Bundesregierung verhandelt mit neun Ländern über Migrationsabkommen

Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten

Die Bundesregierung kann bislang auf nur wenige Erfolge beim Abschluss von Migrationsabkommen verweisen. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsgruppe der Linken hervor, über die die „Neue Berliner Redaktionsgesellschaft“ berichtet.

Danach gibt es neben den Migrationsabkommen mit Indien und Georgien eine „Migrationspartnerschaft“ mit Marokko, die jedoch nicht auf verbindlichen Verträgen beruht. Mit Moldau, Usbekistan, Kirgistan, Kenia, Kolumbien, Ghana und den Philippinen würden Gespräche geführt, heißt es weiter. Mit Usbekistan sollen die Verhandlungen über ein Migrationsabkommen „zeitnah beginnen“, mit Kenia könnte eine Vereinbarung im September unterzeichnet werden. Vereinbarungen mit dem Irak hingegen basierten auf „vertraglosen Verfahren“, von denen Menschenrechtsgruppen befürchten, dass sie auch zur Abschiebung von Jesiden führen könnten.

Über die mögliche Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten gab die Bundesregierung keine Auskunft. Die fluchtpolitische Sprecherin der Bundestags-Linken, Clara Bünger, erklärte gegenüber der „Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft“: „Während Verhandlungen mit bestimmten Drittstaaten, wie etwa Irak, handfeste Konsequenzen haben, scheint es sich bei anderen Vereinbarungen um nicht viel mehr als heiße Luft zu handeln.“ Die Ampel spreche lieber von „positiver Dynamik“, statt von konkreten Ergebnissen, „die es sehr wahrscheinlich auch gar nicht gibt“.

Migrationspartnerschaften können nach Auskunft der Bundesregierung auch auf „gemeinsame(n) Absichtserklärungen“ oder auf anderweitiger „Etablierung bilateraler Arbeitsstrukturen“ basieren. Mit Marokko beispielsweise seien solche Strukturen geschaffen worden. Eine bilaterale interministerielle Arbeitsgruppe soll zweimal pro Jahr tagen und sich über alle Aspekte der Migration austauschen.

Völkerrechtler: Abschiebungen in Staaten mit Folterrisiko verboten

Der Heidelberger Völkerrechtler Matthias Hartwig hat mit Blick auf die Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan auf strenge europäische Regelungen hingewiesen. „Das sogenannte Non-Refoulement ist ein absolutes Verbot: Das heißt, Asylbewerber oder Flüchtlinge dürfen nicht in ein Land zurückgewiesen werden, indem ihnen eine menschenrechtswidrige Behandlung droht“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Umgekehrt heißt das, dass sie hier aufgenommen werden müssen.“

Nach Artikel 33 Absatz 2 der Genfer Flüchtlingskonvention seien zwar Personen von dem Schutz dieser Konvention ausgeschlossen, die Verbrechen begangen hätten oder die ein schwerwiegendes Sicherheitsrisiko für das Land darstellten. „Allerdings wird das in Europa strikter gehandhabt: Für Deutschland gelten die Regeln der europäischen Menschenrechtskonvention, wo in Artikel 3 das Folterverbot festgeschrieben steht. Das wird vom europäischen Menschenrechtsgerichtshof dahingehend ausgelegt, dass eine Person, ganz gleich was sie getan hat, nicht in ein Land ausgeliefert werden darf, wo ihr Folter droht“, so Hartwig, der Professor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ist.

„In der Diskussion über die Abschiebung von Personen, die einer Straftat verdächtig sind, sollte auch das Legalitätsprinzip berücksichtigt werden: Danach muss die Staatsanwaltschaft eine in Deutschland begangene Straftat verfolgen und sie bei hinreichendem Tatverdacht zur Anklage bringen“, erklärte er. „Der Staat hat einen Strafanspruch, und der sollte nicht durch eine Abschiebung in ein Land ausgehebelt werden, in dem möglicherweise, wenn nicht sogar wahrscheinlich, eine Tat nicht strafrechtlich verfolgt wird.“

Menschenrechtsexpertin sieht Abschiebungen nach Afghanistan kritisch

Die Menschenrechtsexpertin Nele Allenberg sieht die aktuelle Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan kritisch. „Der Schutz der öffentlichen Sicherheit ist eine wichtige Aufgabe der Innenpolitik“, sagte die Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Menschenrechte der „Rheinischen Post“. „Nicht aus dem Blick geraten dürfen aber menschenrechtliche Grundprinzipien. Das sind die Refoulement-Verbote aus der Genfer Flüchtlingskonvention und aus der europäischen Menschenrechtskonvention.“

Gerichte hätten Personen schon einen Abschiebungsschutz erteilt, „die keinerlei Verbindungen nach Afghanistan haben und bei denen es als gesichert gilt, dass die sich dort keine Existenz aufbauen können, dort hungern und dahinvegetieren“, erklärte die Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland des Deutschen Instituts für Menschenrechte. +++

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