Bundesregierung startet ab Dienstag neue Impfkampagne

Grünen-Gesundheitsexperte nennt Details zur Impfpflicht

Der Bund unternimmt kommende Woche einen neuen Anlauf, die Impfbereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen. „Wir sind in der Pflicht, die Menschen zu erreichen. Am Dienstag startet eine breite Impfkampagne mit Plakaten, Radio- und TV-Spots, die kreativer ist als die bisherigen“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) der „Bild am Sonntag“. Und sie sei in ganz unterschiedlichen Sprachen. An den Impfkampagnen von Lauterbachs Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) hatte es Kritik wegen ihrer geringen Wirkung gegeben. Lauterbach will sowohl für Erstimpfungen, „die das Sterberisiko senken“, als auch für Booster-Spritzen, „die gegen die Omikron-Welle helfen“, werben. Dabei sollen unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden: Ältere, die besonders gefährdet seien, Familien, junge Männer auf dem Land, Menschen mit Migrationshintergrund. Lauterbach: „Wir müssen alles versuchen, die Impflücke zu schließen, das ist auch eine Voraussetzung für eine eventuelle Impfpflicht.“

Grünen-Gesundheitsexperte nennt Details zur Impfpflicht

Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünenfraktion und Mit-Initiator des Antrags für eine allgemeine Impfpflicht, Janosch Dahmen, hat sich erstmals umfassend zur möglichen Ausgestaltung einer Impfpflicht geäußert. „Die Impfpflicht kann zur Befriedung der Gesellschaft beitragen, weil sie für Klarheit sorgt“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Darüber hinaus könne eine Impfpflicht „die Dauerschleife aus immer neuen Wellen, neuen Schutzmaßnahmen und Lockdowns“ beenden. Wie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bereits angeregt, sieht Dahmen die Altersgrenze für eine Impfpflicht bei 18 Jahren. „Das Virus hat sich verändert. Es gefährdet nicht mehr nur die älteren, sondern zunehmend auch junge Menschen“, sagte Dahmen der „BamS“. Auch aufgrund der Gefahr von langfristigen Schäden sei es wichtig, dass sich alle Altersgruppen impfen lassen. Um die Impfpflicht zu erfüllen, müsse sich jeder Erwachsene in Deutschland nach Dahmens Vorstellungen dreimal impfen lassen. „Der aktuelle wissenschaftliche Stand ist, dass man mit drei Impfungen sehr, sehr gut vor einer schweren Erkrankung geschützt ist. Das Gesetz sollte deshalb auch zu drei Impfungen verpflichten. Alle weiteren Auffrischimpfungen würde ich medizinisch empfehlen, aber nicht vorschreiben.“ Wer sich trotz Impfpflicht nicht impfen lässt, soll mit einem Bußgeld rechnen müssen, so Dahmen weiter. „Es muss hoch genug sein, aber auch in einem angemessenen Verhältnis zu anderen Bußgeldern stehen. Meiner Ansicht nach gibt es gute Gründe für ein Bußgeld im mittleren dreistelligen Bereich“, sagte er. „Bevor das fällig wird, sollte den ungeimpften Personen allerdings eine Frist von etwa sechs Wochen eingeräumt werden, um die Impfung nachzuholen. Ich kann mir vorstellen, dass gegen besonders Uneinsichtige über die Monate immer wieder Bußgelder verhängt werden.“

So verhindere man, dass sich Leute einfach „freikaufen“. Haftstrafen für hartnäckige Impfverweigerer lehnt Dahmen jedoch ab: „Man kann in Gesetzen die Ausgestaltung von Sanktionen detailliert regeln. Ich wäre dafür, die Erzwingungshaft bei der Impfpflicht auszuschließen. Andere Sanktionen werden reichen“, so Dahmen. Kontrolliert werden soll die Impfpflicht nach Dahmens Vorstellungen zum einen anlassbezogen von den Ordnungsbehörden „an Orten, wo besondere Sicherheitsrisiken bestehen, überall dort, wo viele Menschen zusammenkommen, zum Beispiel bei Konzerten“. Darüber hinaus brauche es aber auch „Kontrollen vom Arbeitgeber, zum Beispiel bei Neueinstellungen“. Nach Vorstellungen des Gesundheitspolitiker soll die Impfpflicht ab Sommer gelten. Bis Ende März plant er, das Gesetz zu beschließen. „Dann brauchen wir das zweite Quartal, um sehr intensiv zu impfen. Dann kann die Impfpflicht im Juli oder August in Kraft sein.“ Noch gibt es laut Dahmen wichtige Details wie die Ausnahmeregeln von der Impfpflicht zu klären. „Wir müssen medizinische Ausnahmen, die von der Impfpflicht befreien, sehr konkret beschreiben. Das darf nicht mit allgemein verfassten Attesten möglich sein.“ Außerdem müsse sehr klar formulieren werden, welche Impfstoffkombinationen für die Impfpflicht ausreichen. „Aus meiner Sicht sollte man entweder drei Impfungen oder zwei Impfungen und eine Genesung vorweisen müssen. Und wir brauchen ein viel besseres Beratungsangebot, damit die Ungeimpften ihre Sorgen abklären können“, so Dahmen.

Marburger Bund: Impfpflicht muss drei Dosen umfassen

Die Chefin der Ärztegewerkschaft Marburger Bund spricht sich dafür aus, die Bundesbürger im Rahmen der geplanten Impfpflicht auf drei Impfungen zu verpflichten. „Als geimpft im Sinne einer solchen Nachweispflicht kann nur gelten, wer auch eine Drittimpfung bekommen hat“, sagte Susanne Johna den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wir wissen inzwischen, dass eine Impfung erst dann als vollständig gelten kann, wenn drei Impfungen stattgefunden haben.“ Es sollte allerdings Übergangsregeln geben, um den Menschen Zeit zu geben, sich mit den üblichen Abständen vollständig impfen zu lassen, so Johna. Zudem solle eine Impfpflicht zunächst auf zwei Jahre befristet werden. „Vor Ablauf der zwei Jahre sollte die Lage dann neu bewertet werden – etwa mit Blick auf neue Virusvarianten und möglicherweise neuen Impfempfehlungen.“ Es könne sein, dass dann eine Lage erreicht sei, die es erlaube, die Impfpflicht wieder aufzuheben. Die Ärztegewerkschaft setzt sich für eine Impfpflicht für alle erwachsenen Bürger ab 18 Jahren ein. Eine Pflichtimpfung nur für Risikogruppen dagegen sei unrealistisch: „Die Risiken sind so breit gestreut, dass eine gesetzlich präzise Erfassung kaum möglich ist.“ Mit Blick auf die Kontrolle der Impfpflicht plädierte Johna für einen pragmatischen Weg: „Der Impfnachweis sollte wie bisher schon die 2G- und 3G-Regeln beim Eintritt oder bei der Nutzung von Geschäften, Verkehrsmitteln oder Einrichtungen geprüft werden.“ Wer keinen Impfnachweis vorlegen könne, werde dann mit erheblichen Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben und auch beim Zugang zur Arbeitsstelle rechnen müssen. +++