei „zumindest ein Fortschritt, dass nun die EU-Kommission mit Hilfe zweiter deutscher Unternehmen eine gemeinsame Plattform zum Datenaustausch baut“, sagte Holthoff-Pförtner. NRW kritisiert, dass es bei der Corona-App nicht frühzeitig eine gemeinsame länderübergreifende Entwicklung gegeben hat. Erst vor wenigen Tagen hatte die EU-Exekutive die beiden DAX-Konzerne SAP und Deutsche Telekom mit dem Bau einer Schnittstelle für den länderübergreifenden Einsatz von Corona-Apps beauftragt.

Deutsche Arzneimittelhersteller sehen Corona-Pandemie als Chance

Die deutschen Arzneimittelhersteller sehen die Corona-Pandemie als große Chance. „Deutschland entwickelt sich gerade wieder zu einem führenden Land für Impfstoffentwicklung und -produktion“, sagte Han Steutel, Präsident des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Weltweit gibt es rund 170 Impfstoffprojekte gegen den Coronavirus – davon kommen acht aus Deutschland.“ Aktuell würden gleich an vier Standorten Anlagen zur Herstellung von Impfstoffen ausgebaut – in Tübingen, Mainz, Idar-Oberstein und Dessau. „Die Forscher arbeiten aktuell in einer sehr hohen Geschwindigkeit und einem so intensiven Austausch wie nie zuvor.“ Alle Forscher seien hochmotiviert, ihren Impfstoff als erstes zur Zulassung zu bringen. „Aber eigentlich ist es wichtig, dass es mehrere schaffen. Denn kein Unternehmen könnte allein den Weltbedarf decken“, ist der Verbandschef überzeugt. Gleichzeitig sei der Erfolg n och keineswegs sicher. „Es gibt niemals eine Garantie, dass ein Impfstoff gefunden wird“, gibt Steutel zu bedenken. „Bei keinem Unternehmen steht heute mit absoluter Sicherheit fest, dass alle Testphasen erfolgreich beendet werden können.“ Bewusst vorsichtig formuliert er deshalb seine Prognose: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir 2021 noch keinen Impfstoff gegen Covid-19 haben werden.“ Die Forschung und Entwicklung der Pharma-Industrie in Deutschland ist nach Meinung des Verbandschefs Steutel Weltspitze. Mit rund 45 forschenden Pharmaunternehmen zähle Deutschland zu den führenden Forschungs- und Produktionsstandorten der Pharma-Industrie. „In Deutschland arbeiten rund 17.000 Beschäftigte in der industriellen Arzneimittel-Forschung. Pro Jahr investiert die Pharmaindustrie rund 7 Milliarden Euro in die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente. Setzt man Umsatz und Ausgaben in Relation, ist Pharma damit die forschungsintensivste Industrie Deutschlands – noch vor der Automobilindustrie.“ +++