Bundesgerichtshof bestätigt Urteil im Mordfall Lübcke

Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen worden

Bundesgerichtshof. Foto: Nikolay Kazakov

Im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt bestätigt. Der BGH wies am Donnerstag alle Revisionen zurück. Demnach seien keine Rechtsmängel festgestellt worden. Das OLG hatte den Hauptangeklagten Stephan E. im Januar 2021 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die besondere Schwere der Schuld festgestellt und die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Angeklagten vorbehalten.

Bereits im Januar wurde E zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und dem Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung aufgrund des Mordes an den ehemaligen Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke verurteilt. Sein früherer Schützenfreund H wurde wegen des vorsätzlich unerlaubten Besitzes an einer vollautomatischen Schusswaffe mit einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung bestraft (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28. Januar 2021- 5 – 2 StE 1/20-6a – 3/20). Gegen das ursprüngliche Urteil des Oberlandesgerichts wehrten sich alle Prozessbeteiligten in verschiedene Richtungen durch Revisionen am Bundesgerichtshof. Heute sprachen die Karlsruher Richter ihr Urteil in der Sache und verwarfen alle Rechtsmittel der Generalbundesanwaltschaft, den Nebenklägern und den Angeklagten. Damit bestätigten sie das vorinstanzliche Urteil des Frankfurter Staatsschutzsenats (BGH, Urteil vom 25. August 2022 – 3 StR 359/21), was nun durch Verkündung rechtskräftig wird. Zur Urteilsverkündung wurden die Angeklagten nicht vorgeführt.

Mordmerkmale nicht zu beanstanden

Der frühere Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke wurde am 1. Juni 2019 kurz vor Mitternacht auf seinem Anwesen in Nordhessen mit einem Trommelrevolver erschossen. Die Tat erfolgte aus nächster Nähe durch einen Kopfschuss, sodass das Tatopfer keine Chance hatte, sich zu wehren. Als Grund für die Tatausführung stand eine rassistische und politische Gesinnung des E im Vordergrund. Mit dem heutigen Urteil bestätigten die Richter in Karlsruhe die bereits in Frankfurt festgestellten Mordmerkmale wie Heimtücke und niedrigen Beweggründe sowie das besondere Tatmerkmal der politischen Motivation. Letztere beiden waren durch die Verteidiger aufgrund des tatmotivrechtlichen Doppelwertungsverbots in Zweifel gezogen worden, was aber die Bundesrichter am Strafsenat nicht überzeugte. Denn bei den niederen Beweggründen ist das Tatmotiv einer politischen Verantwortung von Lübcke als solche ohne tiefere Untersuchung der rassistischen und politischen Motive zu bewerten. Gleichzeitig sind aber auch die tiefgründigen rassistischen und politischen Motive ein eigener Maßstab. Der Bundesgerichtshof stellt insgesamt fest, dass die Verurteilung des E dahingehend rechtsfehlerfrei und nicht zu beanstanden war.

Teilfreisprüche bleiben bestehen

E und H wurden in Frankfurt nicht nur verurteilt, sondern von der Belastung anderer Taten freigesprochen. Die Generalbundesanwaltschaft hatte sich in ihrer Revision vor allem dagegen gewandt, dass H nicht wegen psychischer und physischer Hilfe des E verurteilt wurde. Diese Betrachtung drang allerdings weder am Oberlandesgericht noch jetzt am Bundesgerichtshof zur Überzeugung der Richter. Vor allem gab es bei der Beweisführung keine Fehler, sagen die Karlsruher Richter. Denn E hatte bereits seine Alleintäterschaft eingestanden und es waren keine Spuren des H am Tatort zu finden. Aus diesem Grund bleibt es bei der Verurteilung, bei der H wegen unerlaubten Waffenbesitzes einer Maschinenpistole verurteilt wurde. Auch der Freispruch des E mit Blick auf eine Messerattacke auf einen Ausländer bleibt bestehen. Dagegen hatte sich die Nebenklage gewandt. Denn vor dem Mord an Lübcke in 2019 wurde einer männlichen Person im Januar 2016 von einem Fahrrad aus in den Rücken gestochen. Zwar stand dieser Vorfall in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Flüchtlingswelle, einem Auftritt Lübckes in einem Bürgerhaus und den politischen Motiven des Angeklagten E. Dies reichte jedoch für eine Verurteilung nicht aus. Den späteren Besitz eines gefundenen Messers konnte E durch eine Quittung nachweisen. Um eine Verurteilung wegen der Tat von 2016 zu erreichen, hatte die Nebenklage Bedenken, ob die Rechnung des Messers möglicherweise gefälscht gewesen sei. Allerdings kamen weder die Richter in Frankfurt noch in Karlsruhe zur Auffassung der Schuld des E in dieser Sache, weshalb bei diesem Tatvorwurf im Zweifel für den Angeklagten auf Freispruch entschieden wurde. Das Gericht betont dabei, dass es keine Schwäche des Staates ist, sondern eine Errungenschaft und Stärke, wenn ein unabhängiges Gericht zu einer solchen Überzeugung kommt. Deshalb bekräftigte der Vorsitzende Richter das Ja zum Rechtsstaat.

Lebenslänglich für E und Bewährung für H

Der Bundesgerichtshof kam heute zur Überzeugung, dass E nur für den Mord an den früheren Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke zur Verantwortung zu ziehen ist. Das Urteil lebenslänglich mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und dem Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung bedeutet, dass E in jedem Fall die Haftstrafe von 15 Jahren absitzen muss. Eine vorzeitige Haftentlassung ist ausgeschlossen. Kurz nach Ablauf der Haft wird aufgrund der besonderen Schwere der Schuld geprüft, wie lange eine Weiterverbüßung ist. Im Grunde würde nach den 15 Jahren plus weiteren Jahren in weiter Ferne die Zukunft offenstehen. Ob dies jedoch tatsächlich der Fall ist, hängt davon ab, ob der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung weiterhin Bestand hat. H hingegen ist nur für den unerlaubten Waffenbesitz einer Maschinenpistole verantwortlich. Das Urteil gegen H wurde auf 1 Jahr und 6 Monaten zur Bewährung ausgesetzt. Soweit sich H nichts weiter zu Schulden kommen lässt und die Bewährungsauflagen erfüllt, bleibt er in Freiheit. Im anderen Fall müsste er die Haftstrafe antreten.

Betroffenheit der Opfer

Besonders die Familienangehörigen von Lübcke sind durch das Tatgeschehen schwer betroffen. Dies machte auch der Vorsitzende Richter am Strafsenat des Bundesgerichtshofes bei der Verkündung deutlich. Für das Opfer der Messerattacke ist E nicht zur Verantwortung zu ziehen, weshalb dieses mit der Ungewissheit, wer mit dem Messer zugestochen hat, leben muss. Die Betroffenheit der Opfer kann zwar mit Opferentschädigung abgemildert werden, die Wunde aber bleibt. Das Urteil wurde mit der heutigen Verkündung am Bundesgerichtshof rechtskräftig. +++ rb

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